Der Ring ohne Worte

In der Duisburger Philharmonie gehört

von Peter Bilsing
Der Ring ohne Worte
 
 90 Minuten vom Gesang ungestörte Wagnermusik in Original-Orchesterbesetzung
 
Ein 5-Sterne-Abend in der neuen Duisburger Philharmonie
 
Philharmonie Mercatorhalle am 27./28.5.2009


Das größte Opernwerk aller Zeiten a voce

Wagners „Der Ring des Nibelungen“ ist das größte Opernwerk aller Zeiten; seine vier Teile benötigen alleine 34 geschulte Stimmen, wobei die großen Partien wie Wotan, Siegfried, Brünhilde, Sieglinde, Siegmund, Alberich und Hagen wahre Monsterpartien sind, die nicht nur Höchstgagen (die sich bei kurzfristigen Einspringen leicht verdoppeln lassen) bringen, sondern auch Höchstanforderungen bedingen. Auch ruinieren allzu frühzeitiger und häufigerer Einsatz die Stimmen ziemlich schnell und manch junger Shootingstar der Wagner-Szene war nach kurzem Höchsteinsatz auch schnell wieder verschwunden – für immer.
 
Ein wesentlicher Grund dafür ist auch die Riesenorchester-Besetzung, welche Wagner für seinen Koloss einfordert: Neben dem üblichen Kleinkram - drei Oboen, drei Fagotte, vier Flöten, vier Klarinetten etc. p.p. massives Schlagwerk inkl. – noch sagenhafte sechs Harfen, acht Hörner, eine ganze Tubenfamilie, 32 Geigen, 12 Bratschen, 12 Violoncelli und acht Kontrabässe. Da versteht man, warum Wagner für solch fulminantes „Getöse“ nicht nur das Orchester in einen Graben versenkte, der in Bayreuth bis weit unter die Bühne reicht, sondern auch extra eine Abdeckung zum Zuschauerraum anfertigen ließ. Spätere Aufführungen außerhalb Bayreuths (bis heute) ignorierten meist diese Tatsache, was logischerweise zum oben angesprochenen Sängeraussterben und der immensen Lautstärke führte.
 
Vergeßt Bayreuth!

Wagner-Puristen schwärmen allerdings immer noch von den ganz großen Ring-Stimmen der Vorkriegszeit (gemeint ist der Erste Weltkrieg!), die man dann aber auch meist nur vom Hörensagen kannte. „Heute gibt es praktisch keine großen Wagnerstimmen mehr“, so sagt man – quod erat demonstrandum - jedes Jahr in Bayreuth, dem „Nabel der Wagner Welt“. Sie sollten sich nicht ernsthaft um Karten bemühen, wenn Sie keine VIPs der Szene kennen, denn Altarwagnerianer wollen unter sich bleiben, daher erhalten Sie eh keine Karte. Bei der Kartenvergabe ging es bis jetzt jahrzehntelang so demokratisch zu, wie bei den Präsidentschaftswahlen in Simbabwe.
 
Da lobt man sich dann doch dieses wirklich phantastische Angebot der Duisburger Philharmoniker in ihrem 12. Konzert in der neuen prachtvollen Philharmonie, nämlich, dieses Riesen-Ring einfach mal ohne Worte zu spielen – „Der Ring ohne Worte“. „Wie wunderbar“, unkte mein seelenloser Nachbar, „endlich mal die reine, schöne Wagnermusik, ohne diese endlosen Wiederholungen und ohne das Gekreische von überforderten Sängern.“ – „Außerdem ist diese Art von Aufführung für jede Art von Wagner-Sänger sehr gesund!“, antwortete ich ihm nonchalant.
 
Time is money! Also statt durchschnittlich 16,5 Stunden (Barenboim braucht exakt 917 Minuten, Boulez derer 832 und Levine glatte 941 – Reginald Goodall und der heimische Hans Wallat liegen bei fühlbaren 20 Stunden) gibt man in Duisburg diesen Ring in gut 90 Minuten – wow! Na, wer den Termin mit diesem einmaligen Konzept nicht wahrnahm, der war es selber schuld.
 
Der umtriebige Friedmann Dreßler – seit über 20 Jahren stellvertretender Solocellist bei den Duisburger Philharmonikern – hatte sich der Fleißarbeit dieser Einrichtung unterworfen: „Die verwendbaren Abschnitte müssen sorgfältig ausgewählt werden, immer im Hinblick darauf, wie man sie sinnvoll miteinander verbinden kann. Nicht alles, was im Ring rein instrumental ist, kann man verwenden…“ Alle Noten sind original Wagner und Dreßler geht dabei weit über die vorliegende Adaption des „Langweilers“ Barenboim (Ring without words, TELARC) hinaus, insbesondere bei manch schönen Gesangsstellen.
 
Meisterhaft umgesetzt - Darlington dankt

Was für ein Anspruch an das Orchester, welches diese Riesenanforderung bravourös meisterte. Es ist hohe Qualität zu attestieren. Was für eine Harmonie im Gleichklang der unzählig geteilten Streicher, Perfektion im golden strahlenden Blech und dem Unisono der engagiert aufspielenden Hörner und Bässe. Die Solisten ließen Wagners kammermusikalische Elemente wahrlich im Wonnemond bravourös erblühen und der nicht enden wollende Schluß-Beifall wurde zu Recht vom Generalmusikdirektor Jonathan Darlington unterbrochen, der es sich nicht nehmen ließ, sich coram publico in sehr persönlichen Worten für die gigantische Orchesterleistung auch persönlich zu bedanken - eine große Geste!
 
Ein Meilenstein in der gerade beginnenden Ära dieser neuen Tonhalle mit dem nüchternen Namen „Philharmonie Mercatorhalle Duisburg“. Ein Haus, welches sich die Duisburger Konzert- und Opernfreunde wahrlich und endlich über die Jahre verdient haben, und es gilt zu hoffen, daß die gut 1.800 Plätze – wie diesmal – auch in der Zukunft immer gefüllt sein mögen. Die Präferenzen sind vorhanden. Und auch das neue, anspruchsvolle Konzertprogramm läßt wenig zu wünschen übrig; siehe www.duisburger-philharmoniker.de . Neben den großen Abo-Reihen gibt es sagenhafte sechs Kinderkonzerte und die gleiche Anzahl sogenannter „Familienkonzerte“ – das ist mehr als vorbildlich und zukunftweisend. Bravo!

Informationen auch unter:
www.duisburger-philharmoniker.de