"Für mich soll´s rote Rosen regnen"

Die Wuppertaler Bühnen zeigen ein musikalisch-seelisches Portrait Hildegard Knefs von James Lyons

von Frank Becker

In dieser Stadt...

Eine kleine Revue
über das rastlose Leben der Hildegard Knef





Szenische Einrichtung
: Ensemble - Musikalische Leitung und am Flügel: Stefan Leibold - Arrangements: William Ward Murta - Bühne: Jeremias Vondrlik - Kostüme: Svenja Göttler - Maske: Barbara Junge-Dörr - Fotos: Michael Hörnschemeyer

Hilde: Anja Barth  -  Knef: Ingeborg Wolff

Berliner Pflanze

Während sich das Publikum im zum Theatersaal umfunktionierten Kirchensaal der "Kirche in der City" in Wuppertal-Elberfeld zu den Plätzen begibt, ist aus Lautsprechern die Stimme Hildegard Knefs zu hören: O-Ton. Sie spricht über Berlin, die Stadt, in der sie zwar nicht geboren wurde, deren

DECCA - Foto Krüger/Winkler
ureigenstes Kind sie aber gewesen ist.
Dazwischen am Flügel Stefan Leibold, der das ganze 90-minütige Stück begleitet, mir "So oder so ist das Leben". "Die Knef" - kaum eine andere hat dieses heutzutage inflationär benutzte Adelsprädikat so verdienst wie sie - war eine Berliner Pflanze, wie sie im Buche steht. Die Lieder "Ich hab´ noch einen Koffer in Berlin" und "Heimweh nach dem Kurfürstendamm", die durch Bully Buhlan berühmt und durch sie unsterblich wurden, waren ihr auf den Leib geschrieben wie ihr liebenswertes eigenes Selbstportrait im Chanson "Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen (und dein Mund ist viel zu groß)", zu dem Charlie Niessen die Musik geschrieben hat. In Nachkriegstrümmern und Seidenstrümpfen - Hildegard Knef war und blieb in Höhen und Tiefen ein Berliner Kind mit Herz (und Schnauze).

Ich brauch kein Venedig

Das Stück von James Lyons, das in gelungener Überblendung von Szenen mit zwei parallel agierenden Schauspielerinnen das Leben der Diva spiegelt, die eine phantastische Künstlerin, sympathische Person und energische Frau gewesen ist, verzichtet auf das Berlin-Heimweh der Knef zugunsten der Rastlosigkeit, die ihr Leben durch alle "Aufs" und "Abs" begleitet hat. Rastlosigkeit trieb

Anja Barth - Ingeborg Wolff
sie nach ersten Filmerfolgen (1944: "Unter den Brücken" - 1945: "Fahrt ins Glück" - 1946; "Die Mörder sind unter uns" - 1947: "Zwischen gestern und morgen", "Film ohne Titel") im Sog der Nachkriegszeit und als "Kriegsbraut" eines US-Offiziers in die USA. Erfolge auch dort, Abstieg auch dort, so wie später immer wieder im Wechsel in Deutschland und den USA. Dieses aufreibende Leben verkörpern auf der Wuppertaler Bühne Anja Barth als die junge und Ingeborg Wolff als die ältere Knef. Das Abgeklärte der desillusionierten Frau ("Von nun an ging´s bergab", "Illusionen", "Ich brauch kein Venedig") lag bei Ingeborg Wolff in bewährten Händen. Den spröden Sex-Appeal der in

Stefan Leibold - Anja Barth
Amerika 1952 zur Schauspielerin mit der größten erotischen Ausstrahlung gewählten "Hildegarde Neff" zu erreichen ist schlechterdings unmöglich. Anja Barth machte dabei eine gute Figur, näherte sich dem Bild mit schicker 40er Jahre-Haartolle, raffiniertem Strip hinter Paravent ("Ich zieh mich an und langsam aus") und im eleganten Abendkleid auf dem Flügel sitzend sehr passabel. 

Das Glück kennt nur Minuten


Drei Ehen, eine Tochter, eine überstandene schwere Krebserkrankung, 49 Filme, 15 Bühnenstücke, darunter der Broadway-Erfolg "Ninotschka", 23 Langspielplatten mit 317 Titeln, darunter 130 eigene, sieben Bücher (u.a. ihr Million-Seller "Der geschenkte Gaul") - genug Stoff für mehrere Abende.

DECCA - Foto © Michael Doster
Diese etwas andere Knef-Revue schaffte das Kunststück eines greifbaren Portraits in 90 Minuten. Dramatik und Humor hielten sich die Waage - zwischen den entsetzlichen Berliner Bombennächten, die Hildegard Knef in ihrer Autobiographie eindringlich beschreibt und ihren ironisch-poetischen Texten ("Ich weiß nur noch seinen Namen", "Ich brauch Tapetenwechsel", "Das Glück kennt nur Minuten", "Der Mond hatte frei", Protest eines Denkmals", "Wird Herbst da draußen"). Als sie 2002 mit 76 Jahren in Berlin starb, war sie wieder zu Hause. Dort ist sie begraben. Dort schlägt ihr Herz weiter im Rhythmus der Stadt, die ihr Leben bestimmt hat. Sie ist so unsterblich geworden wie ihr Lied, das wohl jeder kennt - "Für mich soll´s rote Rosen regnen".

Eine empfehlenswerte Aufführung. Weitere Informationen unter:
www.wuppertaler-buehnen.de


TELDEC »Telefunke-Decca« - Foto © Rico Puhlmann