Marques – Flores - Saint Saëns

8. Sinfoniekonzert der 162. Saison des Sinfonieorchesters Wuppertal

von Johannes Vesper

Foto © Johannes Vesper


8.  Sinfoniekonzert der 162. Saison des Sinfonieorchesters Wuppertal
 
Marques – Flores - Saint Saëns
 
Über Mexiko wird derzeit allerorten viel berichtet: mordende Drogenkartelle, durchziehende Migrantenströme, Angriffe vom aus den Fugen geratenen nördlichen Nachbarn.  Jetzt wurde unter der souveränen Leitung des gebürtigen Venezolaners Christian Vasquez die Aufmerksamkeit auf die Musik dieses Landes fokussiert. Arturo Marquez (geb. 1950), aufgewachsen in Kalifornien, studierte Klavier und Musik in Mexico-Stadt, später auch in Paris. Er wurde vor gut 30 Jahren international bekannt vor allem mit seinem Danzon Nr. 2, in welchem sich sinfonischer Klang unter der Führung heller Trompeten mit dem aufreibenden Rhythmus mexikanischer und kubanischer Volksmusik mischt. Zur Eröffnung entfaltete der Holzblock (oder doch Ratschgurke bzw Guiro?)  mit wanderndem Rhythmus tänzerische Anmutungen, bevor die Klarinette zu Streicherpizzi liedartig einfällt, sich die Oboe mit feiner Agogik kurz einmischt und das zum Schlagwerk mutierte Klavier dazu gesellte. Aber bald ging es sinfonisch derb, rhythmisch, synkopisch weiter. Orchestrales Fußstampfen wurde belebt durch eingestreute Blechglissandi, bevor sich Konzertmeisterin Jaha Lee wie Stefane Grapelli solistisch klangvoll hören ließ. Piccoloflöte und Solotrompete gaben das Ihre und mit entfesseltem Rhythmus des gesamten, großen Orchesters ging dieses sinfonische Tanzspektakel nach rund 11 Minuten zu Ende.

Pacho Flores, geb. 1981 in San Christobal/Venezuela, wurde als Kind gefördert in venezolanischen Kinder- und Jugendorchestern und gewann u.a. den wichtigen Maurice Andre Preis für Trompete. Inzwischen spielt er als Solist u.a.  und in der Carnegie Hall und komponiert, z.B. seine Rhapsodie für Klarinette und Orchester auf Wunsch des heutigen Konzertsolisten Juan Ferrer, der selbst 2 Klarinetten mit auf die Bühne brachte, die dritte der unterschiedlich gestimmten Klarinetten (A-, B, und D-Klarinette.) trug ihm der Dirigent nach. Lateinamerikanisch und spanisch kommt diese Musik daher, rhythmisch lebhaft, wenn sich 12er-, Vierer- und Dreier-Takt überlagern. Virtuose Einwürfe der Soloklarinette, differenziertestes Schlagzeug, Marimbaphon, sehr leise Besen, geheimnisvolle Streicher, aus einem Pianissimo der Kontrabässe aufsteigendes Fugato, dann im Fortissimo Trommeln und Pauken gegeneinander bieten beeindruckende Klangfarben des gesamten Orchesters zusätzlich zu denen der Soloklarinette.  Nach Generalpause eröffnete eine kurze Cellokantilene zu Harfenklängen eine weitere rhapsodische Episode. Sehr exakt und lebendig harmonierten die hoch virtuosen teils überblasenen Soloklarinetten aufgeregt mit den Orchesterklarinetten und jazzige Bratschen mit fetzigem Blechsound. Eingestreute herrliche Soli für den Orchestertrompeter konnte sich der Trompetenkomponist, Solidarität unter Trompetern, nicht verkneifen.  Stehende Ovationen und Blumen gab es für Dirigenten und Solisten, die, beide Sympathieträger, zusammen aus der Mitte des Orchesters heraus die einzelnen Orchestergruppen mit fliegenden Armen präsentierten. Für den brausenden Applaus bedankten sich beide mit einem Stück von Autor Piazolla, in welchem Juan Ferrer im Pianissimo mit delikatesten Aufgängen über leisem Pizzicato der Kontrabässe (fallende Pfirsiche) die ganze Elegie und Traurigkeit Südamerikas in den Großen Saal über das Publikum blies.  Himmlische Gänsehautmusik! Denjenigen, die nur die Konzerte des hiesigen GMD abonniert haben, entgehen solche Sternstunden!


Foto © Johannes Vesper

Nach der Pause gab es dann die Orgelsinfonie von Camille Saint-Saëns(1835-1921), Franz Liszt gewidmet, uraufgeführt 1886 in London, Auftragswerk der Royal Philharmonic Society. Franz Liszt, 1896 verstorben, hatte einige Jahre zuvor die Uraufführung von « Samson und Dalila in Weimar dirigiert. Ihm war der französische Komponist sehr verbunden. Trotz der Bezeichnung « Orgelsinfonie » spielt die Orgel keine besondere solistische Rolle, sondern dient eher als Erweiterung der sowieso schon reichen Instrumentierung.
Nach kurzer ruhiger Einleitung mit Streichern und Oboe beginnt die Sinfonie eigentlich mit schnellen repetitiven Stakkato-Sechzehnteln, in denen bald das « Dies irae » (unvollständig) auftaucht Musikalisch sind diesen schnellen Repetitionen durchaus heikel, wurden aber unter dem klaren, eleganten, deutlichen, phasenweise weit ausgreifenden Dirigat des temperamentvollen Christian Vasquez souverän gestaltet.  Nach dramatischer Einleitung und Generalpause mischte sich die Orgel (Tobias Deutschmann) überraschend zurückhaltend in das Geschehen ein im Wechselspiel mit zeitweilig geteilten 1. Geigen ein. Der Satz endet unter Einsatz ihrer Walze im Diminuendo und Pianissimo der Orgel. Im Allegro moderato wechselt  das Orchester dramatisch und stufig die Lautstärke, an Registerwechsel der Orgel erinnernd.    Endlich setzt die Orgel mit vollem Werk ein, das Orchester reagiert mit kräftigem Fugato und das Klavier mit virtuosen vierhändigen Passagen inmitten starken orchestralen Rubatos. Eine musikantisch schäumende orchestrale Entwicklung wird von heller Flöte abgefangen bevor unter Accelerando und Vergrößerung der gewaltige Satz mit kurzer Coda zu Ende ging.  Erneut gab es Riesenapplaus für Orchester und den charismatischen Dirigenten, der zum ersten Mal hier dirigiert hat und im Gespräch enthusiastisch von der « amazing  location » des Großen Saals sprach. Wenn sein Auftritt als Probedirigat galt, hat Christian Vazques sicher Pluspunkte gesammelt
 
Sonntag 6. April 11:00 Uhr Montag 7. April 25 20:00 Uhr. Juan Ferrer, Klarinette, Christian Vazques, Dirigent.Programm: Arturo Marquez Danzon Nr 2;  Pacho Flores Klarinettenkonzert, Camille Saint-Saëns Symphonie Nr 3 c-moll Opus 78 (Orgelsymphonie) (Tobias Deutschmann, Orgel).