Internationaler Literaturpreis für "Lost City Radio"

Daniel Alarcón und seine Übersetzerin Friederike Meltendorf werden ausgezeichnet

von Annette Wassermann
Wagenbach- Autor Daniel Alarcón und seine Übersetzerin Friederike Meltendorf haben für das Buch „Lost City Radio“ (Wagenbach 2008) den Internationalen Literaturpreis - Haus der Kulturen der Welt gewonnen.
 
Der Preis ist mit 35.000 € dotiert, 25.000 €
gehen an den Autor, 10.000 € an die Übersetzerin.
 
Der Preis wird finanziert von der Stiftung Elementarteilchen und hat das Ziel, die Aufmerksamkeit auf die Vielfalt und Vielstimmigkeit weltweiter Gegenwartsliteraturen und die Vermittlungsarbeit des Übersetzens zu lenken. Die siebenköpfige Jury, bestehend aus Christian Döring, Ottmar Ette, Sigrid Löffler, Katharina Narbutovic, Peter Ripken, Susanne Stemmler und Jan Szlovak hat die Preisträger unter 140 Titeln aus 81 Verlagen und 53 Ländern ausgewählt. (www.hkw.de/literaturpreis)
 
In der Jurybegründung heißt es:
„Der Debütroman des 1977 in Peru geborenen und in den USA aufgewachsenen Daniel Alarcón konfrontiert uns auf eindringliche und einfühlsame Weise mit einer Welt, in der das Zusammenleben immer wieder von Bürgerkrieg und Gewalt bedroht wird. Ein Roman, der sich wie eine Parabel liest – ein präziser literarischer Entwurf, der eine nicht näher verortete Gewaltsituation sowohl auf Süd- und Mittelamerika wie auch auf koloniale Regime Andernorts übertragbar erscheinen lässt: Die Verschwundenen und der Kampf gegen das Vergessen sind zentrales Thema dieses geschickt komponierten Romans.
Alarcón schreibt in der Sprache seiner neuen Heimat USA und erlebt mit kühlem und präzisem Blick Geschichten seines Herkunftslandes nach. Die raffiniert Verknüpfung verschiedener, fein ausgearbeiteter, nicht chronologisch angeordneter Erzählstränge zeigt – jenseits eines vordergründig lateinamerikanischen Szenarios – die weltweiten Webmuster von Macht und Gewalt auf: Sie werden in der Radiosendung Lost City Radio subtil übersetzt, gleichsam hörbar gemacht. Die sinnliche Stimme der Rundfunksprecherin Norma trifft die Stimmung und der sprachlos Gewordenen so, wie die Radiosendung den Sinn, die Sendung der Literatur freisetzt. Das Medium Radio erhält seine eigenständige Rolle und vermag die so verschiedenen Atmosphären von Stadt und Dschungel miteinander zu verbinden. Vorangetrieben von einem unbändigen Willen zum Erzählen entsteht aus der meisterhaften und kongenial übersetzten Prosa des Romans das faszinierende Bewegungsbild einer Literatur, die zwischen den Welten, zwischen den Gewalten, zwischen den Sprachen ihre eigenen Stimme und ihren Eigen-Sinn entfaltet.“
 
„Friederike Meltendorfs Übersetzung von Daniel Alarcóns Roman Lost City Radio aus dem amerikanischen Englisch kann als kongenial bezeichnet werden. Mit großem Einfühlungsvermögen und Stilsicherheit im Deutschen ist sie in der Lage, die klare, zuweilen karge, präzise und lakonische Sprache des Originals wiederzugeben, ohne dabei den wunder baren Rhythmus, die zarte situative Poesie zu verlieren. Die deutsche Übersetzung trifft die unterschiedlichen Tonlagen der verschiedenen Erzählstränge, Erzählzeiten und Figuren auf exzellente Weise: zum einen die Sinnlichkeit des Mündlichen – Normas Stimme im Radio, ihr anfangs unsicherer Umgang mit dem fremden Kind aus dem Dschungel: zum anderen die Perspektive des Kindes Victor selbst und die brutalen Gewaltszenen im Dschungel.
Keine Stelle ist zu finden, an der man zögerte, weil der deutsche Satz stockte. Friederike Meltendorf trifft nicht nur den Ton der unbändigen Lust Alarcóns am Erzählen. Sie trifft auch ihre Wortwahl sehr sorgsam, so dass keine Assoziationen an die Erzählweisen aufkommen, die sich unserem literarischen Gedächtnis in vielen deutschen Übersetzungen der großen Meister des „lateinamerikanischen Boom“ stereotyp und als ‚typisch lateinamerikanisch’ eingeprägt haben. Auch deshalb ist Friederike Meltendorf -  eine der jüngeren unter den deutschen Literaturübersetzern – in der Lage, diesen Debütroman auch als Stimme einer neuen Generation von Autoren zu übersetzen, die zwischen dem lateinamerikanischen Spanisch und dem US-Englischen eine neue literarisch Heimat gefunden haben.“
 
Eine feierliche Preisverleihung, zu der auch wir herzlich einladen, findet am Mittwoch, den 30. September 2009 um 19.30 Uhr, moderiert von Wilfried F. Schoeller, im Haus der Kulturen der Welt statt. Anna Thalbach wird aus dem Roman lesen, der Bernd M. Scherer wird eine Einführung, Ilija Trojanov die Festrede halten, Ottmar Ette wird die Laudatio auf die Preisträger halten. Der Eintritt ist frei, Platzkarten sind erforderlich und zu bestellen unter literaturpreis@hkw.de.