Äthiopien (2)

Tagebuch einer Reise durch ein Land voller Geschichte und Gegensätze: Von Bati nach Lalibela

von Johannes Vesper

Tiermarkt in Bati - Foto © Johannes Vesper
Von Bati nach Lalibela


Montag, den 09.03.09
Früh zum berühmten Montagsmarkt in Bati. Schon auf dem Tiermarkt zwischen zahllosen Fettschwanz- Ziegen unterschiedlicher Größe und verschiedener Meckerfrequenz, unter Rindern mit den verschiedensten Hörnern, unter Dromedaren und Kamelen stürzen zwei ältere Mitglieder unserer Gruppe über Unebenheiten des Bodens, können aber mit Hilfe sofort wieder aufstehen. Ein  Oberschenkelhalsbruch hier ist der Alptraum des die Gruppe begleitenden Arztes.

Die Händler stützen sich auf ihren Stock oder tragen ihn quer über den Schultern und sehen mit ihren Charakterköpfen aus, als stammten sie direkt aus der Zeit Jesu Christi. Vorbei am Medizinischen Zentrum des Ortes Bati geht es zum großen Markt. Esel und Kamele werden geparkt, wobei zusammengebundene Vorderläufe oder hochgebundene

Der Galgen - Foto © Johannes Vesper
Vorderbeine als „Parkkrallen“ dienen. Das weitläufige Gelände auf einem Hügel wird überragt von dem noch bis vor wenigen Jahrzehnten benutzten Galgen, sagt unser örtlicher Marktführer, der infolge seiner Jugend eine Hinrichtung dort aber selbst nicht erlebt hat. Gemüse (rote Bete, Kohl, Mango, verschiedene Zwiebelsorten, reichlich Körner und Samen, Limetten, Möhren) und vieles andere wird angeboten. Für Kat, gibt es einen eigenen Markt im Ort. Kat wird in Äthiopien oft angebaut und gekaut. Wirksubstanz ist das Cathin, welches mit den Weckaminen (Amphetamin) verwand ist. Der Kat ist anregender als Kaffee. Hat der Kat-Benutzer erst einmal festgestellt, daß Alkohol die Lethargie und Apathie am Ende eines Kat-Trips aufheben kann, kommt Alkoholmißbrauch hinzu. Das Abhängigkeitsproblem ist in Äthiopien nicht gering. 

Auf der  Fahrt nach Dessie  wieder staubige Straßenbaustellen. Beiderseits neben der Hauptstraße werden in Kembolcha  großkalibrige Abwasserkanäle verlegt. Die Feinstaubbelastung ist  gewaltig im Land. In Serpentinen geht es die ostafrikanische Grabenkante hinauf nach Dessie. Auch dort Chaos zwischen Wellblechhütten. Beim Gang von der  Gaststätte zurück zum Auto stürzt der Senior der Gruppe über einen Treppenabsatz. Die Schürfwunden werden ausgewaschen und desinfiziert. Der begleitende Arzt kann sich schnell beruhigen. Keine Fraktur, kein Herzrhythmusstörung, kein Schlaganfall. Blutdruck und Puls sind  stabil. Die Fahrt kann fortgesetzt werden. Am Ortsausgang von Dessie  besuchen wir das Straßenkinderprojekt CPMT von Eskedar Mengistu. Frau Mengistu hatte ihren Mann verloren und gründete mit einem Startkapital von 500 € diese soziale Einrichtung, um Kindern ohne Väter und  Frauen ohne Männern zu einer selbständigen Existenz zu verhelfen. Straßenkinder werden von der Straße geholt. Die Kinder besuchen den Kindergarten der Einrichtung und sollen in den Stand versetzt werden, ein selbstbestimmtes Leben zu

Das Projekt in Dessie - Foto © Johannes Vesper
führen ohne Depression, ohne Prostitution und ohne Kriminalität. Sie weben dort, verkaufern Körner, Berberee (das ist der äthiopische Pfeffer) und Samen.
Die Mütter erstellten eine öffentliche Dusche (die erste und einzige in dem Stadtteil). Ältere Kinder arbeiten in der Hausaufgabenbetreuung jüngerer mit. Auch werden Pflegefamilien für Waisen gesucht und gefunden. In Äthiopien gibt es nach UNICEF-Angaben 600.000 Straßenkinder. Nach dem engagierten Vortrag von Frau E. Mengistu  kaufen viele von uns dort ein, um die Einrichtung zu unterstützen (siehe auch: www.lions-club-wuppertal-mitte.de).        
Anschließend geht es durch fruchtbare Ebenen mit ausgeprägtem Ackerbau. nach Weldya. Im Hotel hier gibt es Wasser für Toilette und Dusche nur abends und morgens für jeweils 1 Stunde. Das Bad ist ramponiert, der Klotopf gebrochen und die Wasserspülung funktioniert nicht. Das einfache Zimmer scheint aber einigermaßen sauber.

Dienstag, 10.03.09
Wecken 5:30 Uhr, Abfahrt 7:00 Uhr. Weldya ist eine staubige Straßenkreuzung mit Betonbauten und Wellblechhütten. Heute fahren wir nach Lalibela, mitten in die Gebirgslandschaft Wollo. Vor Jahren war der Ort nur mit Maultier erreichbar. In der Frühsonne geht es ein grünes Flußtal hinauf. Zahlreiche Männer und Frauen kommen aus den Gemüsefeldern und uns zu Fuß entgegen. Sie alle tragen lange

Der Afrikanische Graben - Foto © Johannes Vesper
Baumstämme auf den Schultern, die vermutlich auf dem Markt in Weldya verkauft werden sollen. Etwas später laufen dann zahllose Schulkinder kilometerweit in ihren Schuluniformen in Gegenrichtung. Fast alle winken uns zu. Hier wird klar, daß nahezu 50% der äthiopischen Bevölkerung jünger als 16 Jahre alt sind. In steilen Serpentinen windet sich die inzwischen  ungepflasterte Straße aufwärts. Beim Übergang zu den Ebenen des Hochlandes herrliche Sicht hinab in die Täler des ostafrikanischen Grabens.
 
Der Straßenbau ist fest in chinesischer Hand: Auf den chinesischen Lastwagen sieht man chinesische Gesichter. Nach Informationen der Reiseleiterin schickt China seine Strafgefangenen nach Afrika zum Straßenbau. Gelegentlich sieht man lagerartige Siedlungen für die Straßenbauarbeiter. Auf dem Hochland Ackerbau und steinerne Rundhütten. Für den Ackerbau in Äthiopien ist der hölzerne Hakenpflug unerläßlich. Seit Jahrtausenden ist er hier in Gebrauch. Steinhäuser, Tennen mit dem altertümlichen Dreschvorgang, und Wasserstellen bieten malerische Bilder.
 

Der Hakenpflug - Foto © Johannes Vesper
 
Endlich biegen wir ab nach Lalibela. Die Landschaft wird gebirgiger und karger. Nach 2 Stunden Pistenfahrt  kommt  Lalibela in Sicht, 2630 m hoch gelegen unter dem 4190 m hohen Massiv des Abunba Yosef. Vor dem Ort unter einem Felsvorsprung  liegt das kleine Kloster Naakuto Laab, von wo aus sich ein weiter Fernblick auf die Berglandschaft der Region Lasta bietet. Vor dem Eingang zur Kirche  hängt ein Satz Klangsteine, die in Äthiopien oft die Kirchenglocken ersetzen und an das Symmandrion (Holzbretter) der Klosterkirchen auf dem Athos erinnern. Das Kloster Naakuto Laab ist berühmt wegen des heilenden Wassers, welches dort immerzu von der Decke tropft.    
 

Naakuto Laab Klangsteine - Foto © Johannes Vesper

Naakuto Laab Priester - Foto © Johannes Vesper
























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auf seiner Reise durch Äthiopien

Redaktion: Frank Becker