Wann, bitte, geht das nächste Kamel?
Nur schwer zu ertragende weil ernst gemeinte "Opernparodie" von Borodins Fragmentoper „Fürst Igor“ am Essener Aalto
Musikalische Leitung: Volker Perplies - Regie: Noam Zur - Bühne: Alexander Orlov - Kostüme: Kristine Pasternaka
Besetzung: Fürst Igor Swjatoslawitsch: Almas Svilpa – Jaroslawna: Danielle Halbwachs - Wladimir Igorewitsch: Rainer Maria Röhr - Wladimir Jaroslawitsch: Heiko Trinsinger – Kontschak: Ks. Marcel Rosca – Kontschakowna: Leva Prudnikovaite – Skula: Michael Haag – Jeroschka: Albrecht Kludszuweit - Viktor Sawaley: Günter Kiefer – Amme: Sabina Wehlte - Polowezer Mädchen: Francisca Devos Take my hand, I’m a stranger in paradise All lost in a wonderland - A stranger in paradise
If I stand starry-eyed - That's the danger in paradise
For mortals who stand beside an angel like you...
(Borodin: Polowetzer Tänze Text: Wright/Forrest aus dem Musical „Kismet“)
Es gibt eine wunderbare Melodie, welche dem Leitthema der "Polowetzer Tänze" von Alexander
Wie es zu dieser Oper kam, warum sie nie fertig wurde und was nach dem Tod des Komponisten geschah
Ein altes Gedicht mit dem Titel „Das Lied es Igor“ aus dem 12. Jahrhundert hatte den Komponisten Borodin zum Schreiben seiner Oper motiviert. Anfangs sah er noch breite, epische Themen, neben nationalen Elementen und einer großen Vielfalt handelnder Personen mit Leidenschaft, Dramatik und der ganzen Farbenpracht des Orients. Doch schon nach kurzer Zeit bemerkte er selbstkritisch, daß seine Bearbeitung des Bühnengeschehens an Dramatik deutlich zu wünschen übrig ließ. Auch erkannte er, daß seine Arbeit als hochangesehener Chemieprofessor und Arzt sich nur schwer mit der eines großen Komponisten vereinbaren ließ. Da er sich dem intensiven Komponieren nur während vorübergehender Krankheitszeiten widmen konnte, ging die Arbeit nur spärlich bis mangelhaft voran. Borodin war ein hin- und hergerissener Mann, schließlich in der Endphase seines über 20-jährigen Wirkens an der Komposition verstarb er. Die Oper blieb unvollendet.
Posthum machten sich seine Freunde Rimski-Korsakow und der junge Alexander Glasunow daran, eine Uraufführungsversion der Oper zu erstellen. Insbesondere erklärte sich Glasunow bereit, die Ouvertüre und den dritten Akt aus den Skizzen Borodins sowie aus den eigenen Erinnerungen an die Klaviervorträge des Komponisten wiederherzustellen. Insgesamt haben Rimski-Korsakow und Glasunow schätzungsweise mindesten 20 Prozent der endgültigen Fassung komponiert. Mit zweifelhaftem Ergebnis bei Betrachtung des Gesamtwerkes von schließlich über vier Stunden.
Das große Problem der Oper ist auch heute noch, daß die genau Reihenfolge der Szenen und der Akte unbekannt und ebenfalls das Libretto unvollendet geblieben ist. Genau so wenig wissen wir nicht, wie seine Geschichte eigentlich gedacht war. Eine vernünftige Quellenlage gibt es bis nicht. „Fürst Igor“ ist also ein Operntorso mit mehr als fragmentarischem Charakter, mehr historisches Fresko als spannendes Musiktheater; Allenfalls konzertant sinnvoll, was praktisch die wenigen Aufführungen, die es im letzten Jahrhundert gab, auch bewiesen.
Was bei einer Igo-Inszenierung schiefgehen kann, warum man keine Schlaftabletten mehr braucht und warum dem Kritiker Otto Schenk einfällt
In der Essener Fassung wurde nun soviel wie möglich der originalen Borodin-Musik genutzt, und auf die Ergänzungen von Korsakow und Glasunow (noch das Beste an der ganzen Oper - wie Zyniker
2,5 Stunden zuviel der Ehre! 2,5 Stunden, die unter dem einschläfernden Dirigat von Noam Zur wie fünf wirkten. Lähmende Lethargie statt Kosakenfeuer. Langweilige Musik, mit der Dramatik einer Drehorgel. Uninteressanter und uninspirierter wurde Borodin selten gespielt - selbst die legendären, auch noch gekürzten "Polowetzer Tänze", deren Erwartung uns wach und über die Runden hielt, hatten die Dynamik einer dahin schleichenden Kamel-Karawane im Sandsturm.
Der Oper den Rest gab allerdings das unbeholfene Regiekonzept des jungen lettischen Arrangeurs Andrejy Zagars, dem man den Charakter einer Opernparodie auf Produktionen des Nachkriegs-Bolschoi unterstellen möchte - aber leider war es bitter ernst gemeint. Stereotype Sängergestik, unbeholfenes Rumstehen, schablonenhafte Gestik in einem dermaßen konventionelles Rampentheater-Stil, daß dagegen die 698. Tosca-Version der Wiener Staatsoper nur als allerlebendigstes Musiktheater bezeichnet werden muß. Der Sarkast würde sagen, daß hier Otti Schenks Tosca auf dem Trampolin" unfreiwillig Pate gestanden haben könnte. Diese sogenannte "Inszenierung" spottet jeder Beschreibung. Über die 4 Meter hohen fahrbaren Kamele (Bühne: Alexander Orlov), den Dauerschneefall, die gigantischen Faber-Castell-Stifte und die Wahnsinnsorgie im Bottich, sage ich nichts ohne meinen Anwalt!
Was an der Essener Aufführung schön war, wieso Laientanz nicht auf eine große Bühne gehört und was der Rezensent empfiehlt Die bunten Kostüme von Kristine Pasternaka waren schön und hatten historischen Authentizitäts-
Wenn Sie unbedingt die Fürst-Igor-Musik hören wollen, dann kaufen Sie sich die Broadway-CD des Musicals „Kismet“ mit Julia Migenes, Samuel Ramey, Jerry Hadley und dem London Symphony Orchestra. Das Essener Original bereitet wenig Freude.
Premiere am 31. Januar 2009 - Weitere Informationen unter: www.theater-essen.de
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