Gesucht wird ...

Wuppertaler Meinung und Dialog

von Lothar Leuschen​

Foto: WZ
Gesucht wird ...
 
Wuppertaler Meinung und Dialog
 
Von Lothar Leuschen
 
Nach der Wahl ist vor der Wahl. Selten traf diese Plattitüde besser zu als in diesem Jahr. Noch lecken die Parteien nach der Bundestagswahl ihre Wunden oder schlafen ihren Freudenrausch aus, da steht im größten und wichtigsten Bundesland auch schon der nächste Urnengang bevor. Im September werden Kommunalparlamente sowie Bürger- und Oberbürgermeister gewählt. Und es spricht einiges dafür, daß diese Kommunalwahl die bedeutendste in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen werden könnte. Es gilt, dem Rechtsextremismus die Rathaustüren zu versperren. Wer sich das Ergebnis der Bundestagswahl etwas intensiver angeschaut hat, der weiß, was die Stunde schlägt. In Gelsenkirchen ist es der SPD nicht mehr gelungen, die meisten Zweitstimmen zu erringen. Auf Platz 1 steht in der Arbeiterstadt der 1000 Feuer nun die AfD. Was hat das mit Wuppertal zu tun? Viel. Und das nicht nur durch die geografische Nähe zu Gelsenkirchen. Die Parallelen beider Städte sind unübersehbar. Steter Strukturwandel, viel zu wenig Geld in den öffentlichen Kassen, sterbende Innenstädte, mangelnde Investitionen in die Infrastruktur, strukturelle Überforderung im Bemühen um Integration Zugewanderter. Gelsenkirchen mag dem Abgrund schon ein paar Meter näher sein als Wuppertal. Aber die Tendenz ist dieselbe. Deshalb hat Oberbürgermeister Uwe Schneidewind mit der Forderung recht, daß Städte und Gemeinden finanziell endlich besser ausgestattet werden müssen. Der neue Altschuldenfonds der Landesregierung ist sicher gut gemeint, aber in seinem Effekt kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Herausforderungen von Kommunen wie Wuppertal oder Duisburg oder Gelsenkirchen oder Mönchengladbach lassen sich damit ganz sicher nicht bewältigen.
 
Also wird es auch in Zukunft notwendig sein, den Mangel in Wuppertal so zu verwalten, daß diese Stadt funktioniert und ihren Einwohnern, egal welcher Herkunft, eine Lebensperspektive bietet. Das erfordert vor allem eine Lokalpolitik, die ihr Handwerk versteht. Und es erfordert Spitzenkräfte mit einem Gespür dafür, über Parteigrenzen hinweg Mehrheiten erzeugen zu können. Kleingeisterei hat vor allem in Ratssälen noch nie etwas getaugt. In Zukunft wird sie schädlicher sein denn je. Das steht fest.
 
Beruhigend ist deshalb, daß es auch in dieser Stadt Parteien zu geben scheint, die das erkannt haben. Darauf läßt zumindest die Nominierung von Dagmar Liste-Frinker als OB-Kandidatin für die Grünen schließen. Mit ihrer Erfahrung, gepaart mit genügend Größe, nicht grundsätzlich auf Parteiwünschen zu bestehen, setzt Liste-Frinker den Maßstab für die Wettbewerberinnen oder Wettbewerber der anderen demokratischen Parteien. In der Lage, in der sich Städte wie Wuppertal weitestgehend unverschuldet befinden, ist es nicht mehr so wichtig, aus welchem demokratischen Stall das nächste Rennpferd kommt. Wichtig ist, daß die neue Spitzenkraft für Wuppertal weiß, wovon sie redet, weil sie diese Stadt, deren Wesen und deren Menschen durchdrungen hat. Wichtig ist, daß Wuppertal eine Oberbürgermeisterin oder einen Oberbürgermeister bekommt, für die oder den zählt, was die Wuppertalerinnen und die Wuppertaler benötigen, und nicht das, was Parteitage als ideologische Wolkenkuckucksheime zusammengebastelt haben. Städte und Gemeinden müssen Orte sein, in denen sich alle Menschen, die dort leben, wohl- und sicher fühlen. Wo das nicht mehr der Fall ist, wird aus Schwarz oder Rot oder Grün immer schneller Blau. Gelsenkirchen ist ein Beispiel, das alle demokratischen Parteien in höchste Alarmstufe versetzen sollte.
 
 
Der Kommentar erschien am 1. März in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.