Erich Ohser al. e.o. plauen

Das Gesamtwerk des Schöpfers von "Vater und Sohn" in einem opulenten Band aus dem Südverlag

von Frank Becker

© Südverlag
Das geniale Werk
eines Zerrissenen



Erich Ohsers Gesamtwerk
in einem opulenten Band aus dem Südverlag



Ob er ein politischer Opportunist war, ein Wendehals oder ein Verzweifelter, der irgendwie versucht hat, sich und seine Familie während der Schreckensherrschaft im Dritten Reich durchzubringen, wird bis heute angesichts der wechselvollen künstlerischen Biographie Erich Ohsers (1903-1944) teils heftig diskutiert. Fest steht, daß er unter dem Druck der braunen Macht als politischer Karikaturist eine Wendung um 180° vom erklärten Nazi-Gegner, dem 1934 wegen seiner engagierten Kritik an den Nazi-Protagonisten Goebbels, Hitler und Konsorten die Aufnahme in die Reichspressekammer verwehrt wurde, ab 1940 zum geradezu unappetitlichen Vasallen der Fa. Hitler & Co. vollzogen hat. Seine Karikaturen gegen

"Dienst am Volk", 1931 in der "Neuen Revue" - © Südverlag
die alliierten Mächte in der Zeitschrift "Das Reich" sind von ähnlicher Geschmacklosigkeit wie später in der DDR die politischen Karikaturen u.a. im "Neues Deutschland" gegen die Westmächte. Daß Erich Ohser Denken wohl weit anders war als sein Handeln, wird durch sein schreckliches Ende dokumentiert: von einem Nachbarn, dem Wehrmachts- Hauptmann Bruno Schultz bei der Gestapo denunziert, werden er und sein Freund, der Arzt Erich Knauf wegen
"staatsfeindlicher Äußerungen" vor dem Volksgerichtshof angeklagt. In der Nacht vor seinem Schauprozeß erhängt sich Erich Ohser in seiner Gefängniszelle. Erich Knauf wird zum Tode verurteilt und hingerichtet.

"Vater und Sohn"

Was aber den tatsächlichen Erfolg und Nachruhm des auch als Buchillustrator (u.a. für Erich Kästners

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"Herz auf Taille") und Aquarellist begabten Zeichners Erich Ohser aus Plauen im Vogtland begründet hat, sind seine berühmten, beliebten und in ungezählten Buch-Ausgaben und Auflagen gedruckten liebenswerten kleinen Geschichten um einen kleinen struppigen Lausebengel und seinen glatzköpfigen dicken Vater, dem ein Walroß-Schnauzbart im Gesicht prangt: "Vater und Sohn".

Unter dem wegen seines Quasi-Berufsverbotes notwendigen Pseudonym "e.o. plauen" konnte Ohser in der "Berliner Illustrirten Zeitung" eine der wohl erfolgreichsten Zeichenserien der deutschen Zeitungs- Geschichte veröffentlichen, die durch die Zeitlosigkeit ihrer Alltags-Themen, die
menschliche Wärme ihres Humors und die Unverwechselbarkeit des Strichs bis heute nichts an Aktualität und Unterhaltungswert verloren hat.

Keine Namen, keine gesellschaftliche
oder regionale  Zuordnung, kein politische Botschaft. Ohser hat zwei sympathische Anti-Helden mit Ecken und Kanten, mit Launen und kleinen Fehlern geschaffen,
 
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die der Leserschaft, also dem Normalbürger abgeschaut waren. Die für den Zeitgeist im Grunde völlig "undeutschen" heiteren Geschichten um einen alleinerziehenden Vater, der nicht im mindesten dem arischen Schönheitsideal entsprach und dem Sohn, dessen wilder Haarschopf nichts vom straff gescheitelten Knabenbild der nationalsozialistischen Jugend hatte, waren ein Gegenentwurf zur genormten, gleichgeschalteten Gesellschaft ihrer Zeit.    

Die in drei bis neuen Bildern erzählten Geschichten um menschlich typische Reaktionen, kleine Mißgeschicke und verzeihliche Fehler gewannen wegen ihrer Nähe zum wirklichen Leben und vor allem wegen ihrer Einsicht so schnell an Beliebtheit, daß sie von 1934 bis 1937 regelmäßig wöchentlich erschienen - 185 Geschichten insgesamt - und bald auch in Buchform auf den Markt gebracht wurden. Es gab Kabarettnummern mit den Figuren von Vater und Sohn, Puppen und Wiedergaben in Porzellan und Marzipan, auch als Werbeträger wurden sie eingesetzt.

Liebenswert und durch und durch menschlich

Die Liste der Buchveröffentlichungen von "Vater und Sohn"-Geschichten verzeichnet bei Drucklegung im Jahr 2000 von 1935 bis 1999 insgesamt 32 Ausgaben in Deutschland (nach dem Krieg in Ost und West), Brasilien, Persien und Frankreich. 2003 kam zum 100. Geburtstag Ohsers mindestens noch ein Band dazu: eine Edition der Deuteschen Post AG "Die schönsten Vater & Sohn-Geschichten" mit einem Sondermarken-Block. Es gab in vielen internationalen Zeitungen Abdrucke der Zeichengeschichten, Trickfilme, Verwendung als Werbeträger u.v.a.m.. Es kann nicht wundern, ist doch die Sprache des Ohserschen Humors international.  Nehmen wir ein berühmtes Beispiel in den Blick unserer Betrachtung: Sohn prügelt sich auf der Straße mit einem gleichaltrigen Knaben. Beide holen heulend ihre Väter zu Hilfe. Nun kriegen sich vor den Augen der neugierig zuschauenden Sprößlinge die Väter in die Wolle und prügeln sich nun ihrerseits - während die Buben friedlich miteinander Murmeln spielen (siehe oben). Oder zitieren wir hier zu einem weiteren Bildbeispiel Joachim Klinger aus der Musenblätter-Serie "Sprachlos komisch: » "Sohn" erschrickt bei der Heimkehr. Aus dem Fenster des Vaterhauses quillt dichter Rauch. "Vater" muß gerettet werden! In hohem Bogen ent­leert "Sohn" einen Eimer mit Wasser in Richtung Feuer. "Vater" erscheint durchnäßt am Fenster und deutet vorwurfsvoll auf die erloschene Pfeife... «(siehe unten). Das alles geschieht und funktioniert der unmißverständlichen Aussage des Zeichenstifts wegen ohne Worte.


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Daß e.o. plauens (Erich Ohsers) Zeichengeschichten als Beispiel häufig auch für pädagogische Fachbücher benutzt und auch im Schulunterricht eingesetzt wurden, spricht für ihre hohe Qualität und Integrität. Sie werden wohl auch für weitere Generationen ein immer junger, humorvoller Quell der Freude und moralischen Erbauung sein und bleiben.


Erich Ohser (e.o. plauen) - Politische Karikaturen, Zeichnungen, Illustrationen und alle Bildgeschichten.
© 2000 Südverlag, Konstanz, 334 Seiten, Ganzleinen mit Schutzumschlag, 31,5 x 26,5 cm, Kunstdruckpapier, Werk- u. Literaturverzeichnis, mit Texten von Marianne Menze, Detlev Laubach, Hans Joachim Neyer
49,90 €

Weitere Informationen unter: www.suedverlag.de, www.vaterundsohn.de und www.lappan.de