Frühling

von Joachim Klinger

Foto © Frank Becker
Frühling
 
Die Knospen sind so hart und prall
und schürzen rote Lippen.
Die Drosseln schwatzen, Schmelz und Schwall,
sie hüpfen wie ein Gummiball
und ihre Schwänze wippen.
 
Ein schlankes Mädchen flicht den Zopf.
Er reicht ihr bis zur Hüfte.
Sie neigt den kleinen Puppenkopf
betrachtet sich im Suppentopf
und atmet Zwiebeldüfte.
 
Der alte Mann am Bretterzaun
lockt seine weißen Hühner.
Der Hahn stolziert in Rot und Braun.
Er mag dem alten Mann nicht traun.
Das Feld wird grün und grüner.
 
Am Abend kommt ein Wind daher.
Das Mädchen spielt am Mieder.
Der Alte preßt den Atem schwer.
Der Wetterhahn schwankt hin und her,
der Kirschbaum auf und nieder.
 
 Joachim Klinger


Zitiert aus Joachim Klingers Gedicht-Band „Palmströms Taschentuch und Korfs Galoschen“
Mit freundlicher Erlaubnis des Grupello Verlages (www.grupello.de)