Erinnerungen an Georg W. Borsche

Zum 10. Todestag des Malers und Musikers

von Johannes Vesper

Foto © Gustav Zimmermann
Erinnerungen
an Georg W. Borsche
(1922-1999)
 

Für GWB, der aus einer musischen Familie stammte, stand bereits in jungen Jahren fest, daß er einen musischen Beruf ergreifen würde. Die Wahl zwischen Musik und Malerei fiel schwer, und die Entscheidung wurde soweit wie möglich hinausgeschoben.  Das gleichzeitige Studium der Kunstgeschichte, der Philosophie und der Musik mußte er wegen seiner Teilnahme als Soldat im 2. Weltkrieg unterbrechen. Zurück aus dem Krieg, pflegte er dann als Mitglied des Stuttgarter Kammerorchesters auch die Malerei und es fanden erste Ausstellungen statt. 1954 trat er als Bratschist in das Berliner Philharmonische Orchester ein, dem er bis zu seinem Ruhestand 1985 angehörte.

1961 führte ihn eine Konzertreise mit den Berliner Philharmonikern erstmalig nach Japan, was für 

Acryl auf Packpapier, 1986
seine Malerei bedeutungsvoll wurde. Seit dieser Japan-Reise beschäftigte sich GWB mit Zen-Buddhismus sowie mit der ostasiatischen Kalligraphie. Er war fasziniert von der japanischen Malweise und lernte die japanischen Haarpinsel schätzen, die in Ostasien vor allem zum Schreiben benutzt werden. Das Charakteristische dieser Pinsel besteht darin, daß man je nach Druck schmale und breite Linien mit ein und demselben Pinselschwung ausführen kann. Bald ließ sich GWB in Japan spezielle Pinsel anfertigen, die nicht nur den dort üblichen Wasserfarben sondern auch Terpentin und Ölfarben standhielten. Er benutzte die Pinsel oft auf weißem Untergrund oder aber in Verbindung mit farbigen transparenten Flächen. Solche farbigen Flächen entstanden  auf Japanpapier mit Hilfe einer Naß-in-Naß-Technik, bei der er durch Kippen der Bilder bestimmte Farbflüsse erzeugte. Auch bereits aufgetragene Farben wurden durch nachträgliches Aufbringen von Wasser oder Terpentin wieder ausgewaschen. Wegen unterschiedlicher Trocknungszeiten ergaben sich weitere Formmöglichkeiten und je nach Art der verwendeten Farben unterschiedliche Strukturen.

Farbige Tusche führte zu kontinuierlichen, glatten Farbübergängen, während sich mit Acrylfarben eigenartig subtile, oberflächig rauhe Naßstrukturen ergaben. Bei dieser Technik muß oft schnell entschieden werden, während nachträgliche Korrekturen dagegen kaum möglich sind. Der Anteil motorischer Spontanität bei diesen Bildern ist groß, wobei durchaus auch der Zufall eine Rolle spielt. Die typischen Pinselspritzer wurden im Einzelnen nicht vorher geplant. Die Übereinstimmung zwischen bewußtem Wollen und der Motorik des Künstlers, bzw. zwischen Geist und Hand als Folge meditativer Versenkung wie beim Zen-Buddismus war die Grundlage für den Entstehungsprozeß seiner Bilder. Eine momentane psychische Gestimmtheit erstarrt zum Bild. Seine Bilder sind psycho-motorische Improvisationen.

Die musische Doppelbegabung teilte GWB mit dem Maler und Geiger Paul Klee, von dem er nach

Öl-Nessel, 1986
dem Krieg stark beeinflußt war. „Da wo das Zentralorgan aller zeitlich räumlichen Bewegtheit, heißt es nun Hirn oder Herz der Schöpfung, die Funktionen veranlaßt, wer möchte da als Künstler nicht wohnen“ schrieb Paul Klee 1924 und meinte den Maler wie auch den Musiker in sich. Borsches Bilder haben keine Titel, er wollte den Betrachter nicht festlegen und ihm die Freiheit der phantasievollen Assoziation nicht nehmen. In seinen Bildern gibt es durchaus räumliche Tiefe, sei sie durch die Pinselschwünge selbst oder durch hintereinander liegende Bildebenen hervorgerufen. Seine Bilder zeichnen sich durch Schwerelosigkeit, Schwung und Eleganz aus, auch bei den großformatigen Werken der späten Jahre, bei denen die leuchtenden Farben mit Besen und Schrubber aufgetragen wurden. Das Atelier befand sich damals in einer alten Fabrik, wo es für solche Aktionen ausreichend Platz gab. Seine Bilder erscheinen als ein reines Reich seiner Seele.

Wenn Adorno die Musik als ein reines Reich der Seele bezeichnete, dann ist es kein Zufall, daß der Maler Borsche auch immer gleichzeitig Musiker war oder umgekehrt, daß der Musiker Borsche in der Weise gemalt hat, wie er es getan hat. „Schwebend – heiter“ hieß die Ausstellung in Berlin 1984 bei der Galerie Pels-Leusden, in der sich Borsches Bilder zusammen mit Blättern von u.a. Bissier und Picasso fanden. „Und die Freude des Betrachters beim Anschauen der sicheren, freien und behenden Pinselschwünge ist vergleichbar dem Genuß des Musikfreundes beim Hören eines schönen Tons, welcher durch sauberen Anschlag oder durch einen klaren kräftigen Bogenstrich hervorgebracht wird. Die anregende Wirkung entschiedener Pinselführung oder gelungener Bogenführung beruht auf der Tüchtigkeit und Sicherheit des Künstlers, die gewissermaßen auf den Beschauer (oder Zuhörer) zurück strahlt, ihm gleichsam etwas von dieser inneren Bevorzugung  selbst mitteilt und dadurch eine eigene Art von mutigem freudigem Gefühl erregt (Carl Gustav Carus).“ 
      
Heute vor 10 Jahren (am 03.04.1999) starb Georg W. Borsche in Berlin
 
Seit 1953 über 40 Einzelausstellungen.  Auswahl:
1954 Amerikahaus Stuttgart, Amerikahaus Heidelberg
1955 Amerikahaus Berlin
1960 Kunstverein Bremerhaven
1961 Städtische Galerie Oberhausen
1962 Carus Gallery New York, Gallery de Salle Detroit/Birmingham USA
1964 Galerie pro arte Delmenhorst
1965 Zimmergalerie (Gütersloh), Die Schanze(Münster), Galerie Siegmundshof(Berlin)
1966 Märkisches Museum Witten

Acryl auf Papier, 1996
1967 Galerie Welz, Salzburg
1969 BAT Haus, Hamburg
1971 Galerie Palette, Wuppertal
1972 Galerie International de Arte, Madrid / St. James Galery, Luzern
1975 Kunstverein Hattingen
1976 Werkstatt Galerie, Wuppertal / Galerie Dörner, Hagen
1978 Foyer der Deutschen Oper Berlin
1980 Foyer der Philharmonie, Berlin
1981 Ostasiatische Gesellschaft, Tokyo / Pressezentrum der Festspiele, Salzburg
1982 Galerie Calart, Genf
1983 Galerie Pels-Leusden, Berlin
1984 Han Kyu Building, Tokyo I Milstadter Sommer, Milstadt (Österreich)
1985 Licht des Sender Freies Berlin
1986 Chin Ju, Masa, Pusan, Korea
1989 Schering Kunstverein Berlin
1993 Musik und Malerei, Steinwayhaus Berlin 
1996 Villa Oppenheim Berlin
 



Porträtfoto Borsche von Gustav Zimmermann (mit freundlicher Genehmigung des Fotografen)
Bilder mit freundlicher Genehmigung von Nicola Borsche
Text © Johannes Vesper 2009
Redaktion: Frank Becker