Über das Entsorgen von Plastikkleiderbügel

(Langfassung)

von Erwin Grosche

Joachim Klinger pinx.

Über das Entsorgen von Plastikkleiderbügel 
(Langfassung)
 
Deutschland hat das fortschrittlichste Mülltrennsystem der Welt. Wenn man sich überlegt, daß beim Entsorgen eines Teebeutelchens schon vier Müllsysteme zum Tragen kommen und eine CD drei unterschiedliche Tonnen benötigt um wieder in den Kreislauf der Wiederverwertung zu gelangen, kann man sich nur bekreuzigen und dabei wurde noch nicht mal über das Löschen von umweltschädlicher Schlagermusik gesprochen, die sich auf den meisten Wegwerf-CDs breit gemacht hat. Ich bin stolz auf die deutschen Beamten und Beamtinnen, die uns in dieser Hinsicht fordern und zum Umdenken zwingen. Interessant wird es, wenn man das Mülltrennsystem anhand der Entsorgung von Plastikkleiderbügeln begreifen will. Wenn ich ein Hemd aus der Reinigung hole, das unter einer Klarsichthülle an einem Plastikkleiderbügel aufgehängt wurde, gilt dieser Bügel zusammen mit der Klarsichthülle als Teil von Verpackungsmaterial, das in der gelben Tonne entsorgt werden muß. Wenn ich aber diesen Bügel, anstatt ihn zu entsorgen, weiter als x-beliebigen Kleiderbügel nutze, dann spüre ich wie der Gegenstand seine Bedeutung verändert hat, obwohl es sich immer noch um den gleichen Gegenstand handelt. Läßt man den Kleiderbügel einfach Verpackungsmüll sein, haben wir kein Problem und er ist in der gelben Tonne gut aufgehoben, benutzt man ihn aber danach weiter als Kleiderbügel verliert er seinen Status und muß danach, wenn wir ihn entsorgen wollen, in einem anderen Umfeld, im Restemüll, seinen Frieden finden. Ich kann damit meinen Nachbarn Herrn Besserwisser in den Wahnsinn treiben, wenn ich aus der Reinigung mit sauberem Hemd und Plastikkleiderbügel komme und dann diesen Plastikkleiderbügel in der gelben Tonne schmeißen will, so ist es ja vom Gesetzgeber her vorgeschrieben, ihn aber kurz vor dem Entsorgen noch als Rückenkratzer nutze. Verstehen sie? Strenggenommen ist damit seine Bedeutung als Verpackungsmüll hinfällig und er gehört durch diese andere Nutzung in den Restemüll. Was glauben sie, wie sich Herr Besserwisser aufregt und mich beschimpft, wenn ich den Plastikbügel trotzdem in die gelbe Mülltonne schmeißen will. „Kein Wunder das die Welt vor die Hunde geht“, schreit er dann. „Der Gesetzgeber trainiert doch damit unser logisches Denken“, schimpft er dann. „Nur unsere Fähigkeit einen Gegenstand je nach Nutzung zu definieren macht uns doch zu einem Menschen.“ Und wenn er anfängt mir wieder den Unterschied zwischen einem Plastikbügel zu erklären der in die gelbe Tonne gehört und einem Plastikbügel der in den Restmüll entsorgt werden muß, dann nehme ich immer den Plastikbügel als eine Art Axt und renne schreiend hinter ihm her. Und wenn mich später die Polizei fragt, wohin ich die Tatwaffe entsorgt habe, dann zeige ich natürlich auf die Restemülltonne, damit ich mich nach dem versuchten Todschlag nicht noch eines Vergehens schuldig gemach habe, denn da gehört sie ja auch schließlich hin.
 
© Erwin Grosche