Es war nicht alles schlecht

Wilfried Schmickler zieht Bilanz

von Jürgen Kasten
30 Jahre Wilfried Schmickler
Rex-Theater Wuppertal am 04.04.2009
 

Es war nicht alles schlecht
 
Unglaubliche 30 Jahre steht er tatsächlich schon auf der Bühne. Kabarett mit verschiedenen Formationen, seit 2002 als Solist und bereits seit 1992 zum Stammpersonal der legendären „Mitternachtsspitzen“ seines Freundes Jürgen Becker gehörend. Liest man über Wilfried Schmickler, dann heißt es: „bissig, bitterböse, sarkastisch, Scharfrichter unter den deutschen Kabarettisten“; aber auch „unglaublich komisch“. Das ist alles richtig und deshalb hat er auch zu recht diverse Preise bekommen, zuletzt den „Deutschen Kleinkunstpreis 2009“.
 
Schmickler beginnt den Abend mit einer Lüge, indem er kundtut, hier in „seinem liebsten Wuppertal“ auftreten zu dürfen. Das relativiert er aber in seinem Schlußwort, denn gemeint war eigentlich das „Rex“, einem seiner tatsächlich liebsten Vortragsorte. Das war bis auf den letzten Platz ausverkauft und keinen Zuhörer reute es, dabei zu sein. Auf „Los“ geht´s los, gab  Wilfried Schmickler das Startzeichen, holte tief Luft und ein Feuerwerk aus Verbalattacken gegen alle „Heuschrecken“, Politiker, Banker und sonstiges „Sozialgesindel“ prasselte auf die zustimmend applaudierende Zuhörerschaft nieder. Derart Dampf abzulassen, sollte man jeden Morgen zelebrieren, dann wäre der Kopf wieder frei für Feierliches, nämlich einen Rückblick auf die letzten 30 Jahre, denn „es war nicht alles schlecht (...manches war noch schlechter)“.
 
Daß er diesen Programmteil mit festlicher Musik von „Bsirske, äh – ver.di“ einleitete, war einer der vielen Kalauer, die Schmickler immer wieder einstreute. Es war eben neben allem Ernst und Tiefgang auch wirklich lustig. Wie das Leben. Wilfried Schmickler fand Schlag auf Schlag treffende Vergleiche und Metaphern. So seien ob der verkorksten Kinder, die Erzieherinnen die wahren Trümmerfrauen von heute. An anderer Stelle erklärt er den Begriff und das Wesen eines „Volksvertreters“ an dem eines Schnürsenkelvertreters. Dieser Vertreter mache ja auch nicht das, was der Schnürsenkel will. Er wolle ihn nur verkaufen…
Dann wieder ein betroffen machendes Lied über die Folter: „Was würden Sie denn machen…“(wenn nur so das Leben eines anderen gerettet werden kann).
Aktuelles und Rückblick wechseln sich ab, werden verknüpft. Volkszählung damals; ein kollektiver Aufschrei durchzog das Land. Heute werden persönliche Daten massenhaft und freiwillig in alle Winde gestreut. Oder der Beginn der „Grünen“, der „Friedensbewegten“; heute offene Befürworter von Kriegseinsätzen, verniedlicht „Aufbauhilfe“ genannt.
Ein Beispiel für die verhunzte deutsche Sprache wird mit einem Seitenhieb auf seine Lieblingspartei abgeschlossen: „Stehen zwei schnöselige Schlipse an der Haltestelle. Sagt der eine „da kommt die Bahn“, meint der andere „wie geil ist das denn?“ Eine völlig  sinnlose Frage, wie etwa „was will die FDP?“, findet Schmickler. So geht es mit Seitenhieben auf alles und jeden in einem fort. „Wenn der Hund wirklich der beste Freund des Menschen ist, warum kackt er dann auf unsere Bürgersteige?“ Damit keine Mißverständnisse aufkommen, Wilfried Schmickler ist (um Gottes Willen!) kein Comedian, sondern einer der besten politischen Kabarettisten, die es derzeit gibt, der dennoch mit und durch den Witz die explosive Brisanz seines Vortrags fulminant auflockert. Eindringlich sein durchgehender Appell an ein menschliches Miteinander, Toleranz und das Ablehnen jeglicher Diskriminierung.

Foto: Veranstalter
 
Den zweiten Teil des Abends beginnt er mit „Schwarz-Rot-Gold“. Aus den Lautsprechern hämmert eine Gitarre das Deutschlandlied. Jimi Hendrix läßt grüßen, während Schmickler unter der Bundesflagge einen mystischen Tanz vollführt. Damals schämte man sich noch der Flagge, heute ist sie allgegenwärtig. Besonders beliebt in Kreisen der „Eutschen“, die in ihr gehüllt ihr „…eutschland, …eutschland“ durchs Stadionrund grölen. Die Flaggenfarben wurden übrigens erstmalig 1832 auf dem „Hambacher Fest“ gezeigt, auf dem für Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit gefochten wurde, erfährt der Zuhörer, „obwohl das wahrscheinlich heute keinen Menschen mehr interessiert“. Nach gut zwei Stunden schließt Wilfried Schmickler im Stakkato mit seinem Text über das „Ich und Du und Wir und Ihr und Die da und Wir hier…“, mit dem er die Abgrenzungstendenzen jeglichem irgendwie anderen gegenüber geißelt. Der Schnellsprecher Schmickler hat das Publikum gleichermaßen erschlagen und fasziniert. Hätte er (welch kluger Mann) sich nicht Zugaben verbeten, hätten sie ihn nie gehen lassen – grandios.
 
Ausschnitte des Programms sind auch als Audio-CD  bei Wort-Art (www.wortart.de) zu haben.
 
Weitere Informationen:
 
Redaktion: Frank Becker