Voltaire und Raderscheid – oder: Der Tod als Nebenwirkung

Lüder Wohlenberg mit seinem neuen Programm „Spontanheilung“

von Frank Becker

© Lüder Wohlenberg
Voltaire und Raderscheid –
oder:
Der Tod als Nebenwirkung
 
Lüder Wohlenberg mit seinem neuen Programm „Spontanheilung“
 
 „Das Geheimnis der Medizin besteht darin, den Patienten abzulenken, während die Natur sich selbst hilft.“ (Voltaire)
 

Was wohl tragischer sei: die Diagnose, man habe nur noch ein paar Monate zu leben oder die Erkenntnis, dass es eine Fehldiagnose war – nachdem man abgeschlossen und Bilanz gemacht hat? Lüder Wohlenberg, Arzt und Kabarettist, in seinem neuen Programm „Spontanheilung“ in Personalunion Medizinsachverständiger und Berufspatient, spielt das mit seiner Kunstfigur „Raderscheid“ durch. Ein wenig treibt er mit Entsetzen Scherz, wenn er feststellt, daß „meine Metastasen jetzt ein anderer hat“, doch das braucht die übersättigte Gesellschaft. Ein ordentlicher Tritt in den Hintern ist besser als ein therapeutischer Elektroschock.
Wohlenberg hat statistische Zahlen mitgebracht, die erschrecken: daß ein Fünftel der Weltbevölkerung keinen Zugang zu frischem Trinkwasser hat, ist schlimm genug. Aber daß ein Glas Kölsch (0,2 l) für seine Produktion 75 Liter Wasser verbraucht, eine Tasse Kaffee sogar 150 Liter und ein einziges argentinisches Rindersteak sogar 16.000 Liter (!) ist erschreckend. Und immer noch spülen wir jede sanitäre „Sitzung“ hierzulande mit 10 Litern feinstem Trinkwasser weg. Damit trifft der Kabarettist einen Nerv.
 
„Sie sind gesund? Dann wurden Sie nicht ausreichend untersucht!“ (Wohlenberg) Denn: „Die medizinische Forschung hat so viele Fortschritte gemacht, daß es praktisch überhaupt keinen gesunden Menschen mehr gibt.“ (Aldous Huxley)
 
Wohlenberg bringt in seinem gleichermaßen intelligenten wie unterhaltsamen Programm einige Grundregeln für gesundes Leben auf den Punkt, wie mehr Spiort, mehr Obst und weniger Stress – und stellt sie auch gleich wieder in Frage. Zuviel Sport geht auf die Gelenke, ist auch nicht gut. Da wäre auch z.B. die allgemeine Aufregung über die Schweinegrippe, deren Folgen weit weniger der Volksgesundheit zusetzen als die jährliche Influenza-Welle, deren Publizität aber ungemein nützlich für die Pharma-Industrie ist. Daß unsere Gesundheits-Ministerin Händewaschen gegen die Viren empfiehlt, ist dummes Geschwätz: „Wenn sie sich die Hände waschen, verteilen sie nur die Erreger gleichmäßig auf den Händen“. Verbürgt aber die hilfreiche Wirkung eines den Kopf völlig verhüllenden Atemschutzes gegen die Tröpfcheninfektion - der Zusammenhang zwischen der Burka und geringen Infektionszahlen in islamischen Ländern läßt aufhorchen. Ebensowenig hilft übrigens Körperhygiene gegen Läuse: „Wenn Sie sich dauernd waschen, haben Sie nichts weiter als auch saubere Läuse“. Zack! Wohlenberg wird es wissen. Und für alle Fälle haben wir ja Ärzte, die das wieder in Ordnung bringen – oder auch nicht, falls man in eine Klinik geht und dort eines der 40.000 Todesopfer pro Jahr durch Krankenhaus-Keime (daher auch der Name Krankenhaus) wird. Wohlenberg nimmt auch da kein Blatt vor dem Mund und liebt es, das medizynische Nest zu beschmutzen.
 
„Ärzte geben Medikamente, von denen sie wenig wissen, in Menschenleiber, von denen sie noch weniger wissen, zur Behandlung von Krankheiten, von denen sie überhaupt nichts wissen.“ (Voltaire)
 
Welcher Tod wäre wohl am schönsten? Wohlenberg weiß zu berichten, daß das Ersticken nur für Momente unangenehm sei und im Vorfeld durchaus Momente Lust in sich birgt. „Würgen beim Sex kann sehr lustvoll sein, erhöht das Empfinden und den Orgasmus – der Partner muß nur loslassen können!“ Daß Gynäkologen zur Gesundheitsvorsorge mehr Sex empfehlen, kling nivht mal unvernünftig. Doch im übrigen kann er davon berichten, daß es Ärzten sehr, sehr schlecht geht, einige schon von „Arzt IV“ leben müssen! Das gibt zu denken, ebenso wie der Satz Voltaires: „Ärzte geben Medikamente, von denen sie wenig wissen, in Menschenleiber, von denen sie noch weniger wissen, zur Behandlung von Krankheiten, von denen sie überhaupt nichts wissen.“ Da bringt schlechte Laune nichts, aber für eine manifeste Depression schüttet die Kasse immerhin 800,- € aus.
Wir lernen weiter: Laufen verlängert nicht Ihr Leben, es sei denn, einer ist mit einem Messer hinter Ihnen her. Und wenn man über ein Burnout-Syndrom klagt wie Michel Glos, sollte man vorher wenigstens angezündet gewesen sein. Apropos Politik: Daß die sogenannte Positiv-Liste Minister Seehofers von immerhin 20.000 Medikamenten auf dem deutschen Markt auf Betreiben der Pharma-Lobby („Horst, wir machen uns wirklich Sorgen um Dich...“) spurlos getilgt wurde, macht sehr, sehr nachdenklich. Lüder Wohlenberg spricht wohl allen aus dem Herzen, wenn er am Vorabend der Bundestagswahlen konstatiert: „Italien wird von einem sexsüchtigen Egomanen regiert – Deutschland vom Gegenteil.“
 
Auch das Phänomen, dass seit den flammenden „ärztlichen“ Appellen (dahinter steckt gewiß die Getränkeindustrie),  mindestens zwei, drei sechs Liter Wasser täglich zu trinken, jeder ständig mit einer Flasche in der Hand rumläuft, als könne er spontan verdursten, kann man mit einem Zitat beantworten: „Man kann die Erkenntnisse der Medizin auf eine knappe Formel bringen: „Wasser mäßig genossen, ist unschädlich.“ (Mark Twain).
Gesund aber ist Lachen, und das bekommt man bei Lüder Wohlenberg – ohne Krankenschein.
 
„Wenn ein Arzt hinter dem Sarg eines Patienten geht, folgt manchmal tatsächlich die Ursache der Wirkung.“ (Voltaire)
 
Offizielle Premiere ist nach allerlei Vorpremieren, wie jüngst im Lenneper Rotationstheater, am 14.11.2009 im Kölner Bürgerhaus Stollwerck. Sollte man nicht versäumen oder eine der bis dahin noch durchs Land tingelnden Vorpremieren besuchen.
 
Weitere Informationen unter: www.kultmoerder.de