Zum Welttag des Buches - Von der Würde des Menschen und dem Wert der Liebe

Hermann Schulz - "Sonnennebel"

von Frank Becker

Von der Würde des Menschen und dem Wert der Liebe


E
ines gleich vorweg: Ein so erfreuliches Buch wie Hermann Schulz' im Jahr 2000 erstaufgelegten Ro­man "Sonnennebel" bekommt man selten in die Hand. Das ist mir Grund genug, ihn heute am Welttag des Buches noch einmal aus der großen Menge guter Literatur hervorzuheben.

Es sind wohl die besten Sachen, die wenig Aufhebens um sich machen, sich unauffällig geben, weil sie unauffällig gemeint sind und dennoch das ganze Licht auf sich ziehen. So geschehen mit "Sonnennebel", dem Buch von Hermann Schulz, dem zuvor für seine Romane "Auf dem Strom" (1998) und "lskender" (1999) Anerkennung zuteil wurde und dessen Kinderbuch "Sein erster Fisch" viel Beachtung und vielfältige Auszeichnung fand.

Freddy Halstenbach erlebt in der gedan­kenvollen Obhut seiner jungen Tante Emma eine elternlose Jugend am ländlichen Nieder­rhein in der Mitte der 50er Jahre, einer schwie­rigen Zeit, als manches Haus ohne Hüter war. Das Taubenzüchten, in dieser Zeit und dieser Gegend ein beliebter und ernst genommener Feierabend-Sport, nimmt eine wichtige Rolle im Leben Freddys ein. Hermann Schulz zeichnet seinen Protagoni­sten aus eigener Kenntnis von Zeit und Land­schaft, gibt ihm mit sicherer Leichtigkeit die Essenz einer Nachkriegsjugend am niederrheinischen Rand des Ruhrgebiets mit all ihren Fährnissen und Entdeckungen mit. Heraus kommt ein un­sentimentaler Blick auf das Erwachsen wer­den eines scheinbar sperrigen Fünfzehnjährigen und auf all die guten und schlechten Erfahrungen, die damit verbunden sind.

Niedertracht, Lüge und Mißgunst, ja schreiende Ungerechtigkeit gehören ebenso dazu wie das Erleben wahrer Freundschaft, das Erkennen inneren Adels und die Erfah­rung erster aufrechter Liebe, für die Hermann Schulz die zartesten Worte findet. Unaufdringlich, dafür um so eindrücklicher ist die Sprache seiner tiefen Dialoge, das unprätentiöse Zeichnen der vielschichtigen Charaktere, die für Freddys Leben wichtig werden, elegant der Erzählbogen. "Sonnennebel" übt auf den Le­ser den Sog aus, der ein gutes Buch ausmacht – es fesselt und macht zugleich frei.

Man empfindet es beim Lesen als Vorzug, dabei sein zu dürfen, miterleben zu können, wie sich Ehrlichkeit durchsetzt, Aufrichtigkeit behauptet und Liebe aller Schattierungen unbeirrbar ihren Wert beweist. Hermann Schulz hat diesen Roman, der im Sommer 2007 eine Erfolgsausgabe als Taschenbuch erleben wird, mit wa­chem Blick aufs Detail geschrieben. Er zeigt wie alle seine Bücher außergewöhnliche moralische Qualität und hat in Heiterkeit und Ernst hohen literarischen Rang. Ein stilles Meisterwerk, das das Herz weit und den Leser reich macht.

Beispielbild
Umschlagillustration © Wolf Erlbruch

Hermann Schulz
Sonnennebel

© 2000 Carlsen Verlag

Gebunden mit Schutzumschlag,
286 Seiten
15,- €

Als Piper Taschenbuch 2002
8,90 €

Weitere Informationen unter:
www.carlsen.de

Hörtip:
"Sonnennebel" gibt es bei verschiedenen Anbietern auch als Hörbuch, auf 3 CDs vom Autor gelesen.