In der Hitze der Nacht
Jetzt geht es zum Pool. An Sommertagen wird die Haut oft schon feucht durch den Schweiß, der nicht nur Badenden dazu dient, ihre Köperwärme nach außen abzugeben. Das Hautsekret gelangt durch Schweißdrüsen auf die Körperoberfläche und verdunstet dort, was abkühlend wirkt. Als Vorbereitung auf das Schwitzen weitet ein Organismus seine Gefäße. Dieser Vorgang lenkt das Blut verstärkt in die Haut und erklärt so die roten Wangen, die Menschen auch bekommen, wenn sie verliebt sind oder beim Lügen ertappt werden. Dazu gleich mehr.
Schwitzen hilft Menschen nicht nur, ihre Körpertemperatur zu regulieren. Der Schweiß bringt auch Sexualstoffe (Pheromone) nach außen, die auf den Partner oder die Partnerin erregend wirken und der Hitze der Nacht - «the heat of the night» - neben der physikalischen auch eine menschliche Tiefendimension verleihen. Wer mit ihrer Hilfe anfängt, schweißgebadet über sein Dasein nachzudenken, wird gerne und vergnügt die Information zur Kenntnis nehmen, daß der Schweiß ihm nicht nur aktuelle Liebenswürdigkeiten, sondern seiner Gattung insgesamt evolutionäre Vorteile eingebracht hat.
Im Gegensatz zu vielen von den frühen Menschen gejagten Beutetieren verfügte bereits der Homo erectus über Schweißdrüsen. So konnte er während einer Ausdauerjagd darauf warten, daß sein potentielles Opfer - etwa eine Antilope - ohne Schwitzen bald erschöpft war und eine Ruhepause einlegen mußte; ihm selbst bot sich dagegen die Chance zu einer erfolgreichen Erlegung. Schweiß hilft Menschen nicht nur als körpereigene Klimaanlage, die feuchten Ausdünstungen dienen auch als säuerliche Abwehrschicht gegen zahlreiche Krankheitserreger, die sie zu zersetzen helfen. Neben dem sexuellen kann das auch einen ziemlich abstoßenden Schweißgeruch mit sich bringen.
Während der Körperschweiß Viren und Bakterien abzuwehren versucht, hilft ein anderer Schleimfilm - vor allem im Winter -, sie aus der Nase hinauszubefördern. Das wirkt oft lästig und zieht viel Schneuzen und Putzen nach sich. Das zähe bis flüssige Sekret enthält eine Fülle von Molekülen, die sich an den Eindringlingen zu schaffen machen, wobei die Haare in der Nase einen ersten groben Filter darstellen, mit dem sich der Körper wehrt. Die bei kühlen Temperaturen vermehrte Absonderung von Nasenschleim kommt dadurch zustande, daß die Atemluft erwärmt werden muß, was die Sekretbildung erhöht. Das sonst wenig Beachtung findende Riechorgan wird von Rhinologen also von Hals-, Nasen-, Ohrenheilkundigen - als Wunderwerk für die Konditionierung der Luft angesehen: Die Nase befeuchtet, was ein Mensch einatmet, wenn es draußen zu trocken ist, sie wärmt und reinigt den Odem, versorgt die Luft mit Botenstoffen, die ihrerseits dafür sorgen, daß sich die Blutgefäße erweitern können, und aktiviert Gewebe, um immunologisch tätig zu werden. Man sollte sich also eher freuen, wenn im Winter die Nase läuft. Dann funktioniert sie bestens.
Zurück in den Sommer: Wer verliebt ist, kann nach der Körperpflege das tun, was Friedrich Schiller in einem Gedicht mit den Worten «errötend folgt er ihren Spuren» beschrieben hat. Dieselbe Rotfärbung der Haut zeigt sich auch, wenn jemand wütend reagiert oder beim Flunkern erwischt wird. In allen Fällen läßt sich eine erhöhte Durchblutung von feinen Äderchen im Gesicht nachweisen. Sie sind vornehmlich auf den Wangen und der Stirn zu finden, wobei die auslösenden biochemischen Körpersignale vom Gehirn ausgehen. Sobald das Denkorgan unter der Schädeldecke eingreift, kann man keine schlichten Antworten mehr erwarten und mechanische Erklärungen wirken fehl am Platz. Auf die Frage, warum jemand errötet, der in einer peinlichen Situation erwischt wird, antworten Psychologen mit dem Hinweis, daß dies ein Weg sein könnte, auf dem der oder die Ertappte signalisiert: «Oh, da habe ich einen Fehler gemacht!» Dieses Eingeständnis verhindert, daß der oder die einsichtsvoll Geständige aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird.
Der amerikanische Dichter Mark Twain meinte einmal: «Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das erröten kann - und das auch sollte.» Wer verliebt ist, deren oder dessen Herz schlägt schneller und (nicht nur) die Handflächen werden feucht. Wenn sich die Verliebten gegenübersitzen, weiten sich zudem ihre Pupillen, als ob das Gehirn so viele Informationen wie möglich über den anvisierten Sexualpartner einsammeln möchte. Bei Verliebtheit wimmelt es an den richtigen Körperstellen von Hormonen wie Adrenalin, Serotonin und Dopamin. Die Wissenschaft kennt inzwischen auch eine eigens produzierte Liebesdroge, die auf den wenig attraktiven Namen Phenylethylamin hört. Man kann darüber hinaus von dem Kuschelhormon Oxytocin lesen, das dabei hilft, zum Orgasmus zu kommen. Das Oxytocin wird freigesetzt, wenn ein Mensch angenehme Sinneserfahrungen macht, wobei das Streicheln eines geliebten Menschen wirksamer sein dürfte als der Aufenthalt in einer Wellness-Oase.
aus: „Warum funkeln die Sterne?“
Die Wunder der Welt wissenschaftlich erklärt
© 2023 C.H. Beck
Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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