Palmström und sein Taschentuch

Eine Vorlage von Christian Morgenstern

Verwandelt von Joachim Klinger
Palmströms Taschentuch

Haben Sie sich nicht auch schon hin und wieder gefragt, was späterhin mit Palmströms Taschentuch geschah? Nun, liebe Leser, wissen wir es dank der lyrischen Recherche Joachim Klingers.

         
Palmström
 
Palmström steht an einem Teiche
und entfaltet groß ein rotes Taschentuch:
Auf dem Tuch ist eine Eiche
dargestellt, sowie ein Mensch mit einem Buch.

Palmström wagt nicht sich hineinzuschneuzen.
Er gehört zu jenen Käuzen,
die oft unvermittelt-nackt
Ehrfurcht vor dem Schönen packt.

Zärtlich faltet er zusammen,
was er eben erst entbreitet.
Und kein Fühlender wird ihn verdammen,
weil er ungeschneuzt entschreitet.

Christian Morgenstern
 
Palmströms Taschentuch
 
Jenes rote Taschentuch mit einer Eiche,
ferner einem Mann mit Buch,
fand man an dem Tag, da schon als Leiche
eine Gruppe Palmström aus dem Hause trug.
 
Ausgefaltet lag es unter einer Vase
- das Motiv war sichtbar nur zum Teil -,
nie benutzt von einer Schnupfen-Nase,
farbenkräftig und im ganzen heil.
 
Palmströms Neffe kam nach langer Sichtung
zu dem sehr verständlichen Entschluß:
Dieses Taschentuch gehört zur Dichtung,
was zur Archivierung führen muß.
 
Für die Pflege solcher Raritäten
gibt es - Gott sei Dank! - ein Institut.
Zwar, es platzt bereits aus allen Nähten,
doch die Leistung ist noch immer gut.
 
Palmströms Tuch liegt in der Glasvitrine,
und auf zarten Knopfdruck rezitiert
eine Stimme aus der Tonmaschine Verse,
die die Nachwelt nicht verliert.
 
Joachim Klinger

"Palmströms Taschentuch" zitiert aus Joachim Klingers Gedicht-Band „Palmströms Taschentuch und Korfs Galoschen“
Mit freundlicher Erlaubnis des Grupello Verlages (www.grupello.de)