Die Barmer Bergbahn 1894-1959

Glanz und Untergang eines unersetzlichen Verkehrsmittels oder: Von der Dummheit der Wuppertaler Verwaltung

von Frank Becker
Hoch droben auf dem Berg!
 
Glanz und Untergang eines unersetzlichen Verkehrsmittels
oder
Von der Dummheit der Wuppertaler Verwaltung
 
Die Barmer Bergbahn 1894-1959
 
 
Als vor genau 50 Jahren, am 4. Juli 1959 zum letzten Mal die Barmer Bergbahn Fahrgäste im Tempo 100 m/Minute vom Zentrum auf der Talsohle der Bergischen Handelsstadt hinauf zum Toelleturm auf der Südhöhe Barmens beförderte und damit auf direktem Weg einen Höhenunterschied von 169,54 m überwand, wurde aus heute wie damals nicht einsehbaren Einsparungs-Gründen ein unersetzliches Verkehrsmittel unwiderruflich eingestellt. Nicht das erste und in der Nachkriegs-Geschichte nicht das einzige Beispiel für die beispiellose Kurzsichtigkeit der über Jahrzehnte mit absoluter Mehrheit SPD-geführten Verwaltung in der eigenwilligen Bergischen Großstadt war nach zähen Bürgerprotesten über einen Zeitraum von fünf Jahren die Stillegung und der totale Abriß und restlose Verschrottung dieser berühmten Zahnradbahn – wenn man in Wuppertal negative Tatsachen schafft, dann gründlich.
 
Eine Fehlentscheidung von vielen

Eine lange Kette von eklatanten  Fehlentscheidungen hat der Stadt und ihrer Lokalgeschichte davor und besonders noch danach tiefe Wunden gerissen. Denken wir nur an den Abriß des Odin-Kinos,

Echte Männer fahren trotz winterlicher Verhältnisse
draußen mit! - Foto: Edition Köndgen

einer prächtigen Jugendstilarchitektur in Oberbarmen, des Elberfelder Thalia-Theaters zugunsten des Stadtsparkassen-Hochhauses, die Abschaffung der umweltfreundlichen Straßenbahn, die Einstellung der Bahnverbindung per Schienenbus (PTO) von Elberfeld nach Cronenberg und das Schleifen des vom Bombenhagel verschont gebliebenen Art-Deco-Geschäftshauses am Alter Markt, das durch einen häßlichen Waschbetonbau ersetzt wurde. Oder denken wir an die Sprengung des Gründerzeit-Wasserturms auf der Barmer Südhöhe, die ebenfalls nicht durch Bürgerproteste abgewendet werden konnte, den Nicht-Wiederaufbau des im Krieg beschädigten Planetariums, das ebenfalls kurzerhand abgerissen wurde und die Erlaubnis zum Abriß vieler erhaltenswerter 50er-Jahre-Architekturen wie z.B. des Blumenpavillons an der Blücherbrücke. Die Reihe ließe sich fortsetzen.
 
Unersetzlich - bei Wind und Wetter

Zur Erinnerung an die Bahn, die 65 Jahre lang bei Wind und Wetter, Eis und Schnee eine Strecke

Umsteigen an der Bergstation Foto © Reinhard Todt
bewältigt hat, an der seitdem im Winter regelmäßig die Omnibusse scheitern, haben die Verkehrshistoriker Jürgen Eidam und Wolfgang R. Reimann zum 50. Jahrestag ihrer Einstellung ein vorbildlich recherchiertes Buch herausgegeben, das nun in der „Edition Köndgen“ zu haben ist. Wuppertals bürgernaher Oberbürgermeister Peter Jung (CDU) hat ein Vorwort geschrieben, in dem er betont, daß die fatale Entscheidung „nie hätte fallen dürfen“. Wie es sich gehört, wurde das Buch unter reger Teilnahme der Öffentlichkeit und von Zeitzeugen bei Bergischen Waffeln und Kaffee im Restaurant „Zur Alten Bergbahn“ vorgestellt - an der Stelle, wo einst die Bergstation des charmanten Verkehrsmittels, übrigens der ersten elektrischen Zahnradbahn Deutschlands, gewesen war. Doch dort war damals beileibe nicht das Ende einer kurzen, rein Barmer Bahnlinie. Von der Bergstation aus, einem Umsteigebahnhof, gab es unmittelbare Anbindungen per Straßenbahn zu den Bergischen Nachbarstädten Remscheid und Solingen und zu den entfernten und sonst nur kompliziert zu erreichenden Ortsteilen Cronenberg und Müngsten. Man darf getrost von einem verkehrstechnischen Geniestreich sprechen, der des elektrischen Betriebes wegen auch für das noch heute bedeutende erste innerstädtische Elektrizitätswerk in Barmen ursächlich war.

Prächtige Modelle, Seltene Fotos und Dokumente
 
Da aber Verwaltungsleute üblicherweise keine Genies sind, sondern Bürokraten, war ihnen auch nicht der Blick über den Tellerrand gegeben. Die technische Geschichte der Barmer Bergbahn, ihr Bau und ihr Betrieb, eine fast unglaubliche Zahl von seltenen Fotos aus der Zeit ihres Betriebes,

Von links: Wolfgang R. Reimann, Verleger Thomas Helbig, Jürgen Eidam,
Helmut Becker, Klaus Hoffmann
- Foto © Frank Becker
Dokumente, Bemerkenswertes und Kurioses und wie man seitens der an Feudalismus erinnernden Lokalpolitik mit den Bürgerprotesten umging, haben Jürgen Eidam und Wolfgang R. Reimann in ihrem hervorragend edierten Buch beschrieben und zusammengetragen. Es ist weit mehr als nur Lokalgeschichte, es ist eine Fundgrube für jeden Bahn-Interessierten und für Historiker.
 
Die Eisenbahn-Modellbauer Klaus Hoffmann und Helmut Becker haben nach Fotografien einige der Wagen detailgetreu nachgebaut – wunderbare Einzelstücke, die einen Platz in einem technischen Museum beanspruchen können und die möglicherweise noch einmal im Zusammenhang mit einer Ausstellung der Edition Köndgen zu sehen sein werden. 
 
Jürgen Eidam und Wolfgang R. Reimann – Die Barmer Bergbahn 1894-1959, © 2009 Edition Köndgen und die Autoren, 140 Seiten, gebunden, ca. 400 historische Fotos auf Fotodruckpapier, Literaturverzeichnis und Glossar, 24,95 €
 
Weitere Informationen unter. www.edition.koendgen.de