Ein literarischer Stiefel

Italiens Landschaften bei Wagenbach

von Frank Becker
Ein literarischer Stiefel
Italiens Landschaften bei Wagenbach

         



 




Daß der Wagenbach Verlag durch sein beachtliches Œuvre italienischer Autoren des 20. Jahrhunderts längst die Adresse für und über Literaturen aus Italien ist - denken wir dabei pars pro toto an die Anthologien „Italienische Reise” (Quartbuch), „Azzurro: Endlich Sommer” (WAT 405) oder Klaus Wagenbachs Auswahl „Nach Italien” - sei hier nur am Rande erwähnt. Wir haben in den Musenblättern gelegentlich Bücher des Verlages vorgestellt. Mit der attraktiven neuen Taschenbuchreihe „Italiens Landschaften bei Wagenbach” stellt der Berliner Verlag jetzt explizit literarisch italienische Landschaften mit ihnen durch Heimat verbundene Einzelautoren vor. Das schafft für den Leser noch größere Nähe zu dem Land in dem nicht nur die Zitronen blühen, sondern eben die hohe Kunst des (Be-)Schreibens.
 
Eine kleine Auswahl möchten wir ihnen von Nord nach Süd vorstellen. Beginnen wir mit Tiziano Scarpa (*1963) der in „Venedig ist ein Fisch“ (WAT 610) als kundiger Cicerone durch die Calle, über die Piazze und die Brücken der Rio und Kanäle seiner voller kleiner Geheimnisse und großer Lebenskunst steckenden Heimatstadt führt. Wie Venedig entstand, wie man dort lebt, sich bewegt, ißt, liebt erzählt Scarpa mit viel Witz und tiefem Ernst. Besser als in den neun diversen Körperteilen gewidmeten Kapiteln kann man Venedig kaum kennenlernen, zumal ein zehntes Kapitel ausführliche zusätzliche Literaturempfehlungen gibt. Scarpas heitere Erotik, sein haptisches Beschreiben der Calle und Katzen, sein ernsthaftes Vermitteln des Charakters seiner Stadt in Stille und Lärm und seiner Gerüche sind höchster Lesegenuß. Und wenn Sie das erste (oder vielleicht ja das nächste) Mal nach Venedig reisen und irgendwo essen wollen, nehmen Sie sich sein Kapitel „Mund“ (S. 65 ff.) zu Herzen.
Tiziano Scarpa: „Venedig ist ein Fisch“ –  © 2009 Wagenbach Verlag, 117 S., Pb, WAT 610 - 9,90 €
 
112 km südwestlich von Venedig liegt in der Emilia-Romagna die 1250 Jahre alte norditalienische Stadt Ferrara. Giorgio Bassani (1916-2000) verbrachte dort die prägenden Jahre seiner Kindheit und Jugend, bevor er zum Literaturstudium nach Bologna ging. Wagenbach hat 2007 seinen Ferrara-Roman-Zyklus neu herausgebracht. In dem nun veröffentlichten WAT 613 „Der Geruch von Heu“ hören wir Bassanis Stimme von seiner Zeit in Ferrara, Ravenna und Rom erzählen, seinen Erlebnissen mit Freunden und Nachbarn, von Lebenund Tod, Ferien am Meer, Liebe und Eifersucht. Fesselnde Literatur, die durch ihre scheinbare Leichtigkeit die Tiefe ihrer Gedanken und Gefühle trägt. Im Schlußkapitel „Da unten, am Ende des Korridors“ zieht Bassani eine, sicher besonders für jene die dem Autor gerne über die Schulter schauen wollen, interessante Bilanz seines Schreibens.
Giorgio Bassani: „Der Geruch von Heu“ –  © 2009 Wagenbach Verlag, 108 S., Pb, WAT 613 - 8,90 €
 
Leonardo Sciascia (1921-1989) hat als Lehrer, radikaler Politiker (bis ins Europa-Parlament), Journalist und äußerst produktiver Schriftsteller (u.a. Kriminalromane) während seines überwiegend  auf Sizilien verbrachten Lebens die dortigen Verhältnisse inkl. Cosa Nostra und Mafia nicht nur sehr genau kennengelernt, sondern in etlichen Romanen und Erzählungen verarbeitet. Die jetzt unter dem Titel „Das weinfarbene Meer“ vorliegende Sammlung hatte er 1973 erstmals selbst aus seinen zwischen 1959 und 1972 entstandenen Texten zusammengestellt. Der intime Kenner der strengen Sitten und straffen Strukturen der sizilianischen Gesellschaft zeichnet in seinen 13 spannenden sizilianischen Erzählungen ein nicht immer freundlich helles, doch auch humorvoll ironisches Bild der Insel von der Spitze des italienischen Stiefels, die sicher nie wirklich Italien sein wird und noch weniger von Fremden verstanden werden kann.
Leonard Sciascia: „Das weinfarbene Meer“ –  © 2009 Wagenbach Verlag, 157 S., Pb, WAT 611 - 9,90 €

Die Reihe ist wesentlich umfangreicher - weitere Informationen unter: www.wagenbach.de