Total verkorkst

Schwarz-rotes Sondervermögen überzeugt nicht

von Lothar Leuschen​

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Total verkorkst
 
Schwarz-rotes Sondervermögen überzeugt nicht
 
Von Lothar Leuschen
 
Mit jedem Tag, an dem über die Neuverschuldung für Investitionen debattiert wird, wächst die Erkenntnis, daß vor allem die Union auf dem Holzweg ist. Es macht den Anschein, als wollte Friedrich Merz den Fehler von Olaf Scholz wiederholen. Der hatte sich seine Kanzlerschaft erkauft, indem er den Grünen und der FDP zentrale Ministerien überließ und fortan keine eigenen politischen Akzente setzen konnte. Merz ließ sich von der SPD einen 500 Milliarden Euro schweren Schuldentopf abringen, durch den schmerzhafte Einsparungen im Haushalt sehr weitgehend vermieden werden können. Es ist deshalb richtig, daß die Grünen dem Sondervermögen die Zustimmung versagen wollen. Die wäre aber notwendig, um die Zwei-Drittel-Mehrheit noch im alten Bundestag zu sichern. Freilich ist auch das Kalkül der Grünen zu durchschauen. Sollten sich SPD und Union darauf verständigen, den Schuldentopf für den Klimaschutz zu erweitern, wäre es auch für die Öko-Partei leichter, im Bundestag den Daumen zu haben.
 
Es steht fest, daß Deutschland Unsummen in Aufrüstung investieren muß. Das verstehen alle, die in Deutschland nicht die Politik Rußlands betreiben. Es steht auch fest, daß in die Infrastruktur Deutschlands investiert werden muß. Neue Schulden sind dafür aber nicht unbedingt notwendig, zumindest nicht in der angestrebten Höhe. Deshalb reden derzeit viele von Sparen. Das fällt ihnen leicht, weil sie mit Sparen die Sozialausgaben des Staates meinen, von denen sie selbst nicht betroffen sind. Doch die tatsächlich notwendige Reform des Bürgergeldes reicht bei weitem nicht aus, den Investitionsbedarf zu decken. Das heißt, daß es bedeutet, daß neben Sparen und Steuererhöhungen etwa auf Kapitalerträge eine Rentenreform angepeilt werden muß, die zu einer längeren Lebensarbeitszeit führt. Die Zeitenwende erfordert einen Politikwechsel. Den haben Friedrich Merz und die Union in der Sondierung mit der SPD verpaßt. Deshalb ist der Start in die Koalition bisher total verkorkst.
 
 
Der Kommentar erschien am 11. März in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.