Sehende seid einig
Schwarzer Montag für die Weltwirtschaft
Von Lothar Leuschen
Der Dax ist ein sehr empfindlicher Seismograf dafür, wie es den Anteilseignern börsennotierter Unternehmen geht. Am Montag hat der Deutsche Aktienindex angezeigt, daß sich unter den Kapitalanlegern Sorge breitgemacht hat. Von Panik kann angesichts eines Index-Rückgangs von zehn Prozent freilich noch keine Rede sein. Und bei näherer Betrachtung wird auch sehr viel Spekulation sichtbar. Daß etwa Rheinmetall-Aktien 18 Prozent nachgeben, dürfte auch damit zu tun haben, daß Anleger in unsicheren Zeiten die hohen Kursgewinne realisieren wollen, die der Rüstungskonzern gerade in den vergangenen Monaten verzeichnete. Und daß BMW-Anteilsscheine nur vier Prozent nachgeben, dürfte auch ein Fingerzeig darauf sein, daß viele Aktionäre dem Autokonzern mittelfristig ohnehin nicht viel zutrauen und das in den vergangenen Monaten bereits eingepreist haben.
In Zeiten wie diesen zahlt es sich in Deutschland aus, daß anders als zum Beispiel in Amerika die große Börsenlust unter der Bevölkerung noch nicht ausgebrochen ist. In den USA spüren erste Bürger sehr direkt, was ihr außer Kontrolle geratener Präsident mit seiner irrsinnigen Zollpolitik angerichtet hat. Wer für seine Renteneinkünfte auf Aktien gesetzt hat, muß sich tatsächlich große Sorgen machen. Insgesamt aber ist das Kind Weltwirtschaft noch nicht in den Brunnen gefallen, aber es bewegt sich von einem Stockblinden angeleitet gefährlich darauf zu. Umso notwendiger ist es, daß die Hellsichtigen dem Blindgänger im Oval Office zügig und robust in die Parade fahren. Den Zöllen Trumps mit Zöllen zu begegnen, ist das eine. Aber das gleicht die Unwucht nur für den Augenblick aus. Importkosten schwächen den Welthandel – nicht nur für Nationen wie Deutschland, die vom Auslandsgeschäft leben, sondern für alle anderen. Zölle sind Grenzen. Und Grenzen kann der Handel nicht gebrauchen, wenn er den Wohlstand der Weltbevölkerung auch in Zukunft weitgehend mehren soll. Deshalb gebietet der Schwarze Montag Einigkeit unter den Sehenden. Vor allem Europa muß endlich lernen, mit einer Stimme zu sprechen, damit es mit den anderen Sehenden Handelsbedingungen vereinbaren kann, die Wirtschaftswachstum fördern.
Der Kommentar erschien am 8. April in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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