Aus den eigenen Reihen

SPD-Manifest zur Außenpolitik

von Lothar Leuschen​

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Aus den eigenen Reihen
 
SPD-Manifest zur Außenpolitik
 
Von Lothar Leuschen
 
Killed by friendly Fire nennen Militärs den Kollateralschaden, wenn die abgefeuerte Kugel aus Versehen einen Soldaten in den eigenen Reihen trifft. Dieses Risiko scheint eine Handvoll Altvorderer der deutschen Sozialdemokratie nicht zu scheuen. Der Vorstoß der Herren Mützenich, Stegner, Walter-Borjans und Eichel kommt nicht nur zur Unzeit, er ist inhaltlich auch von einer Naivität geprägt, die der nachweislichen Qualität und Erfahrung der SPD-Haudegen Hohn spricht. Dabei wird niemand bestreiten, daß es das Ziel aller Diplomatie sein muß, auch zu Rußland ein vernünftiges, bestenfalls sogar freundschaftliches Verhältnis anzustreben. Aber der Zeitpunkt des Vorstoßes ist in jeder Hinsicht grundfalsch und amateurhaft schlecht gewählt. Denn nie seit dem Ende des Kalten Krieges war Deutschland weiter davon entfernt, mit Rußland einen unbelasteten Umgang pflegen oder auch nur herbeiführen zu können. Diese Realität sollte auch den Vertretern der älteren SPD-Generation bekannt sein. Giftmord, permanente Anschläge auf die digitale Infrastruktur, Falschnachrichten, die zur Destabilisierung der Gesellschaft beitragen sollen – Deutschland ist seit geraumer Zeit Ziel aggressiver Attacken aus dem von Putin gesteuerten Kreml. Noch hat die Bundesregierung und haben die Sicherheitsbehörden kein probates Mittel gefunden, die feindlichen Akte dauerhaft zu beenden. Warnungen und Sanktionen scheinen Putin und seine Machtclique nicht im Geringsten zu beeindrucken. Interessant wäre deshalb die Frage, mit wem im Kreml Stegner, Mützenich und Co. denn über ein anständiges Miteinander reden wollten?
 
Obendrein kommt der weinerliche Vorschlag in ein politisches Berlin, in dem sich SPD und Union wirklich redlich und spürbar um ein professionelles Miteinander in der Regierungskoalition bemühen. Bisher gelingt das angestrengt, aber es gelingt. In so einer Situation zeugt es von Unprofessionalität oder gar böser Absicht, eine so schwierige Debatte mit Spaltungspotenzial in der Regierung anzustoßen. Da stellt sich schon die Frage, wer die alten Herren der SPD beraten oder umgarnt hat, bevor sie in dieses politische Fettnäpfchen getreten sind.
 
 
Der Kommentar erschien am 12. Juni in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.