Monet in Wuppertal - Ein Rausch der Bilder

Deutschlands erste umfassende Monet-Retrospektive öffnet am Sonntag ihre Pforten - das Museum ist für einen Ansturm von 100.000 Besuchern gerüstet

von Frank Becker
Ein Rausch der Bilder

Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum zeigt
mit Werken aus Sammlungen der ganzen Welt
zum ersten Mal auf deutschem Boden
eine umfassende Monet-Retospektive


 
Man muß physisch vor den Gemälden Monets stehen, um die Impressionen des Künstlers mit eigenen Augen nachvollziehen zu können, sie zu erfahren, zu spüren, welche Ruhe, welchen Ausgleich sie vermitteln. Wie traumhaft vor allem die Kunstwelten der berühmten
Seerosenbilder wirklich sind, kann man nur annähernd ahnen, wenn man sie in Büchern oder auf Plakaten sieht – wiewohl die Abbildungen im Katalog zur Wuppertaler Ausstellung in ihrer ausgezeichneten Qualität vieles schlagen, was bislang in anderen Büchern wiedergeben worden ist. Mit rund 100 Werken spannt die Ausstellung einen weiten Bogen über die mehr als 60 Jahre kreativen Schaffens Monets, von den frühen Karikaturen 1857 über die klassische Schule 1865 (Waldweg) und die kunstvoll arrangierten leuchtenden Seerosen-Bilder bis zu seinen letzten, stark vom Grauen Star beeinträchtigten beinahe düster wirkenden Gemälden 1924/26.
 
Vom verwegenen Gedanken zum durchschlagenden Erfolg

Es hat, kann Dr. Gerhard Finckh, Direktor des Von der Heydt-Museums und Kurator der Ausstellung mit berechtigtem Stolz verkünden, eine solch umfassende Präsentation des Werks des Malers, auf

Dr. Gerhard Finckh - Foto © Frank Becker
den der Begriff der Epoche „Impressionismus“ zurückgeht, in Deutschland bislang nicht gegeben. Das Programmbild des Impressionismus, sein „Impression, soleil levant“ aus dem Jahr 1873 ist als eines von ganz wenigen entscheidenden Gemälden Monets in Wuppertal nicht zu sehen. Es wird schlicht vom „Musée Marmottan Monet“, Paris nicht verliehen, ebenso wenig, wie das zwölf Meter lange Seerosenbild als der Pariser Orangerie, das fest installiert ist und seinen Standort nicht verlassen kann. Für Ersatz in gleicher Qualität ist gesorgt, denn das Musée Marmottan Monet und andere namhafte Galerien haben sich wahrlich nicht lumpen lassen: so ist mit „Soleil couchant sur la Seine effet d´hiver“ (1880) ein Gegenstück zum „Soleil levant“ aus dem Petit Palais, Paris zu sehen und das Marmottan hat insgesamt 30 Gemälde hergegeben, darunter die Karikaturen, das Alterswerk und etliche der 20 Seerosenbilder aller nur denkbaren Formate. Vorausgegangen sind viele persönliche Gespräche und Tauschverhandlungen, denn auch das Von der Heydt-Museum hat eine Vielzahl begehrenswerter Werke in seinem Bestand. Die konnte Gerhard Finckh in die Waagschale werfen.
 
Historischer Aufbau


Monet, Waldweg 1865 - Foto © Frank Becker
D
ie chronologisch aufgezogene Ausstellung nimmt das gesamte Obergeschoß des Museums ein, hat also bis zum 28. Februar 2010 ihre ganz eigene Welt. Man beginnt klugerweise nach dem Aufstieg mit einem Moment der Kontemplation in dem „Salon“, einem palmengeschmückten Raum, der dem der Pariser Orangerie nachempfunden ist, inklusive dem gigantischen Seerosenbild in Reproduktion. Dort sind auch die empfindlichen Arbeiten auf Papier zu sehen. Bistro-Stühle und Tische laden zum Verweilen ein, ausgelegte Kataloge geben die Möglichkeit einer ersten Orientierung. Im Uhrzeiger-Sinn folgt man nicht nur räumlich, sondern auch stilistisch der sich dynamisch entwickelnden Lebensspanne Claude Monets. Wer ihn zu Begin der eigenen Entwicklung beeinflußt hat, zeigt das erste Kabinett, das mit Bildern von Eugène Boudin, Johan B. Jongkind, Camille Corot, Gustave Courbet, Charles Gleyre, Frédéric Bazille und Charles-François Daubigny einen Überblick über die französische Malerschule der 1860er Jahre gibt. Allein Courbets „Felsenküste bei Étretat“ (Bestand V.d.H.), Gleyres Bacchanten-Studien und Bazilles Atelier-Bild wären einen Besuch im Museum wert.
 
Ein einziger Bilder-Rausch

Doch dann Monet: mit jedem Schritt  von Bild zu Bild, von Raum zu Raum werden die Augen weiter,
 
Monet, Soleil couchant sur la Seine effet d´hiver 1880 - Foto  Frank Becker
das Staunen ungläubiger: „Am Strand von Trouville“ (1870), „Spaziergang bei Argenteuil“ (1873), „Eisenbahn im Schnee“ (1875), verschiedene Ansichten von Véteuil (1880-1901), das Stilleben „Früchtekorb“ (1879), der oben erwähnte Sonnenuntergang (1880), Impressionen von der Belle-île und dem Tal der Creuse, (1880er), dann der Getreideschober (1891), der Wassilij Kandinsky zur abstrakten Kunst geführt hat und eines der bedeutendsten Bilder der Kunstgeschichte ist, drei Impressionen der Kathedrale von Rouen (1892/94) und einige der berühmtesten Reisebilder Monets: das britische Parlament im Nebel über der Themse (1904/05), die Waterloo-Bridge, als habe William M. Turner selber den Pinsel geführt (1899.1902), norwegische Schneelandschaften (1895) und schließlich eines der schönsten je gemalten Venedig-Bilder überhaupt: „Palazzo Contarini“ (1908). Es ist ein einziger Bilder-Rausch!
 
Die Seerosen und das späte Werk

Die Seerosen, mit denen Monet in kunstvollen Arrangements Oasen fürs Auge geschaffen hat,

Monet, Seerosen (1916) - Foto © Frank Becker
Zufluchtsorte für die Seele und eine heile Welt anbietet, schließen den Rundgang im lichtdurchfluteten Shed-Saal. In Garten-Impressionen von 1899 bis 1920 läßt Monet Blumenbeete leuchten und vor allem seine geliebten Seerosen von teils riesigen Leinwänden prangen. Wir sehen „Brücke über den Seerosenteich“ (1899), das vom Metropolitan Museum of Art in New York ausgeliehen wurde, die vielen Seerosen in allen Variationen vom Marmottan, Paris, das 3 Meter breite „Glyzinien (1919) in himmelblauen Farben – bis zum farblichen „Absturz“, als der Graue Star Monets Augenlicht trübte. Anfang der 1920er Jahre werden Monets Farben schwer und dunkel, löst sich das Federleichte seiner genau durchdachten Seerosen-Motive in harte, wuchtige Striche mit raschem, beinahe wütendem Pinsel aus, bis die Konturen schwinden, nahezu in völliger Abstraktion aufgehen. Am 6. Dezember 1925 stirbt Claude Monet im Alter von 86 Jahren in seinem Haus in Giverny.
 
Aufwendige Organisation

Die phantastische Ausstellung im Von der Heydt-Museum Wuppertal wird von der Jackstädt-Stiftung

Andrea Sölter (franceguide.com) erläutert:
Monet, Kathetrale von Rouen
- Foto © Frank Becker
ermöglicht. Die Französische Zentrale für Tourismus (Atout France)
schlägt eine touristische Brücke zu den Original-Schauplätzen. Das Office de Tourisme de Rouen bietet auf den Spuren Monets Malkurse in Rouen (mit Monets Blick auf die Kathedrale) an. Im Sommer des kommenden Jahres wird in der Normandie zum ersten Mal das "Festival Impressionniste" veranstaltet. 

Mindestens 100.000 Besucher werden in Wuppertal erwartet, 2.000 Gruppen haben sich bereits angemeldet. Es wird eine Extra-Kasse eingerichtet, um des Ansturms Herr werden zu können - und der Museums-Shop wurde wesentlich erweitert. Führungen werden in diversen Sprachen angeboten.

Die Ausstellung ist ab 11.10.2009 zu den folgenden Zeiten zu sehen: Di. + Mi.: 11-18 Uhr – Do. + Fr.: 11-20 Uhr – Sa. + So.: 10-18 Uhr. Montags bleibt das Museum geschlossen.
Die Eintrittkarten sind jeweils für einen per Stempelaufdruck markierten Tag gültig.

Der prächtige Katalog mit 276 Seiten, Aufsätzen von Dr. Gerhard Finckh, Marianne Delafond, Marie-Christine Decroq, Stefan Lüddemann, Karin Sagner, Klaus-Dieter Lemmen und Philippe Piguet (Übersetzungen aus dem Französischen von Heidemarie Hübschen) und unzähligen farbigen Abbildungen kostet 25,- €.

 
Monet, Glyzinien (1919) - Foto © Frank Becker
 
Weitere Informationen unter: www.von.der-heydt-museum.de