Der Papst ist tot

von Erwin Grosche

Foto © Bernd Mueller
Der Papst ist tot
 
Wenn man Geld bezahlt hat, kann man manche Ereignisse eher erfahren als der Rest der Welt. Wenn man nicht zu denen gehört, die auf dem neuesten Stand sind, dann ist die Gegenwart ohne neueste Vorkommnisse. Das kann Vorteile haben. Wäre es nicht selbstverständlich, daß die, die Geld für das vorzeitige Erfahren der Ereignisse bezahlt haben, andere einladen, die arm sind und ansonsten nicht wissen, welch grausame Ereignisse auf sie warten werden und zum Beispiel die Müllabfuhr nicht kommt? Ich habe einen Freund, der dafür Geld bezahlt, alles vorher zu wissen, und bei dem hänge ich manchmal herum, um nicht zu denen zu gehören, die alles erst auf den letzten Drücker erfahren. Inzwischen kann man auch die aktuelle Tagesschau nur schauen, wenn man dafür Geld bezahlt hat. Alle anderen müssen damit vorlieb nehmen, die Tagesschau von gestern oder von vorgestern zu sehen. So habe ich erst drei Tage später als der Rest der Welt erfahren, daß der Papst gestorben ist. Ich hatte mich schon gewundert, daß alle traurig waren und sich weinend in den Armen lagen, aber ich dachte es läge an den hohen Benzinpreisen. Nun weine ich im Nachhinein und wundere mich über die gelöste Stimmung der anderen. In meiner Tagesschau lebte der Papst noch und es sollte nur regnen und die Menschen würden allein sein. Alles sollte nur hoffnungsloser werden und die Nachrichten warnten vor den Ereignissen in zwei Tagen. Vieles sah schlimmer aus als es dann war. Der Schrecken von gestern ist besser zu ertragen, wenn man schon weiß, daß man ihn überlebt hat.
 
 
© Erwin Grosche
 
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