Verbrannte Erde
Markus Dietz inszeniert in Bochum „Eine Familie“
(Osage County) von Tracy Letts
(Deutsch von Anna Opel)
Regie: Markus Dietz – Bühne: Mayke Hegger – Kostüme: Ines Nadler – Musik: Ole Schmidt – Video: Oliver Iserloh - Licht: Andreas Bartsch – Fotos: Matthias Horn Besetzung: Heiner Stadelmann (Beverly Weston) – Mechthild Großmann (Violet Weston) – Katja Uffelmann (Barbara Fordham) – Stefan Schießleder (Bill Fordham) – Marina Frenk (Jean Fordham) – Christine Schönfeld (Ivy Weston) – Tessa Mittelstaedt (Karen Weston) – Manuela Alphons (Mattie Fae Aiken) – Thomas Anzenhofer (Charlie Aiken) – Oliver Möller (Little Charles Aiken) – Neda Rahmanian (Johnna Monevata) – Bernd Rademacher (Steve Heidebrecht) – Alexander Maria Schmidt (Sheriff Deon Gilbeau)
Premiere am 1.11.2009 All-American Drama
Mayke Heggers Bühne läßt auf drei Ebenen einen offenen Blick in die Räume des Hauses von
Solo für Stadelmann
Urgewalt Großmann Großmann ist eine Urgewalt mit Mut zur Häßlichkeit, ihre Violet ein hartherziger zerstörerischer Sturm, der berechnend durch das morsche Geäst des Familienstammbaums fährt. Wo sie den Raum betritt, ist für andere kaum noch Platz zum Atmen. Sie wagt und gewinnt in der Gratwanderung zwischen
Manuela Alphons steht ihr als dominante, zynische jüngere Schwester Mattie Fae kaum nach. Daß die beiden ein erschütterndes Geheimnis verbindet und zugleich trennt, wird sich gegen Ende erweisen. Dietz hat mit diesen beiden Frauen die Mütter-Generation brillant besetzt. Als unmittelbares Gegenüber im eskalierenden Streit der Generationen hat er die Rolle der nervösen, schnell aufgebrachten und zur augenblicklichen Hysterie neigenden Tochter Barbara mit Katja Uffelmann beinahe schmerzlich gut ausgestattet. Diese von ihrem Mann für eine Jüngere verlassene und mit einer Hasch rauchenden aufbegehrenden 14-jährigen Tochter geschlagene Nervensäge tut ihren Teil, um die Familie zu zerstören. Sie nervt bis in die hintersten Ränge des Theaters und wird dafür ebenso wie Großmann mit Jubel belohnt.
Schimmernde Blüte: Tessa Mittelstaedt
Ihre Schwestern könnten unterschiedlicher kaum sein: da ist die ständigem Spott der Mutter ausgesetzte, unverheiratet gebliebene Ivy (Christine Schönfeld), die ein heimliches Verhältnis mit ihrem weit jüngeren Vetter Little Charles (Oliver Möller) hat. Daß beide Halbgeschwister sind, was
Betrogen sind sie alle
Betrogen sind sie unterm Strich alle: um wirkliche Liebe, um Treue - denn fast jeder hintergeht hier jeden - es ist die ewige Geschichte des „American dream“, der sich letztlich als „American nightmare“ entpuppt.
Als stiller Geist (hier bemüht Tracy Letts die indianische Mystik) begleitet die Hausangestellte Johnna, eine Cheyenne (Neda Rahmanian), die Szene. Nur einmal greift sie ein, als es gilt, das Mädchen Jean vor dem Mißbrauch durch Steve zu schützen. Sich hier mit einigermaßen „Anstand“ aus der Affäre zu ziehen, gelingt am ehesten dem duldsamen Charlie (Thomas Anzenhofer). Dem reißt zum Vergnügen des Publikums gründlich der Geduldsfaden. Ansonsten: Beverly hat den direkten Weg in den Tod gesucht, um sich all dem zu entziehen, der farblose Bill Forham (Stefan Schießleder) tritt den geordneten Rückzug an, Steve kann sich von Karen streitbar und betulich umhüllt sehen, und Violet triumphiert zwar nicht über ihre unheilbare Krankheit, aber zynisch über jede einzelne ihrer Töchter, die sie ausspielt, erniedrigt, erhebt und schließlich endgültig vernichtet. Daß sie auch die mittelbare Schuld am Tod ihres Mannes trägt, läßt sie kalt. Sie hinterläßt verbrannte Erde. Ein großer Erfolg, vom Publikum mit 15-minütigem Applaus gefeiert, mit dem das Bochumer Theater nicht zuletzt durch hochkarätige Gäste eine echte Perle in seine leicht angeschlagene Krone fügen kann. Weitere Informationen unter: www.schauspielhausbochum.de
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