Weniger, weniger – Wuppertal
Wuppertaler Meinung und Dialog
Von Lothar Leuschen
Andernorts funktioniert es, in Wuppertal nicht. Das gilt für die Zahl neuer E-Ladesäulen ebenso wie für die Zahl neuer oder sanierter Wohnungen. Diese Erkenntnis hat Tradition. Sie ist aber immer wieder ärgerlich, wenn Wuppertal in den Ranglisten der Möglichmacher unterste Plätze belegt. Das gilt aktuell für den Wohnungsbau und ist umso betrüblicher, da ausgerechnet die Nachbarstadt Solingen zeigt, wie es besser geht. Wuppertal hat im vergangenen Jahr genau 29 Baugenehmigungen erteilt. Das sind 70 weniger als im Vorjahr, was für die 17.-größte Stadt der Bundesrepublik Deutschland auch schon ein erbärmlicher Wert gewesen ist. Es ist peinlich für eine Kommune, in der immer mehr Menschen auf der Straße leben. Das mag hier und da sehr persönliche Gründe haben. Aber es steht Wuppertal nicht gut, wenn an der B 7 etwa auf Höhe der Industrie- und Handelskammer am Straßenrand bis vor wenigen Tagen drei Zelte aufgebaut waren - offenbar bewohnt, auch bei Nachttemperaturen von unter 0 Grad. Tausende fuhren jeden Tag an dem illegalen Zeltplatz vorbei, viele wird Mitleid ergriffen haben, einige werden sich fragen, wie es möglich ist, daß Menschen in Deutschland im Jahr 2025 mitten in der Stadt an einer viel befahrenen Straße campieren müssen. In diesem Beispiel traf es besonders Bedürftige. Wer als Student in Wuppertal lebt, wer für seine Familie Wohnraum sucht, weiß, daß der Mangel aber längst auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.
Verglichen damit wiegt es nicht sonderlich schwer, daß Wuppertal auch im Ausbau der Lade-Infrastruktur für E-Autos deutlich hinterherhinkt. Das ist in Zeiten notwendigen Klimaschutzes schon keine gute Nachricht. Schlechter wird sie dadurch, daß die Nachfrage nach Batterie betriebenen Fahrzeugen in den vergangenen Monaten wieder deutlich steigt. Alles spricht allerdings dafür, daß dieser mögliche Aufschwung an den Wuppertaler Autohäusern vorbeifährt. Die Umsätze werden woanders gemacht, dort fallen dann auch die Gewerbesteuern an. Wuppertal schaut in die Röhre.
Wer sich im Rathaus auf die Suche nach Ursachen macht, der lernt seit Jahr und Tag schnell, daß immer die anderen schuld sind. Wahlweise haben die Bundesregierung oder die Landesregierung den Schwarzen Peter. Wuppertal selbst ist Opfer, die Hände sind gebunden, die Möglichkeiten so begrenzt wie das Geld in der Kasse des Kämmerers. Da kann man nix machen, also macht man nix.
Und das ist das Problem. Die neue Wirtschaftsdezernentin, Sandra Zeh, hat jüngst einen Wirtschaftsbeirat initiiert. Er verfolgt das Ziel, daß die Kommune ihr Ohr stärker an den Puls der Unternehmen legt. Das ist eine sehr gute Idee. Denn wenn die Ohren des Rathauses nicht taub sind, wird die Stadtverwaltung möglicherweise hören, daß sie ein großer Teil des Problems ist. Wer potentielle Investoren fragt, warum sie letztlich einen Bogen um Wuppertal machen, der hört immer wieder von Genehmigungsprozessen, die scheinbar länger dauern als der Bau des Kölner Doms. Anträge türmen sich auf Aktenbergen, und wann immer der Antragsteller nachfragt, was seine Genehmigung denn gerade so macht, erfährt er, daß der jeweilige Sachbearbeiter erkrankt, verreist oder in der Familienzeit ist. Das kostet den Bauwilligen Nerven, Zeit und Geld. Und es trifft anscheinend nicht nur private Antragsteller, sondern auch die Wuppertaler Stadtwerke, die gern mehr Ladesäulen bauten, nicht zuletzt, weil sie damit Geld verdienen. Leider bekommen selbst sie kein grünes Licht aus der Stadtverwaltung.
Wer auch immer nach der Kommunalwahl im Herbst dieses Jahres als Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister ins Rathaus einzieht, möge diesem Trauerspiel ein Ende setzen. Es kostet keinen zusätzlichen Cent, Dienstleistung im Rathaus von „möglichst verhindern“ auf „möglich machen“ umzustellen. Gelingt das nicht, wird Wuppertal noch Dauergast im Tabellenkeller.
Der Kommentar erschien am 8. März in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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