Musikstunde

Von Ämtern, Päpsten, Machos und Kritikern

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Konrad Beikircher
Musikstunde



Guten Tag, liebe Musenblätter-Leser hochverehrte Freunde der Musikstunde!
 
Also das war damals natürlich ein musikalischer Höhepunkt, ohne Zweifel und es hat ja auch richtig gut hingehauen, wenn man den Menschen glauben darf, die dabei waren: das deutsch-italienische Geburtstagskonzert in Rom für Papst Benedikt den XVI., vormals Kardinal Ratzinger. Das ist schlechterdings eine Sensation. Warum? Weil diese Art von Konzerten meistens eher unter die Rubrik Event fallen als unter die Rubrik Konzert, d.h. die Qualität der musikalischen Darbietung spielt keine große Rolle, Hauptsache es sind alle da, die gesehen werden wollen und die verstehen meistens nicht allzu viel von Musik. So, wie es ein Freund von mir in Stuttgart erlebt hat: Sonntagvormittag. Staatsakt der Stadt Stuttgart, Festrede von OB Herrn Rommel. Zur Untermalung spielt ein Orchester die Ouvertüre zum Rienzi von Richard Wagner. Nun war am Abend vorher großes Orchesterfest, was weiß ich, 50-jähriges Bestehen oder so, also saßen die Damen und Herren leicht verwelkt in ihrem Orchestergraben. Das wäre aber nicht das Problem gewesen, immerhin saßen sie alle da – bis auf einen:
Erste Geigen, zweites Pult, Mitglied im Orchestervorstand. Im letzten Moment kommt er hereingestürmt, die Perücke leicht verschoben, alle sehen: aha! Er packt die Geige aus, da geht es auch schon los. Nun geht die Rienzi-Ouvertüre fatalerweise mit einem klingenden a los, gespielt von der Trompete. Das hört unser wackerer Geiger, hält es für das a der Oboe nach dem man stimmen muß und stimmt los: e – a – d – g. Die Kollegen, soweit sie nicht spielen mußten, lagen natürlich am Boden, draußen aber ist es – natürlich – keinem aufgefallen!
 
Konzert für Benedikt

So sieht diese Art von Konzerten meistens aus, manchmal werden sie sogar noch als Platte oder CD festgehalten, dann wird es ganz bitter. Nicht so bei diesem Konzert in Rom. Das Radio-Sinfonie-Orchester Stuttgart spielte, die Leitung hatte der wunderbare Gustavo Dudamel, für mich eine der Jahrhundert-Begabungen am Dirigentenpult.
So viel Herz, so viel Begeisterung, so viel Können und Elan am Pult – es ist eine Freude, ihm zuzuschauen, ihm zuzuhören und sich von ihm begeistern zu lassen. Wer einmal ein Konzert von ihm mit dem Simon Bolivar Jugendorchester von Venezuela erlebt hat, wird mir zustimmen – unvergeßliche Stunden. Man wählte ein gewähltes Programm aus, kein Wunder, der Papst kennt und liebt Musik, was die Stuttgarter natürlich wissen: zwei Canzonen und Sonaten für Blechbläser vom feinen venezianischen Komponisten Giovanni Gabrieli, das federleichte Violinkonzert in G-Dur, KV 216, von W.A. Mozart und schließlich die Symphonie Nr 9 in e-moll, op. 95, von Antonin Dvorak, die aus der Neuen Welt mit den schönen elegischen Zitaten aus der musikalischen Welt der Ureinwohner Amerikas. Eine schöne Zusammenstellung, die einen ernsten aber dennoch leichten und durchsichtigen Atem hat. Es hat nicht nur den Musikkritikern gefallen, die das Konzert im Vatikan erleben durften, es hat auch den knapp 10.000 Zuhörern in der Audienzhalle Paolo VI. neben dem Petersdom gefallen – auch wenn sie recht ausdauernd gehustet haben sollen und natürlich nach jedem Satz Applaus gaben – was ich persönlich nicht so schlimm finde wie manche Kritiker. Man kann nicht von jedem erwarten, daß er die Werke der Klassik kennt außerdem wurden bis vor 150 Jahren gerne einzelne Sätze größerer Werke im Konzert gegeben und seit KlassikRadio müssen wir uns jetzt ja auch wieder daran gewöhnen. Ein besonderer Ohrenschmaus muß das G-Dur Konzert gewesen sein: eigenartigerweise ist es eines der selten gespielten Werke obwohl es ein Juwel ist. Gratulieren wir somit im Geiste noch mal unserm Papst Benedikt – das Adagio, von dem Alfred Einstein sagte, „es scheint direkt vom Himmel gefallen zu sein“. In Rom hat es Hillary Hahn gespielt.
 
Richard Strauss sagte übrigens zur Musik Mozarts: „Die Mozartsche Melodie ist – losgelöst von jeder irdischen Gestalt – das Ding an sich, schwebt gleich Platos Eros zwischen Himmel und Erde, zwischen sterblich und unsterblich“.
 
Beethoven im Internet

Haben Sie Internet? Natürlich haben Sie Internet, sonst träfen wir uns nicht hier. Dann schauen Sie doch mal unter www.beethoven-haus-bonn.de rein, klicken Sie auf „Museum“, dann auf „Internet-Ausstellungen“ und dann auf „Erhaben, kurios oder modern“ und es tun sich vor Ihnen  22 Seiten auf: Beethoven-Denkmäler des 19. und 20. Jahrhunderts. Lassen Sie sich Zeit und schauen Sie sich die zum Teil wirklich hanebüchenen Titanisierungen an, die er erdulden muß. Er wird zwar immerhin von 1845 bis 1986 vom Mantel befreit, den er zunächst von allen Bildhauern um die Schultern geworfen bekam, weil das so einen genialischen Touch gibt, aber es sind nur wenige Denkmäler, die aus ihm nicht den mit dem Schicksal ringenden Titan machen. Sie werden beim Betrachten dieser Denkmäler sicherlich auch plötzlich spüren, wie sehr unser Beethoven-Bild von diesen Bildern geprägt ist. Da gibt es immer noch viel abzustauben. Franz Liszt hat sich da vielleicht damals schon richtig verhalten, er hat nur versäumt, seinem Auftritt in Bonn diese Richtung zu geben. Er hatte ja empört 1845 eine beträchtliche Summe den Bonnern gestiftet, als er hörte, daß die Mittel zu einem Beethoven-Denkmal nicht reichten. Dafür wurde er mit der Leitung der Feierlichkeiten der Denkmalsenthüllung und dem Dirigieren eines Konzerts betraut (in dem er Beethovens Klavierkonzert in Es-Dur spielte und eine eigene, eigens für das Fest komponierte Kantate aufführte).
Allerdings gab es Spannungen zwischen ihm und dem "Festkomitee", möglicherweise wegen der leicht skandalösen Geschichte mit Lola Montez, die in Bonn ihren Abschluß fand. In Bonn erzählt man sich die Geschichte haargenau so, wie sie Everett Helm beschreibt: "Die Legende erzählt, der Meister habe die Schöne in ihrem Hotelzimmer (im Stern-Hotel am Marktplatz) eingesperrt und die Schlüssel dem Portier übergeben, mit der Weisung, die Tobende erst zwölf Stunden nach seiner Abfahrt freizulassen. In weiser Voraussicht habe Liszt sogar einen Betrag für das zertrümmerte Mobiliar hinterlegt." Hätte sich Ludwig I., König von Bayern, auch so verhalten, wer weiß, wie viel Ärger den Münchnern erspart geblieben wäre! So hat sich Liszt – der 1845  schon ein Mythos war – zwar selbst entmythologisiert, zumindest in den Augen der Bonner Bürger, hat aber versäumt, das als Chance zur Entmystifizierung Beethovens zu nutzen. Sei’s drum – 150 Jahre später ist leicht kritisieren. Wenn er es versäumt hat, dann tun doch wir es – ein bisschen.
 
Waren Sie in Salzburg bei den Osterfestspielen? Nein? Ich auch nicht, ich hatte Wichtigeres zu tun und dann war ja da auch noch die Gartenarbeit... Früher, ja früher, unter Karajan, da – wäre ich auch gerne mal da gewesen, habe es aber nie geschafft – unter anderem aus finanziellen Gründen. Also beneide ich schon die Damen und Herren Musikkritiker, die da überall hin fahren dürfen, aber anstatt dankbar dafür zu sein, meckern sie, was das Zeug hält. Würde ich nie machen: ich wäre dankbar und berichtete nur Gutes, lüde man mich ein...
 
Gebrauchtaufführung

Alles also schön und gut und man kann sich als Besucher freuen und erwarten, eine gelungene Aufführung zu sehen. Nicht so die Musikkritiker. Die rümpfen die Nase und sagen, so wie Gerhard Rohde in der FAZ : „Es scheint ... niemanden zu stören, daß die einstige Exklusivität des Festivals an Glanz verloren hat. Man ist nicht länger unter sich, sondern muß mit anderen teilen, zum Beispiel mit Aix-en-Provence.“ Ohhh, das tut uns aber leid, Herr Rohde. War es sooo schlimm? Ich meine: Aix-en-Provence ist ja auch nicht unbedingt eine Prol-Adresse, oder? Ich sage nur Cezanne, zum Beispiel. Und die Musikfestspiele! Aber sicher, wenn man sich Salzburg schon mit der Provence teilen muß – schön ist das sicher nicht. Und deshalb schreibt Herr Rohde auch: „Was fehlt, ist eben das Überraschungsmoment. Man erlebt eine Gebrauchtaufführung.“ Das sollte zum Wort des Jahres vorgeschlagen werden „Gebrauchtaufführung“. So wäre also jeweils nur die Uraufführung die einzig legitime Aufführung, alles andere ist ja dann schon eine Gebrauchtaufführung, Kinder, was für ein wunderbares Wort! Gebrauchtwagen, Gebrauchtanzug, Gebrauchtgeige, Gebrauchtaufführung. Alles riecht ein bißchen nach rotem Kreuz und ärmlichem Österreich. Kein Wunder, daß das unseren Musikkritikern nicht gefällt, insbesondere, wenn man obendrein noch nicht mal unter sich ist.
 
Sehr geehrter Herr Rohde: kann es sein, daß gerade diese Haltung so ein bißchen der Totengräber dessen ist, was wir gerne hätten? Daß nämlich die wunderschöne klassische Musik nicht nur von denen gehört wird, die gerne unter sich bleiben, sondern auch von KarlHeinz und Chantal? Allerdings sollten sie die Chance dazu bekommen – und wenn es auf dem Wege der Gebrauchtmusik ist!
 
Sozusagen die Gebrauchsanweisung für den Ring:
 „Nur wer der Minne Macht entsagt,
nur wer der Liebe Lust verjagt,
nur der erzielt sich den Zauber,
zum Reif zu zwingen das Gold“
Dann wäre analog die Gebrauchtanweisung zur „Gebrauchtaufführung“ in etwa so was wie:
„Nur wenn das Stück noch nie gehört,
der Zauber erstmals uns betört,
nur dann ist wahre, hehre Lust
was sonst nur öder Massen – Frust“
oder so.
 
Stradivari in der Underground (und keiner hört hin)

Ach ja: ein Experiment! Die Washington Post – Sie wissen schon, die Zeitung, die den Präsidenten Nixon damals über die Klinge hat springen lassen – hat ein Experiment gestartet und es ist exakt so ausgegangen wie zu erwarten war. Es ist ein Experiment, das, so wie es angelegt war, nur Verlierer haben kann. Folgendes ist geschehen: Der 42 Jahre alte Joshua Bell ist einer der gefeiertesten Geiger der Welt. Er hat eine Stradivarius-Geige von 1733. Die Geige, die schon Fritz Kreisler spielte. Sie ist natürlich Millionen wert. Deshalb fährt er mit dem Taxi zu seinen Auftritten – damit dem Kunstwerk nix passiert. So auch jüngst, als er im Auftrag der Washington Post mit dem Taxi zum Auftrittsort fuhr – ein paar Meter waren das. Vom Hotel zur Station der Metro von Washington. Er sollte dort um 7 Uhr 51 in der rush-hour, verkleidet als Straßenmusiker, ein bißchen Geige spielen, so wie wir es auch kennen und – seitdem viele Straßenmusiker das Konservatorium in Petersburg absolviert haben – lieben. Er holt also seine Strad (nein, nicht die Fender Strat, die Stradi – Strad) aus dem Kasten und beginnt in der zugigen Passage die Chaconne aus der Partita d-moll für Geige solo von Johann Sebastian Bach zu spielen. Und es passiert natürlich genau das, was passieren muß und was Friedrich Karl Wächter, der große Satiriker und Karikaturist, auf den Punkt gebracht hat: da legt eine Sau eine artistische Höchstleistung hin – Kopfstand auf dem Rüssel – und seufzt resigniert: „Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein!“ – Genau so ging es dem großen Joshua Bell. Die Leute liefen an ihm vorüber, nach 63 vorbeihastenden Menschen warf der erste ein paar Münzen hin, insgesamt 1070 Nicht-Zuhörer sind in den 43 Minuten Konzert, die er gab, vorbeigelaufen, 32 Dollar 17 war die Ausbeute. Nur: das ist kein Grund zum Jammern ob des Niedergangs der Kultur. Beileibe nicht. Es war vorauszusehen. Bar aller Abzeichen und Insignien steht da ein Musiker und geigt. Wie Tausende in den U-Bahn-Passagen in der ganzen Welt. Dem ein oder anderen gefällt’s, natürlich, die anderen hören und schauen nicht hin. Warum? Weil die Inszenierung fehlt: der Frack, die Eintrittskarten, das Programmheft, die Carnegie-Hall, all die Insignien die mir sagen: aha, das ist was besonderes, das was ich jetzt höre ist super, sonst wäre ich ja nicht extra hierhingekommen.
 
Stellen Sie sich vor, Papst Benedikt stünde in einer der zugigen Underground-Passagen in London, verkleidet als armer Landgeistlicher meinshalben, und erteilte den Segen urbi et orbi. Der Segen wäre gültig, er ist ja er Papst, genau so wie die Musik, die Joshua Bell spielte, gültig war – in jedem Konzertsaal hätte sie die Menschen ergriffen – aber es ginge ihm, dem Papst, bestimmt so wie dem Artisten-Tier von F.K. Wächter oder eben Joshua Bell.  Liebe Washington Post: Du hast weder dem Künstler noch uns eine Chance gegeben, weil wir in einer Zeit leben, in der man die Inszenierung braucht, um glauben zu können, dass etwas Großes passiert. Selbst um entscheiden zu können ob uns das, was wir gegessen haben, geschmeckt hat oder nicht, brauchen wir einen Restaurant- oder Gastroführer, wenn nicht gleich den Michelin. Wir haben verlernt, uns auf unsere Ohren, unsere Sinne, unser Wertgefühl zu verlassen und das ist die eigentliche Tragödie hinter diesem Experiment. Selig die paar Offenohrigen, die stehen geblieben sind und dem Geiger zugehört haben: sie geben uns Hoffnung, daß es vielleicht doch noch nicht aller Tage Abend ist! 
 
Einkommenssteuerbescheid für Lasker-Schüler

Immer wieder passiert es und immer wieder amüsiert und erschreckt es uns zugleich. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts zum Beispiel flatterte ein Brief vom Wuppertaler Finanzamt in den Briefkasten eines Wuppertaler Haushaltes. Adressatin ist Frau Else Lasker-Schüler. Inhalt des Briefes ist: man habe gehört, daß sie Einkünfte aus selbständiger schriftstellerischer Tätigkeit erzielt habe und bitte sie, diese doch dem Finanzamt nun endlich anzuzeigen. Mit freundlichen Grüßen etc etc
Else Lasker-Schüler ist 1945 verarmt und armselig in Jerusalem gestorben, zerbrochen an einer ihr feindlichen Welt. Sie schrieb:
„Ich habe zu Hause ein blaues Klavier
und kenne doch keine Note.
Es steht im Dunkel der Kellertür,
seitdem die Welt verrohte...“
Ähnliches passierte Herrn Lochner, Herrn Stephan Lochner, Sie wissen schon: der vom Lochner-Altar im Kölner Dom, den er um 1442 geschaffen hat. Mit korrekter Anschrift „Stephan Lochner, Domkloster 4, 50667 Köln“ kam ein Werbebrief der Deutschen Post AG an.
Der Brief gelangte in die Hände des Hausherrn, des Dompropstes Norbert Feldhoff. Der antwortete dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Post, und nachmaligen Steuerhinterzieher Klaus Zumwinkel, wie folgt:
„Es ist fast schon tragisch zu nennen, daß Stephan Lochner in seinem derzeitigen Zustand weder Ihr Vorzugspaket noch den ‚besonderen Service’, alle deutschen Briefmarken-Neuerscheinungen viermal im Jahr automatisch zur Ansicht nach Hause zu bekommen, wahrnehmen kann. Ich bin auch nicht in der Lage, Ihnen die neue Anschrift von Stephan Lochner anzugeben. Herr Lochner ist uns sehr wohl bekannt, aber wir können ihn nicht mehr erreichen, da er vor genau 556 Jahren gestorben ist.“
So reagiert man in Köln: höflich, korrekt und dennoch schelmisch. Der Dompropst hatte allerdings Übung drin, denn Stephan Lochner wird gerne angeschrieben: vor einem Jahr hat er die Amex Gold Card angeboten bekommen und die Neue Zürcher wollte ihm ein Abo andrehen. Der Dompropst schloß den Brief mit der Anregung: da Lochner das großzügige Angebot nicht mehr annehmen könne, könne die Post vielleicht eine Spende für den Dom in Erwägung ziehen. Und die Post hat geantwortet: souverän und rheinisch.
 
Man verstehe sehr wohl, dass der Propst Lochners neuen Aufenthaltsort nicht preisgeben wolle, da die Kirche Verfolgten und Gesuchten ja von jeher Unterschlupf gewähre. Der Wunsch nach Neukundengewinnung müsse dahinter zurückstehen. Dem Spendenaufruf aber ist die Post gefolgt und hat rheinische 1.111,11 € für das neue Gerhard-Richter-Fenster überwiesen. Das hat Format, oder?!
 
Hemingway unter Wasser

Man weiß nicht, ob sie von ihm ist oder nicht: die Toccata in d-moll, von unserem Johan Sebastian Bach, eines seiner berühmtesten Orgelstücke. Es spricht einiges dafür, daß es ein Werk von Johann Peter Kellner ist. Das heißt: wie so oft im Leben könnte es sein, daß etwas anders ist, als es zu sein scheint. Und dazu paßt hervorragend der Briefwechsel von Ernest Hemingway mit Marlene Dietrich. Hemingway, der immer den Macho gab und der im wirklichen Leben eher ein Bonsai-Macho war, genau so wie der Stierkampf-Fan eher ein virtueller Torero war und der Casanova eher ein Verbalerotiker.
Jedenfalls war er einer, der sein Leben für die Öffentlichkeit noch mal erfunden hat, was ja auch hohen Unterhaltungswert hat. Ähnlich Marlene Dietrich, die sehr für die Öffentlichkeit gelebt hat und ihr – weit weniger aufregendes – Privatleben, in dem sie, glaubt man ihrer Tochter, nicht nur rühmliche Rollen gespielt hat. Nun hat Marlenes Tochter, Frau Riva, die Briefe, welche die beiden aneinander geschrieben haben, der Kennedy Library geschenkt mit der Begründung, Hemingway sei ein amerikanischer Nationalschatz, also gehören auch diese Briefe nach Boston, wo der literarische Nachlass verwahrt wird. Es sind sehr erotische Briefe und ich bedaure sehr, Ihnen nicht mehr als ein kleines Zitat daraus mitteilen zu können, allerdings sieht man daraus schon, worum es da geht: um literarisch-erotisches Maulheldentum, denn die Liebesbeziehung er beiden war eine platonische. Er sei das „Opfer einer unsynchronisierten Leidenschaft“ sagte Hemingway zu seinem Biographen Hotchner. Nun also das Zitat. Hemingway schreibt an Marlene Dietrich aus Kuba:
„Es war zu heiß, um Liebe zu machen, wenn Du Dir das vorstellen kannst, es sei denn, unter Wasser, und darin war ich nie gut.“ 
Da fällt uns doch nur mehr das köstliche „Männer umschwirren mich wie Motten um das Licht“ ein, oder, da ist es auch zu heiß, um Liebe zu machen!
 
Ihr
Konrad Beikircher