Lesesommer 2009 (3)

Spannende Ferienlektüre - empfohlen

von der Musenblätter-Redaktion

Foto © Frank Becker
Mitten im Lesesommer
Heute: Spannung!


Zum Lesevorrat einer Sommerfrische gehört unbedingt auch mindestens ein Thriller oder Krimi, denn ein bißchen Spannung muß sein. Fünf Empfehlungen der Musenblätter-Redaktion für die zweite Ferienhälfte haben wir heute für Sie.



Daß hinter der bieder bigotten Fassade von Paderborn auch das Verbrechen lauert, wissen wir spätestens seit Erwin Grosches Roman "Der falsche Piester". Nun ist mit Barbara Meyers Westfalen Krimi "Fastenzeit" das Meucheln in die Domstadt zurückgekehrt. Zugegeben, Rudolf Vetter,
Abteilungsleiter des euphemistisch  "Arbeitsagentur" genannten, recht ineffektiven und schwerfälligen Paderborner Arbeitsamtes war ein Ekelpaket, als Beamter, Vorgesetzter und Schleimer bei den Kolleginnen. Doch ihn deshalb aus dem Fenster seines Büros zu werfen scheint ein wenig überzogen. Kommissar Schlüter hat auch gleich einen Verdächtigen zur Hand: Thomas Dalhoff, ehrenamtlicher Betreuer für Arbeitslose, der sich schon öfter mit Vetter angelegt hat. Weil der Fall (wörtlich zu nehmen) aber viel komplizierter liegt, sie Dalhoff für unschuldig halten und es in ihren Augen noch andere Verdächtige gibt, schalten sich zwei Amateurinnen in die Ermittlungen ein. Therese Urban ist eine nicht untalentierte, wenn auch arbeitslose Schriftstellerin mit Literaturdiplom, die hinter der Sache viel mehr wittert und Renate Quickstern hat als Mitarbeiterin der Arbeitsagentur Insider-Wissen. Gemeinsam machen sie sich an das Mord-Puzzle, um Dalhoffs Unschuld zu beweisen. Daß es gefährlich werden kann, in den "schwarzen Filz von Ostwestfalen einzudringen, merken sie fast zu spät.
Barbara Meyer hat mit viel Lokalkolorit einen flüssig geschriebenen, spannenden und bis zu den Nebenfiguren gut konzipierten Kriminalroman vorgelegt. Damit kann man in Herrn Weyhers Bier- und Kaffeegarten im Haxtergrund bei Apfelkuchen mit Schlagsahne oder an einem schattigen Plätzchen bei den Paderarmen durchaus die Zeit vergessen.
Barbara Meyer - "Fastenzeit", © 2009 Emons Verlag, 255 Seiten, Broschur, 9,90 €
Weitere Informationen unter:
www.emons-verlag.de 


Immer mal wieder und sogar immer häufiger werden Stoffe aus dem Bereich der klassischen Musik zum Inhalt raffiniert ausgedachter Romane. Noch druckfeucht, 542 Seiten mächtig und deshalb auch
bislang nur marginal angelesen, liegt der Redaktion ein brandneuer Roman des Erfolgsautors Oliver Buslau vor, dessen Bergische und Rheintal Krimis aus dem Emons Verlag eine große Fangemeinde haben: "Die 5. Passion". Der
Musikwissenschaftler und Musikjournalist Buslau benutzt nicht zum ersten Mal ein musikalisches Thema als Grundlage für eines seiner Bücher. Bei seinem Erstling "Die Tote vom Johannisberg" spielt ein Konzertsaal eine entscheidende Rolle und in "Das Gift der Engel" geht es um eine rätselhafte Partitur. Wir wissen, daß Buslau fundiert recherchiert, flüssig und unterhaltsam schreibt und Spannung der Extra-Klasse aufbaut. Deshalb hier die Empfehlung, auch den neuen Roman nicht zu versäumen, der diesmal in die internationale Musikszene führt und beim Goldmann Verlag erschienen ist. Zum Inhalt schreibt der Verlag: " Gerade hat die Opernsängerin Gwendolyn Fischer einen furiosen Erfolg auf einer Operngala in Köln gefeiert, als sie die Nachricht vom Tod ihres Vaters, Adrian Fischer, erreicht. Und es sieht so aus, als sei der Musikwissenschaftler ermordet worden. Hat sein Tod etwas mit dem geheimnisvollen Paket zu tun, das Fischer laut Testament mit ins Grab nehmen wollte? In eben diesem Paket befindet sich eine musikwissenschaftliche Sensation: ein verschollenes Bach-Manuskript. Kurz darauf setzt sich Matthias Lenau, ein Schüler ihres Vaters, mit Gwen in Verbindung. Er mahnt zur Vorsicht. Und tatsächlich überschlagen sich schon bald die Ereignisse: Gwen wird überfallen, und die Noten gestohlen. Nur Lenau kann ihr helfen. Doch kann sie einem Mann trauen, den sie kaum kennt? Und wer ist der Mörder ihres Vaters?"
Oliver Buslau - "Die 5. Passion", © 2009 Goldmann Verlag, TB 46511, 542 Seiten, Broschur, 8,95 €
Weitere Informationen unter:
www.goldmann-verlag.de  und  www.oliverbuslau.de
Das Buch ist ab 27. August im Handel.


Ebenfalls niegelnagelneu ist der Roman "Geheimauftrag in Wologizi" des in den Niederlanden lebenden liberianischen Autors Vamba Sherif. Kein reiner Kriminalroman, kein Thriller mit
vordergründigen Spannungs-Effekten, kein Buch, der herkömmlichen Schemata folgt.
Im Nordwesten Liberias, an der Grenze zum Nachbarland Guinea soll der Ermittler William Mawolo das Verschwinden des Ortskommandanten Tetese aufklären und herausfinden, was mit den ebenfalls verschwundenen Soldaten der Grenzstation geschah. Doch der Auftrag kann nicht lange geheim bleiben, denn in einer solchen Gegend fällt ein Fremder, der zudem Fragen stellt, auf. Mawolo stößt zunächst auf eine Mauer des Schweigens. Langsam kann er, unterstützt von einer Truppe Milizionäre, sagen wir lieber: einer Soldateska aus der Hauptstadt Strukturen von Macht und Machtmißbrauch aufdecken, doch er gerät selbst in den Strudel menschlicher Leidenschaften. Afrika ist anders. Wie schon in Andreas Kirchgäßners Roman "Zeitverlust" wird deutlich, wieso Europäer den Schwarzen Kontinent nie werden verstehen können. Was für Kirchgäßners Buch galt, gilt auch für Sherifs Roman - er ist zutiefst verstörend, wenngleich von ungewöhnlicher Spannung und unbedingt lesenswert. Nicht für Freunde leichter Unterhaltung oder für Leser, die sich eine einfache Lösung wünschen.
Vamba Sherif - "Geheimauftrag in Wologizi", © 2009 Peter Hammer Verlag, 179 Seiten, geb. m. Schutzunschlag, 19,90 €
Weitere Informationen unter:
www.peter-hammer-verlag.de


Auf ganz andere Art verstörend und von unerhörter Spannung ist Jürgen Kehrers Thriller "Fürchte dich nicht!", der nahezu perfekt zum derzeitigen Schweine-Grippe-Szenario paßt. Seit mit
wechselnder Argumentation die Pandemie-Gefahr durch das neue Virus beschworen und damit Angst erzeugt wird und die pharmazeutische Industrie vor Milliarden-Aufträgen steht, spricht mancher Journalist unverhohlen von einer Verschwörung. Jürgen Kehrer, einer der profiliertesten deutschen Krimi-Autoren hat ein umgekehrtes, noch perfideres Szenario entwickelt. Ein durch Zeckenbisse übertragenes mutiertes Virus sorgt von der Nordseeinsel Norderney ausgehend deutschlandweit für mysteriöse Persönlichkeitsveränderungen und Todesfälle. Die virulente Gefahr wird im Interesse der ungefährdeten Durchführung eines politischen Gipfeltreffens auf der Insel vertuscht - doch ein Polizeibeamter und eine Wissenschaftlerin wollen sich nicht mit dem Verbot von höchster ministerieller Stelle abfinden. Kommissar Martin Geis, lokaler Polizeichef auf Norderney und die Wissenschaftlerin Viola de Monti vom Bundesinstitut für Infektionskrankheiten glauben an eine Verschwörung von ungeahnter Dimension - durchaus zum Fürchten.
Ein veritabler Wissenschafts-, Polit- und Gänsehaut-Thriller in einem, ein brillant geschriebenes, actionreiches, von Anfang bis Ende fesselndes Buch, das man erst lesen sollte, wenn man sich überzeugt hat, daß kein Zeckenbiß droht. Verbreitungs- und Gefährdungsgebiete findet man im Internet u.a. unter: www.zecken.de oder www.medavit.de.
Jürgen Kehrer - "Fürchte dich nicht!", © 2009 Grafit Verlag, 355 Seiten, geb. m. Schutzumschlag, 18,90 €
Weitere Informationen unter:
www.grafit.de   und  www.juergen-kehrer.de


Kann Sherlock Holmes irren? Der Literaturkenner Pierre Bayard, dessen intelligent-witziges Werk " Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat" wir Ihnen jüngst vorgestellt haben, meint
"Ja". Er belegt es süffisant sachlich in seinem neuen Buch "Freispruch für den Hund der Baskervilles - Hier irrte Sherlock Holmes". Darauf muß man erst einmal kommen, Arthur Conan Doyle und seinen Romanhelden in Zweifel zu ziehen - und damit offensichtlich Recht zu haben.
Der Verlag dazu: "Who dunnit? Die meisten Krimileser verlassen sich ganz auf den Autor, wenn es um die Aufklärung literarischer Morde geht. Falsch, sagt Pierre Bayard: Selbst Meisterdetektive wie Sherlock Holmes können irren, ohne daß der Auto es bemerkt. Wie man als Leser den wahren Mördern in literarischen Texten auf die Schliche kommt, zeigt uns dieses ebenso witzige wie kluge Buch."
Es geht Bayard dabei um die scheinbare Wirklichkeit hinter der Fiktion, die er u.a. auch bei Sophokles und Shakespeare sucht und die er explizit am Fall Baskerville aufdröselt. Ein äußerst freches, höchst amüsantes Unterfangen, das mit übermütig vorgetäuschtem Ernst mit seinen Lesern Schabernack treibt.
Pierre Bayard -
"Freispruch für den Hund der Baskervilles...", © 2008 Verlag Antje Kunstmann, 206 Seiten, geb. m. Büttenumschlag, 16,90 €
Weitere Informationen unter: www.kunstmann.de

Redaktion: Frank Becker