Mehr als schöne Bilder, schöne Farben, schöne Blumen

Von der Heydt-Museum Wuppertal: Niederländische Kunst im 17. Jahrhundert

von Frank Becker - mit einem Beitrag von Jürgen Kasten
Freiheit Macht Pracht

Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum zeigt für zwei Monate ausgesuchte Niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts


Pracht und Namen

Peter Paul Rubens, der teuerste Maler seiner Zeit, ist vertreten, Frans Snyders, Jacob van Ruisdael, Jan Brueghel d.Ä., Ludolf Bakhuysen, Jan Steen, David Teniers d.J. und weiter eine schier endlose Liste von großen niederländischen Malern des an prachvoller Malerei

Cornelis de Heem, Stilleben mit Früchten - Foto © Frank Becker
so reichen 17. Jahrhunderts der Länder, auf deren Territoriom heute Belgien und Holland existieren - und die sich im aktuellen kollektiven Gedächtins durch Frikandel Spezial, Pommes Frites, Nougat-Pralinen, Tulpen, Matjes und Wohnwagen-Kolonnen manifestieren. Wie anders sich doch diese Gesellschaft in der Zeit des 80-jährigen Krieges in den Niederlanden zeigte und darstellte, belegen teils berühmte, teils noch nie öffentlich gezeigte Werke niederländischer Meister. Der Wohlstand der bürgerlichen Kreise, die Pracht höfischen Gepränges und die Größe der einstigen Seemacht sind
auf wundervollen, teils in üppiger Pracht überbordenden oder in vornehmem Understatement leisen Bildern, die als Zeugnisse einer Epoche gelten dürfen, erhalten geblieben.

Kuratorischer Kraftakt

In einem beachtlichen Kraftakt hat das Wuppertaler Von der Heydt-Museum unter seinem rührigen

Michiel Maddersteg, Seestück mit Walfischfängern - Foto © Frank Becker
Direktor Dr. Gerhard Finckh eine Ausstellung eben dieser bildlichen Zeugnisse zusammengebracht, wie sie so zuvor wohl in Deutschland noch nicht zu sehen war - und nicht wieder zu sehen sein wird. Denn im ausdrücklichen Bekenntnis zu seiner Stadt und seinem Museum betont Dr. Finckh: "Ich setze auf Wuppertal - ...die Leute sollen hierher kommen, um diese einmalige Ausstellung zu sehen".
Dazu ist, ohne drängen zu wollen, ein ganz klein wenig Eile angeraten, denn nur zwei Monate lang werden die 155 Gemälde in Wuppertal zu sehen sein, bis sie die Rückreise zu ihren Quellen, internationalen Museen und Privatsammlern antreten. Was danach bleibt, sind die Erinnerung und der opulente Katalog zu der Ausstellung, den Dr. Finckh und Frau Dr. Nicole Hartje-Grave - sie hat die sinnenbetörende Ausstellung mit viel historischem Verständnis und Fingerspitzengefühl kuratiert - herausgegeben haben. Zu dem Katalog wird später noch einiges zu sagen sein.

Sieben Säle und zwei Kabinette

Was wird dem Besucher in sieben Sälen und zwei Kabinetten geboten? Die unerhörte Zahl und breite

Nicolaes Verkolje, Perseus und Andromeda - Foto © Frank Becker
Auswahl an Bildern und Motivgruppen hat es möglich gemacht, die Ausstellung in zehn "Kapitel" zu gliedern, die jedes für sich einen Bereich des bürgerlichen, politischen, höfischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Lebens vorstellen. Der 80-jährige Krieg, der spanische Erbfolgekrieg und die gewaltsamen religiösen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Calvinisten erschütterte wie schon erwähnt Oranje, die einst burgundischen Niederlande, deren südliche Provinzen unter dem spanisch-habsburgischen Druck litten. Philipp II. von Spanien und sein Statthalter Herzog Alba hielten die Zügel straff gespannt. Daß sich dennoch eine blühende Kultur und wirtschaftlicher Erfolg entwickeln konnte, ist wohl dem geschickten Umgang der Niederländer mit den Verhältnissen geschuldet. Gleichzeitig entwickelte sich im unabhängig gewordenen Norden ein prosperierender Staat neuer Prägung, eine See- und Handelsmacht. Das "Goldene Zeitalter" war angebrochen. Hat man sich nach einem ersten Gang durch die Ausstellung kurz verschnauft und dann den zweiten (unbedingt notwendigen) Durchgang angetreten, wird erst offenbar, wie reich in jeder Hinsicht das Leben gewesen sein muß. Zwar sehen wir auch die Grauen des Krieges, in dem eine zügellosen Soldateska brutal wütete, doch stehen solchen Schreckensbildern bürgerliche Szenen gegenüber, die in ihrer Ruhe überraschen.

Historische Dokumente

Themen aus Politik, Staat, Krieg, Gesellschaft und dem neuen Nationalgefühl stehen Wirtschaft,

Gerrit A. Berckheyde,  Der Dam in Amsterdam - Foto © Frank Becker
Handel, Wissenschaft und Moral als ausgleichende Kraft gegenüber. Intime Blicke auf das Arbeits- und Alltagsleben, Bilder von Vergnügungen wie Theater, Trinkgelagen und - was könnte holländischer sein - Schlittschuhläufern, würdige Portraits, Familienszenen, Interieurs von Haus und Werkstatt, weite Landschaften, Darstellungen von Seefahrt und beginnender Kolonialismus zeigen detailverliebt in brillant eingefangenen Streiflichtern eine erloschene Welt. Architekturen als Stolz des Erreichten sind festgehalten: Kirchen, Paläste, Rat- und Bürgerhäuser. Ein besonderes Kapitel sind die Beispiele beglückender Stilleben-Malerei, denen einer der schönsten Säle der Ausstellung gewidmet ist. Hier wetteifern Gläser, Blumen und Früchte, Brot, Fleisch und Fisch auf reich gedeckten und arrangierten Tischen um die Aufmerksamkeit des Betrachters. Doch auch der barocke Vanitas-Gedanke (Edvaert Collier) fehlt natürlich nicht. Ein direkter Bezug zur Lebens- und Denkwirklichkeit des 17. Jahrhunderts wird hergestellt.

Der Katalog: Ein Standardwerk

Er ist ein paar mehr Worte wert, dieser mit 454 Seiten außergewöhnlich umfangreiche Katalog, der, so Gerhard Finckh, "nahezu ein Standardwerk zur niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts"
geworden ist. Das ist bescheiden formuliert, denn durch seine umfassenden Recherchen zu den Hintergründen der durchweg farbig dargestellten 155 Bilder und seine Aufsätze anerkannter Kapazitäten ist dieses wuchtige Werk zweifelsohne ein Standardwerk geworden - auch eine wissenschaftliche Leistung -, das Auskünfte gibt, die dem Ausstellungsbesucher und Laien sonst nicht zugänglich sind. Die griffige Aufbereitung der Informationen macht das Buch nicht nur zum prallen optischen Vergnügen, sondern zudem zur spannenden Lektüre über Geschichte und Kunst. Daß dieses umfassende Werk in der Ausstellung nur unglaubliche 25,- € kostet, ist dem Mäzenatentum der Brennscheidt-Stiftung, der Förderung durch das Land NRW und der Unterstützung durch den Museums-Laden des KMV Wuppertal zu verdanken. Ohne den Katalog sollte kein Besucher nach Hause gehen - und für alle, die nicht zur Ausstellung reisen können, sei er, wenn auch die Art der Katalogisierung das Zurechtfinden durch seine kuriose Alphabetisierung erschwert, dennoch unbedingt empfohlen.

"Freiheit Macht Pracht - Niederländische Kunst im 17. Jahrhundert", hrsg. von
Nicole Hartje-Grave und Gerhard Finckh, © 2009 Von der Heydt-Museum Wuppertal und die Autoren, 454 Seiten, geb. m. illustr. Schutzumschlag, ca. 200 meist ganzseitige Abb., dazu viele s/w-Abb., umfangreiche Erläuterungen, Literatur- und Namensverzeichnisse - ISBN 978-3-89202-074-5, 25,- € (in der Ausstellung)

Die Ausstellung ist vom 21. Juni bis 23. August 2009 zu sehen - Vernissage am 21. Juni, 11.30 Uhr.
Weitere Informationen unter:
www.von-der-heydt-museum.de