Verbrechen

Neue Bücher über wirkliche Kriminalfälle

von Frank Becker
Verbrechen


Es geht seit eh und je ganz offensichtlich eine alle Schichten der Bevölkerung ergreifende, unerhörte Faszination vom Verbrechen und dem Verbrecher aus - wie sonst ließe sich die unüberschaubare Flut von Kriminalromanen und Fernsehserien erklären, die Mord und Totschlag, Hinterlist und Brutalität tagtäglich vor ein von angenehmem Schauder geschütteltes Publikum bringen. Daß dabei besonders die Wirklichkeitsnähe von Buch- und Filmproduktionen aus jüngerer Zeit die Konsumenten fesselt, ist nicht zu übersehen. Da ist der nächste Schritt nur logisch: Bücher und Dokumentationen über tatsächlich geschehene Verbrechen zu publizieren. Zwei Bücher aus dem Emons Verlag haben wir Ihnen in der zurückliegenden Saison schon vorgestellt: "Als Verbrechen noch Aufsehen erregten".


Aus den Fällen
eines Strafverteidigers

Aktuell liegen einige neue Bände über die Schattenwelt der Kriminalität vor, die Sie ebenfalls aus der sicheren Distanz des Lesesessels ohne eigene Gefahr für Leib, Leben und Eigentum mit dem Leben und den Taten der unterschiedlichsten Verbrechertypen konfrontieren: Mörder, Räuber, Einbrecher, Spione - Täter und Taten aus 200 Jahren.

Der Strafverteidiger Ferdinand von Schirach (45) vertritt seit 15 Jahren in Berlin vor Gericht Angeklagte aus allen Bereichen der Strafjustiz. Jetzt legt er, bereits in 2. Auflage, einen (sicher nicht den letzten) Band mit Fallbeschreibungen aus seiner juristischen Praxis vor: "Verbrechen". Er tritt damit in die Fußstapfen so namhafter Kollegen wie Dr. Erich Frey, Rolf Bossi oder William M. Kunstler. Und er macht es ausgezeichnet. Schnörkellos, in gradliniger, sachlicher Prosa erzählt von Schirach von Mördern und Totschlägern, Räubern und Betrügern, Schuldigen und Unschuldigen, eiskalten, zufälligen und psychisch kranken Tätern. Die Fälle sind nicht unbedingt spektakulär im Sinne der Boulevardpresse, wer will das schon, denn das kann kein Maßstab sein - aber immer von bewegend tiefer Menschlichkeit. Der Verlag setzt den Untertitel "Stories" ein. Das wird dem brillanten Stil des Autors im positiven Sinn gerecht. Daß diese Geschichten wahr sind, vergißt man über der fesselnden Lektüre fast. Ein literarisch wie dokumentarisch wertvolles Buch. Ferdinand von Schirach sollte unbedingt nachlegen.

Ferdinand von Schirach - "Verbrechen"
, © 2009 Piper Verlag, 208 Seiten, gebunden, mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 16,95 €
Weitere Informationen untere: www.piper.de



Verklärung eines Berufsverbrechers


Neben der Tat rückt auch die Persönlichkeit des Täters ins Zentrum des Interesses - kein Wunder also, daß man unter dem Etikett der Dokumentation auch den Verbrecher selbst zu Wort kommen
läßt. Einer, der über Jahrzehnte die österreichischen und auch deutschen Behörden beschäftigt hat und vor allem in den Gazetten des Alpenstaates seinen festen Platz hatte, ist der Einbrecher, Dieb und Zuhälter Ernst Walter Stummer. Sowohl als "Einbrecherkönig" wie auch als "Ausbrecherkönig" apostrophiert, gewann er völlig unangemessen eine gewisse Popularität, weil er immer wieder die Strafverfogungsbehörden narrte.
Dem jetzt 71-jährigen ehemaligen Berufsverbrecher, der mehr als 30 Jahre seines Lebens hinter schwedischen Gardinen verbracht hat, wird jetzt in der per Ghostwriter Reinhard M. Czar verfaßten "Autobiographie" mit dem Titel "Der Einbrecherkönig" abermals eine Aufmerksamkeit zuteil, die eher seinen Opfern zustehen würde. Aber deren Geschichte verkauft sich halt nicht so gut. Man darf unterstellen, daß Ernst Walter Stummer schlicht zu alt für weitere Straftaten geworden ist, angesichts einer derartigen internationalen Verbrecher-Karriere mag man an eine späte Läuterung nicht glauben. Deshalb erscheinen die in Stil und Tonfall bewußt einem Schulaufsatz ähnelnden Bekenntnisse Stummers, in denen unüberhörbar ein nachgerade hybrider Stolz auf sein Leben als "erfolgreicher" Verbrecher (ein wirklich erfolgreicher Kandidat hätte nicht sein halbes Leben im "Häfen" verbracht) mitschwingt, eher wie eine Selbstbeweihräucherung. Dem Buch fehlt jede Objektivität, es verklärt in geradezu ärgerlicher Weise einen Menschen, der ein Leben lang nichts anderes getan hat, als zum eigenen Vorteil anderen Schaden zuzufügen. Genau das aber ist so nötig wie ein Kropf.

Ernst Stummer/Reinhard M. Czar - "Der Einbrecherkönig"
, © 2009 V.F. Sammler, 216 Seiten, gebunden, mit einigen Fotos, 19,90 €
Weitere Informationen unter: www.stocker-verlag.com