Satter Sound

Die vielen Möglichkeiten der Jazz-Posaune

von Frank Becker

© Calibrated
Der satte Sound birgt viele Möglichkeiten

Viermal Posaune - viermal Spaß


Daß man mit Posaunen die Mauern von Jericho einstürzen lassen kann, ist landläufig bekannt. Wieviel musikalische Möglichkeiten die Posaune als Jazz-Instrument bietet, belegen die vier Alben, die ich Ihnen heute hier vorstellen möchte.

Schon 2006 hat der Schwede Ola Åkerman mit seiner dänischen Top-Besetzung aus Kasper Villaume (Klavier), Daniel Franck (Kontrabaß) und Anders Mogensen (Schlagzeug) bei Calibrated sein Album "All Together Now" eingespielt, eine blitzsaubere Jazz-Scheibe, die sich Experimenten versagt und sich als elegantes wie raffiniertes Stück Modern Jazz vorstellt. Åkerman hat neun brillante eigene Stücke (+ 1) zu einer genußreichen Stunde zusammengestellt, in der er sich in sanften wie in heißen Tönen als hervorragender Mainstream-Posaunist mit hohen Qualitäten präsentiert. Das als Achse in die Mitte gestellte "The More I See You" von Harry Warren ist dabei seine Reverenz an das Great American Songbook. Dabei bewährt sich Ola Åkerman mit kleinen Anspielungen u.a. an Ramsey Lewis in allen Spielarten des modernen Jazz. Seine Mitspieler lassen in Augenhöhe miteinander dabei keinen Zweifel an ihrer Spitzenposition im skandinavischen Jazz aufkommen. Anders Mogensens Schlagzeug überzeugt mit Zurückhaltung einerseits und drängendem Beat, da wo es angezeigt ist. Kasper Villaume, ohnehin einer der besten Pianisten Skandinaviens und in seiner Heimat Dänemark eine Hausnummer, spielt weitab von Routine kreativ, und Bassist Daniel Franck zeigt sich als Lyriker - während er bei Christina Dahl noch Stahl gekocht hat.
Weitere Informationen unter:
www.calibrated.org

Einer der ganz Großen europäischen Posaunisten ist Ed Kröger, dessen Album "Movin´ On" ich Ihnen hier schon vorgestellt habe. Im vergangenen Jahr brachte er, wieder beim Label LAIKA, sein aktuelles Album "Interplay" heraus, bei dem ihm als Sidemen Rick Hollander am Schlagzeug, Marcel Krömker am Kontrabaß, Pianist Vincent Bourgeyx und als Gast Ignaz Dinné an Alt- und Sopransaxophon zur Seite stehen. Zu einer ausgewogenen Mischung hat er Standards von Wayne Shorter, Jule Styne und Victor Young, drei eigene Stücke und zwei von Dinné verschmolzen - eine knappe Stunde Jazz der Sonderklasse, sophisticated wie in "I fall in love so easily", treibend u.a. im Titelstück "Interplay" oder temporeich wie "So Fresh". Ignaz Dinnés episches "The next level" und sein "Loose fit" schließen sich an die Erneuerung des US-Jazz der 1970er Jahre an. "Interplay" ist ein großartiges Album von Kennern für Kenner.
Weitere Informationen unter:
www.laika-records.com

Christian Winninghoffs "hi hornz project" macht so richtig Spaß. Der junge Trompeter/Keyboarder
hat eine Horn-Besetzung + elektrifizierte Saiten zusammengetrommelt, die es in 14 kurzen Tracks tatsächlich schafft, einen Sound zu kreieren, der leicht, aber nicht leichtgewichtig ist, fundiert und virtuos. Martin Ziajas wummernder E-Bass, Martin Feskes knarrige Telecaster und Gero Körners Backing mit Keys, Rhodes und Orgel (manchmal wie Jimmy Smith in seinen besten Zeiten) geben einem außergewöhnlichen Bläser-Ensemble den Boden: Jan Schneider (Trompete), Marc Leymann (Saxophone), Marcus Bartelt (Flöte/Bariton-Saxophon) und der Top-Saxophonist Frank Lauber (Saxophone, Flöte) nehmen einen der besten deutschen Posaunisten in ihre Mitte: Ludwig Nuss. Der konnte u.a. hier schön öfter lobend hervorgehoben werden. Schauen Sie doch einfach mal in den Musenblättern nach. Selten bekommt man so frischen Jazz mit einem verträglichen Spritzer Pop in Big Band Qualität serviert. Das Label GLM kann sich den Verdienst dieses wirklich außerordentlich vergnüglichen auf die Fahnen schreiben. Eine Empfehlung - auch, um zu beobachten, was aus dieser talentierten Ecke noch kommen wird. Und noch eins: "You can´t judge an album by looking at it´s cover!" (Bo Diddley)
Weitere Informationen unter:
www.glm.de und www.winmusic.de

Nils Wogram gehört zu den innovativsten Musikern an seinem Instrument. Vor einiger Zeit konnte ich Ihnen hier sein "Fahrvergnügen" vorstellen. Ganz frisch ist sein Album "Pretty Good News" mit seinem Ensemble "Lush", das aus Simone Vollenweider (Gesang), Colin Vallon (Klavier/Fender Rhodes),
Wolfgang Zwiauer (E-Bass), Kaspar Rast (Schlagzeug) und Tilman Ehrhorn (Elektronik) besteht. Wogram ist seit jeher ein Spaßvogel mit originellen Ideen. So auch auf "Pretty Good News" und das bereits beim Titelsong als Opener, den Simone Vollenweider stimmlich erfrischend neben den wie bei Wogram gerne mal instrumental brachialen Attacken gestaltet. Eine Stunde, eine Minute und eine Sekunde "buntes Programm" bietet Nils Wograms "Lush" - mit viel musikalischer Kraft vorgelegt, dem Experiment wie der Rückbesinnung auf Bewährtes zugetan. Die sechs episch ausgestalteten Stücke aus Wograms Feder sind keine Musik zum nebenbei Hören, sie verlangen Aufmerksamkeit. Wograms Virtuosität und Ideenreichtum machen das Album zum anspruchsvollen Erlebnis.
Weitere Informationen unter:
www.nilswogram.com und www.unitrecords.com