Bundesverkehrsminister Tiefensee bei zentralem Gedenkgottesdienst für die Opfer der Air-France-Katastrophe vom 1. Juni

"Ihr Leben endete, als ob man eine Kerze auslöscht"

von Andreas Rehnolt

Foto: Bundesministerium für Verkehr
"Ihr Leben endete, als ob man
eine Kerze auslöscht"
 
Bundesverkehrsminister Tiefensee beim
zentralen Gedenkgottesdienst für die Opfer
der Air-France-Katastrophe vom 1. Juni
 
 
Düsseldorf - "Es gibt Momente, da wird das Leben zerschnitten in ein Vorher und ein Nachher. Das Leben der Opfer der Air-France-Katastrophe am 1. Juni endete so, als ob man eine Kerzen auslöscht. Es war ein furchtbares Unglück." Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee mußte am Samstag beim zentralen Gedenkgottesdienst für die deutschen Opfer des Absturzes der Air-France-Maschine in der evangelischen Johanniskirche in Düsseldorf mehrfach schlucken. Es schien dem SPD-Politiker sichtlich nahe zu gehen, sich zu der Katastrophe mit insgesamt 228 Toten zu äußern. 28 Opfer aus Deutschland sowie fünf Personen mit verwandtschaftlichen Beziehungen in die Bundesrepublik waren bei dem immer noch ungeklärten Absturz des Airbus 330 auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris ums Leben gekommen.
 
Bis zum Samstag wurden erst rund 50 Leichen geborgen. Nach wie vor unklar ist die genaue Absturzursache. Zu Beginn des Gottesdienstes, an dem etwa rund 110 Angehörige der Opfer sowie etwa 150 weitere Besucher teilnahmen, hatte Weihbischof Rainer Woelki vom Erzbistum Köln gesagt, man stehe mit allen von der Katastrophe Betroffenen "fassungslos, erschüttert, hilflos und ohnmächtig" vor dem, was sich bei dem Absturz des Air-France-Fluges AF 447 ereignet haben muß. Besonders betroffen mache die Ungewißheit, "ob es jemals einen Abschied an einem Grab geben wird", fügte der Geistliche hinzu. Auch dafür solle der zentrale Gedenkgottesdienst eine erste Möglichkeit der Trauer und Erinnerung geben.
Viele hatten rotgeweinte Augen, manche wurden gestützt, andere hörten konzentriert der Predigt zu, aus der sie Trost und Kraft zu schöpfen schienen. Das jüngste deutsche Opfer war ein zweijähriges Mädchen, das älteste ein 70 Jahre alter Mann. Unter den Toten waren Menschen aus Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Bremen, Berlin, Hessen und Nordhrein-Westfalen.
 
Monsignore Wolfgang Bender von der Konferenz der Diözesanbeauftragten für Notfallseelsorge der Deutschen Bistümer verlas während des knapp 90-minütigen Gottesdienstes die Namen von 28 deutschen Opfern des Absturzes und auch die Namen von fünf Personen, die als Passagiere der Unglücksmaschine deutsche Angehörige hatten. 33 Kerzen mit den Namen der Opfer wurden angezündet, in ihrer Mitte stand eine große Kerze, die für alle anderen Opfer des Absturzes brannte.
 
"Die Fragen nach der Verantwortung für dieses Unglück müssen gestellt und beantwortet werden, damit Wunden heilen können. Sie haben alle ein Anrecht darauf, vollkommen zu erfahren, was mit der Air-France-Maschine geschehen ist." Dies betonte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider in seiner Predigt. Schneider machte den Hinterbliebenen Mut, ihre Erinnerungen an die Toten zu pflegen und ihre - auch unausgesprochenen - Vermächtnisse in das eigene Leben aufzunehmen. "Wenn es wirklich darauf ankommt, dann ist es wichtig, daß wir Menschen an unserer Seite haben, daß wir nicht allein sind", so der rheinische Präses.
 
Ralf Radix, der Vorsitzende der Konferenz Evangelischer Notfallseelsorge in der EKD wünschte sich für die Zukunft, die Hinterbliebenen würden "eine internationale Solidargemeinschaft" bilden. Er schätzte am Samstag, daß einige der Hinterbliebenen wohl noch Monate oder sogar Jahre auf psychologische oder seelsorgerliche Hilfsangebote zurückgreifen werden. Für Christoph Unger, den Präsidenten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe steht außer Frage, daß mit dem Gedenkgottesdienst und dem anschließenden dreistündigen Beisammensein zur Abklärung wichtiger Fragen am Samstag erst ein Anfang gemacht ist.
 
"Das ist ein Vermissenden-Treffen, um Trauerarbeit zu leisten," sagte Unger, dessen Behörde auch über Erfahrungen bei der Betreuung von Opferangehörigen nach dem Brandanschlag auf eine Moschee auf der Ferieninsel Djerba und nach der Tsunami-Katastrophe verfügt. Für den Experten sind die Hinterbliebenen der Air-France-Katastrophe auch eine "Schicksalsgemeinschaft", die  vielleicht im Laufe der Zeit zu Gedenkveranstaltungen zusammenkommt. Am Samstag, nach dem Ende des Gedenkgottesdienstes nahm jede Angehörigenfamilie die Erinnerungs-Kerze mit dem Namen ihres umgekommenen Lieben mit. "Das tut gut, die Wärme zu spüren. Da empfinde ich glatt ein bißchen Hoffnung und Zuversicht", so eine jüngere Frau, die bei dem Absturz zwei Verwandte verloren hat.