Frühjahrsmanöver
Gartenarbeit ist die Weiterführung der Ehe mit anderen Mitteln.
Wir waren uns eigentlich einig, meine Frau und ich: Wir lassen uns nicht provozieren. Nicht in diesem Jahr. Besser: In diesem Frühjahr. Egal, was sie planen oder tun – wir bewahren Ruhe und inneren Frieden. Das sind wir uns und kommenden Generationen schuldig. Der Vorsatz hielt bis zum Morgen des 15. März. Als die Nachbarn zu beiden Seiten gegen 5:45 Uhr damit begannen, schweres Gerät aufzufahren, um sich damit bedrohlich an der West- und Ostgrenze unseres Grundstücks zu positionieren. Häckslerstarrend standen sich die beiden Supergärtner gegenüber, umgeben von modernster Gartenbautechnik, fest entschlossen die Freiheit Berlins zu verteidigen. Oder die Buchsbaumhecke zu stutzen. So genau weiß man das nicht. Ich versuche, der bedrohlichen Situation mit mystischer Innerlichkeit zu begegnen. „Jetzt schau Dir diese Spießer an! Kaum kommt die Sonne raus, schon wird Unkraut gejätet!“ Wobei ich natürlich sah: „Jäten“ war das völlig falsche Wort. Das Unkraut wurde mit einer Art Flammenwerfer vernichtet. Totaler Gartenbau.
Meine Frau schien mich nicht wahrzunehmen. Sie stand über eine auf dem Küchentisch entfaltete Generalstabskarte unseres Gartens gebeugt und markierte wie in Trance bestimmte Stellen mit einem roten Filzschreiber. „Hier“, sagte sie. „Und hier.“ Was aussah wie ein Kandinsky-Spätwerk entpuppte sich als Plan für die größte Umsiedlung von Pflanzen in der jüngeren Geschichte. „Operation Waldkür“. Den Rest des Tages stand ich knöcheltief im Feld und entwurzelte wilden Ahorn. Meine Frau beobachtete die Manöver von der Terrasse aus, ballte ab und zu die Faust und warf den Kopf in den Nacken. Gegen Mitternacht spielte ein Trompeter „Ich hab einen Rückenschaden“.
© Josef Bordat
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