Paul Klee musikalisch dechiffriert

Swiss Jazz Orchestra and Jim McNeely - "Paul Klee"

von Frank Becker
Paul Klee musikalisch dechiffriert
 
Das erst 2003 gegründete, inzwischen profilierte junge Swiss Jazz Orchestra - über das brandneue traumhafte Album „Close Encounter“ berichten wir in Kürze an dieser Stelle - hatte 2006 mit seinem Projekt "Paul Klee" den künstlerischen Rahmen noch wesentlich weiter gesteckt als mit seinem Live-Album im Jahr 2005. Das wollen wir Ihnen hier nicht vorenthalten.
 
Der damalige musikalische Leiter des SJO, George Robert hatte bereits im Gründungsjahr auf Anregung des Tenorsaxophonisten Klaus Widmer mit der Big Band bei der Planung für eine neue CD die Idee entwickelt, ein Konzept-Album zum Werk des Malers Paul Klee (1879-1940) aufzunehmen. Bei der Suche nach einem geeigneten Komponisten fiel die Wahl rasch auf den international renommierten Pianisten und Arrangeur Jim McNeely. Als Pianist der Thad Jones/Mel Lewis Big Band, bei Stan Getz und Phil Woods, als Chefdirigent des Danish Radio Jazz Orchestra und als Autor für die WDR Big Band, das Carnegie Hall Jazz Orchestra und das Vanguard Jazz Orchestra hatte er den gewünschten Hintergrund. Zu acht ausgesuchten Bildern Klees waren Musikstücke zu schreiben, die jeglichen "mystifizierenden Unfug" und "lebensphilosophische Verrenkungen" (Peter Rüedi) vermeiden sollten.  McNeely übernahm die Aufgabe gern, zumal er sich mit dem Werk Klees eng verbunden fühlt.
 
Ende 2005 war es soweit, daß die Musiker des Swiss Jazz Orchestra ins Studio des Schweizer Rundfunks gehen und die  acht Stücke aufnehmen konnten. Das von McNeely komponierte Material geriet unter der musikalischen Leitung von George Robert zu einem mustergültigen Exempel zeitgenössischen Big Band Jazz´. Die entsprechend ihren künstlerischen Vorlagen individuellen Titel verschmelzen durch die Homogenität des Spiels dieses außerordentlichen Klangkörpers zu einem genußreichen sinfonischen Jazz-Erlebnis. Die Klangfarben der einzelnen Bilder, ob luftig und hell wie in "Der Seiltänzer", zärtlich versponnen in "Rosenwind", fröhlich frech in "Übermut", liebevoll in "Büste eines Kindes", düster und drückend, doch immer noch Hoffnung vermittelnd in "Tod und Feuer" oder beinahe onomatopoetisch wie im "Paukenspieler" vermitteln sensibel Impressionen der Chiffren Klees. Große Bläsersätze, perfekt ebenfalls von McNeely arrangiert, eine hervorragende Rhythmusgruppe und inspirierte Soli unterstreichen einmal mehr das hohe Niveau des Swiss Jazz Orchestra, das damit auf dem besten Weg ist, seine Top-Position im europäischen Raum auszubauen und seinen Rang auch gegen weltweite internationale Konkurrenz deutlich machen zu können.
 
Auch das äußere Erscheinungsbild des Albums, dessen Digipack die graphische Farbkomposition "Individualisierte Höhenmessung der Lagen" (1930) ziert, präsentiert sich als ein Teil der Gesamtkonzeption - im Innenteil des Booklet finden sich vorzügliche Farbabbildungen der Bilder Paul Klees, die McNeely ausgewählt, kompositorisch ausgewertet und musikalisch kommentiert hat. Der Jazz-Kolumnist der "Weltwoche", Peter Rüedi, fügt dem einen griffigen Kommentar bei. Das Album "Paul Klee" ist noch zu haben - seinen Weg als Standard der Big Band-Jazz-Literatur hat es gefunden.  
Beispielbild


Swiss Jazz Orchestra
and Jim McNeely

Paul Klee
 
The Swiss Jazz Orchestra
George Robert  -  musical director
Stephan Geiser  -  co-leader

Stephan Geiser, Johannes Walter, Daniel Woodtli, Thomas Knuchel  -  Trompete, Flügelhorn
George Robert, Till Grünewald  -  Saxophon, Klarinette
Adrian Pflugshaupt, Klaus Widmer  -   Saxophone, Flöte
Neta Noren  -  Bariton-Saxophon, Flöte Baßklarinette
Vincent Lachat, René Mosele, Bernhard Bamert  -  Posaune
Reto Zumstein  -  Baßposaune
Philip Henzi  -  Klavier   
Lorenz Beyeler  -  Kontrabaß
Tobias Friedli  -  Schlagzeug
Ben Zahler  -  Flöte
 
Produziert von Peter Bürli, Swiss Radio DRS 2, Zürich
 
© + (P) 2006 Mons Records
 
Titel:
1.
Rosenwind   9:27
2. Übermut   6:21
3. Büste eines Kindes    8:04
4. Ad Parnassum   9:19
5. Individualisierte Höhenmessung der Lagen   8:04
6. Der Seiltänzer   8:08
7. Tod und Feuer   9:49
8. Paukenspieler   8:05 

Gesamtzeit:  1:07:22

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