Mißtrauensvotum

Bei der CDU will die Basis mitreden

von Lothar Leuschen​

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Mißtrauensvotum
 
Bei der CDU will die Basis mitreden
 
Von Lothar Leuschen
 
Friedrich Merz hat sich in eine schwierige Situation manövriert. Offenbar viel zu schnell und ohne Gegenleistungen zu vereinbaren, erfüllte der designierte Bundeskanzler seinem Koalitionspartner SPD dessen großen Wunsch nach einem kräftigen Schluck aus der Schuldenpulle. Das sogenannte Sondervermögen über 500 Milliarden Euro versetzt die Sozialdemokraten in die Lage, vor allem Arbeitnehmern in Industrie und Baugewerbe sichere Arbeitsplätze zu versprechen. Die Botschaft ist klar. Die SPD kümmert sich wieder um ihre eigentliche Kernklientel. Und Friedrich Merz zahlt die Zeche. Denn neue Schulden sind das Gegenteil von dem, was der CDU-Chef im Wahlkampf versprach, und der deutlich kleinere Koalitionspartner bekommt diesen Wortbruch obendrein auch noch zum Nulltarif. Das zumindest ist die Befürchtung der CDU-Basis und vieler Wähler der Christdemokraten. Was bisher aus Verhandlungskreisen durchgesickert ist, erweckt bei vielen konservativen Beobachtern nicht den Eindruck, daß es unter Schwarz-Rot endlich zu dem Politikwechsel kommt, den sie mit vielen Wirtschaftsexperten für dringend geboten halten. Vielmehr sind die durchgestochenen Papiere von Uneinigkeit geprägt und lassen den Schluß zu, daß die bei der Wahl um zehn Prozentpunkte geschrumpfte SPD in der Beziehung zur Union den Koch spielen will, während CDU und CSU kellnern. Sie hat dank der vereinbarten Sonderschulden ja schon, was sie wollte.

Im Dunstkreis der Christdemokraten löst diese Entwicklung zunehmend Besorgnis aus. Friedrich Merz ist angeschlagen. Nicht nur in der Wahlbevölkerung sinkt der Anteil derer, die ihn für einen geeigneten Kanzler halten. Auch in seiner Partei wachsen die Zweifel. Es ist deshalb kein Wunder, daß sich die Stimmen derer mehren, die mitreden und mitentscheiden wollen, welchen Inhalts der Koalitionsvertrag ist, mit dem CDU und CSU in die gemeinsame Legislaturperiode mit der SPD starten. Bei den Sozialdemokraten sollen die 330 000 Mitglieder grünes Licht geben. Bei der CDU entscheidet planmäßig ein kleiner Parteitag. Daß sich dagegen nun Widerstand formiert, ist ein Mißtrauensvotum gegen Friedrich Merz.
 
 
Der Kommentar erschien am 9. April in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.