Der Meister und Margarita
Rußland 2024 Drehbuch und Regie: Michael Lockschin
Mit: August Diehl, Jewgeni Zyganow, Julija Snigi, Claes Bang u.a. Wer sich je durch Michail Bulgakows Roman „Der Meister und Margarita“ gebissen hat, weiß, was surreale Weltliteratur ist. Man würde bei dem Versuch, die zahllosen Handlungselemente des Werks zu bündeln bzw. auseinanderzuklamüsern und übersichtlich zu erzählen, vermutlich scheitern. Genau das aber versucht Regisseur Michael Lockschin nach eigenem Drehbuch in der russischem Verfilmung des Buches, und man muß zugeben, daß die Dramaturgie geradezu meisterlich gelungen ist. Die Verschachtelung der Ebenen gelingt, wobei man als Zuseher aber trotzdem den großen Überblick behält.
Vor allem ist Bulgakows Werk etwas, das gut mit dem heutigen Begriff „Fantasy“ zu umreißen ist, so unbeschwert greift die Irrealität bei ihm in die Realität ein und zeigt den Menschen zwischen bösen metaphysischen Mächten (der Teufel) und vielleicht noch böseren realen, in diesem Fall die mörderische Bürokratie einer totalitären Staatsmacht.
Man erlebt den titelgebenden „Meister“, seines Zeichens Schriftsteller, im Irrenhaus., das quasi den Rahmen für das Ganze bildet. Weiters in den Klauen der (sowjetrussischen) Staatsmacht. Man erlebt sein Stück über Pilatus und Jesus, das verboten wird. Man begegnet mit ihm dem Teufel. Und da ist noch seine Geliebte Margarita, die gegen Ende durch eine mysteriöse Salbe zur fliegenden Hexe wird…
All diese Ebenen verschachteln sich nicht nur, brechen ein und um, lassen immer wieder Zweifel aufkommen, was (erzählte) Wirklichkeit ist und was Literatur und was – ja was? Die Irrealität überhaupt. Das birgt in dieser Verfilmung, die dennoch so etwas wie Methode in den Wahnsinn bringt, tatsächlich besonderen Reiz.
Dabei verzichtet der Regisseur auf szenische und optische Mätzchen und bietet im Grunde einen Historienfilm, der auf einer wichtigen (realen?) Ebene durchaus die Stalin-Dreißiger Jahre beschwört, in denen das Buch entstanden ist. Als Künstlertragödie offenbart sich die Geschichte in der Entschlossenheit, mit der Jewgeni Zyganow den Meister spielt, schillernde Weiblichkeit steuert Julija Snigir als nicht wirklich durchschaubare Margarita bei.
Und da ist ja noch Deutschlands Beitrag für den Teufel, den Bulgakow Goethes Mephisto nachgestaltet hat – der Teufel muß offenbar ein Deutscher sein… August Diehl bringt die düstere Hintergründigkeit der Woland genannten Figur („Professor für schwarze Magie“), aber auch ihren Zynismus und sardonischen Humor, ohne jemals in billiges Chargieren zu verfallen. Aber wenn er da ist, verliert man auch als Kinobesucher nie die Gänsehaut… Amüsant natürlich, wenn Woland dem Meister versichern kann, daß er bei dem, was dieser geschrieben hat (die Pilatus / Jesus-Geschichte), selbst dabei war.
Bedenkt man das kritische Potential des Films, so ist es durchaus erstaunlich, daß das Werk (einst von der Zensur wild beschnitten) nun tatsächlich in Rußland gedreht und gezeigt werden konnte (bei riesigem Zulauf, wie man liest). Für den Regisseur war es allerdings dienlicher, das Land zu verlassen… Autoritäre Regime gleichen einander, Stalins Welt und jene von heute mögen Ähnlichkeiten haben.
Für Rußland sind das Buch und auch der Film wichtig, präsentieren sie doch den gedanklichen und kreativen Reichtum ihrer Geisteswelt, die so großartige, beneidenswerte Schöpfungen hervorgebracht hat.
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