Sündhafte Genüsse

Mechthild Grossmann liest Héctor Abad "Kulinarisches Traktat für traurige Frauen"

von Frank Becker
Sündhaft gut

Mechthild Grossmanns Stimme ist es, die aus den Texten Héctor Abads ein beinahe unanständiges Vergnügen macht. "Die hab´ ich doch schon mal gehört...", wird manch einer sagen - und recht haben. Eine große Zahl von Hörbüchern profitiert mittlerweile von der Verführung dieser weiblichsten aller Baß-Stimmen, die einst eine Revolution in den Stücken
des Tanztheaters von Pina Bausch war und jetzt schnoddrig den Tatort-Ermittlern Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) in Münster als kettenrauchende  un neuerdings Boxkurse nehmende Staatsanwältin juristisch in die Parade fährt.

Hier aber bietet Mechthild Grossmann, die wie keine zweite "Na, Kleiner, was willst Du denn?" hauchen kann, literarisch- kulinarische Kost vom Feinsten. Mit dem Rücken zum Nachmittag Melissentee trinken, um den Liebsten zurückzuholen, eine Salzlösung für den strahlenden Blick, damit die Kunst der Augensprache auch funktioniert, weißer Reis gegen das Schluchzen, keine Seezunge essen, um Krankheit fernzuhalten... Héctor Abad bietet wahrhaft probate Mittel - oder besser: solche, die inklusive magischer Sprüche so klingen - für ein besseres Leben an.

Spätestens wenn er sich Gedanken darüber macht, wieviel  Fleisch ein Dinosaurier hat (hätte man ihn denn) und daß ein Ei eines Tyrannosaurus Rex für eine Tortilla reichen würde, mit der man eine ganze Kompanie verpflegen könnte, kommt man dem Schlingel auf die Spur. Coelacanthus
Latimeria chalumnae-Suppe? Stand der Quastenflosser bei seinem sensationellen Fund nicht ohnehin auf dem Speisezettel der Komoren-Fischer?  Über die Gelüste und Abneigungen einer schwangeren Frau spekuliert Abad, darüber, daß es keine Aphrodisiaka gibt, ist er sich sicher. Ein glücklich machendes Rezept der Eugenia capuli/ Erdbeer-Marmelade finden wir, Warnungen vor falschen Freunden und den Rat, die selten zu bekommenden Wachteln durch indonesische Zwerghühnchen zu ersetzen, um ein Gericht gegen die Gleichgültigkeit zuzubreiten.

Alles in allem ein wahrhaft köstliches Küchen- und Lebenskompendium, mit Augenzwinkern und whiskyfarbener Stimme von Mechthild Grossmann beinahe glaubhaft serviert. Eindeutig im Vorteil ist, wer auch das Buch dazu hat, um beim Mitlesen doppelten Genuß zu haben.
Und: lassen sie sich nicht von der ab Titel 8 um einen Punkt verschobenen Reihenfolge der Titel irritieren. Man hat nur vergessen ein Intermezzo in die Liste aufzunehmen.
  
Beispielbild
Cover-Fotografien: Erwin Wurm/Uwe Stratmann

Héctor Abad
Kulinarisches Traktat für traurige Frauen

Mechthild Grossmann liest
Auswahl und Regie Hans-Gerd Koch

(P) + © 2007 Verlag Klaus Wagenbach

Laufzeit: 64 Minuten

Weitere Informationen unter:
www.wagenbach.de

Das Buch zum Hörbuch: