Am Allerseelentage

Ein Feuilleton aus dem Jahr 1867

Red.

Foto © Frank Becker
Am Allerseelentage

Es sind uns heuer Berichte zugekommen, welche uns die feierlich Errichtung von Denkmälern schilderten, welche man auf das Grab der im vorigsjährigen Kriege gefallenen Soldaten setzte. Wer gedenkt nicht, besonders am Tage aller Seelen, dieser Tapfern, die für´s Vaterland fielen. Und wenn man so ein Heldengrab betrachtet, so steigen unwillkürlich viele Gedanken in der Seele auf. Vorüber ist der Krieg, überstanden sind die Schmerzen, ausgerungen hat der Krieger, aber im deutschen Vaterland nahm der Friede noch nicht seine Einkehr. Nach allen Anzeichen bereiten sich neue Stürme vor, und neuen Kämpfen geht der übrig Gebliebene entgegen, um noch einmal sein Kriegsglück zu versuchen. Wer weiß, ob er abermals wiederkehrt vom Schlachtfeld? Wo mag wohl für ihn das neue Grab gegraben und der ernste Denkstein gesetzt werden? Wird dann hernach das deutsche Vaterland dem Frieden engegen gehen, nach welchem es jetzt so große Sehnsucht trägt? Der überstandene Krieg deckte allerdings manche Gebrechen der Deutschen auf. Hat man dieselben zu bessern sich bemüth? Leider nicht.Der alte Haß gegen das Christenthum nahm nicht ab und die guten Sitten will noch niemand befördern. Man träumt von einer Allerwelts-Religion, von der nichts in der Bibel steht. Auf die Blüthe von Handel und Gewerb verwendet man die größte Sorgfalt, die Pflege des sittlichen Lebens jedoch gilt als Nebensache. Soll das die Wohlfahrt der Völker befördern? Nimmermehr! O deutsches Vaterland, mir scheint, du gehst größern und blutigern Kriegen entgegen und zwar in einem Kriege, wo Glaube und Unglaube sich um den Siegeskranz streiten. Möchte dann die Wahrheit endlich triumphiren! Und den Denkstein des neuen Heldengrabes schmücke die Inschrift: Hier ruhen die Sieger für Recht und Wahrheit; aus ihrem Blut entsproßte dem Vaterland endlich der holde Friede!