Budweis liegt am Hindukusch

Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk in einer Bühnenfassung der Berliner Komödie am Kurfürstendamm

von Frank Becker
Ein Schwejk aus Berlin

Walter Plathe versucht sich sympathisch
an Jaroslav Hašeks Klassiker



Regie: Klaus Gendries - Bühne: Edda Lingner - Kostüme: Riccarda Merten-Eicher - Fotos: Jirka Jansch
Besetzung: Walter Plathe (Josef Schwejk) - Maria Mallé (diverse Rollen) - Frauke Büscher (diverse Rollen) - Klaus Gendries (Oberst u.a.) - Reiner Heise (OLt. Lukasch u.a.) - Herbert Sand (Feldkurat Katz u.a.) - Marek Gierszal (diverse Rollen) - Alexander Rogge, Felix Zühlke (Wachen) - ein Hund (ein Hund) - am Klavier: Peter Buchheim

Schweik mit Hypothek

Seit 2004 tourt die Berliner Komödie am Kurfürstendamm mit der musikalischen Bühnenfassung von Jaroslav Hašeks Schelmenroman "Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk" - in der Titelrolle

Walter Plathe, Herbert Sand - Foto: Theater am Kurfürstendamm
der beliebte Fernsehdarsteller und Hörbuchsprecher Walter Plathe. Max Brod und Hans Reimann stehen für den Text, Peter Ensikat hat zu der Musik von Horst Maria Merz den Prolog und die Texte der Lieder verfaßt - ein wahrlich erlauchter Herrenzirkel, der für geschliffene Qualität steht. Wie aber besetzt man angesichts eigentlich unerreichbarer Vorbilder wie Fritz Muliar (Schwejk), Kurt Sowinetz (Katz) und Ernst Stankovski (OLt. Lukasch) ein derart typenabhängiges Stück?
Dem Charakterdarsteller Reiner Heise sitzt wie die k.u.k. Uniform brillant die Figur des Oberleutnant Lukasch, eine gute Wahl. Daß Altstar Klaus Gendries die Rolle des Obersten nonchalant ausfüllt, liegt auf der Hand. Allein, den schlitzohrigen Hundefänger Schwejk zu besetzen, ist nach
Rudolf Hrusinsky und Fritz Muliar ein Problem. Walter Plathe ist da gewiß nicht die große Lösung, doch er entledigt sich der Aufgabe mit Anstand, durchaus sympathisch und mit einem gewissen Charme. Nur: das Böhmakeln geht ihm ganz und gar nicht von der Zunge und an Chuzpe fehlt es ihm auch. Das aber gehört notwendig dazu. Sein atemloses Solo "4268" jedoch, in dem Schwejk versucht, sich vor dem standrechtlichen Erschießen zu retten, ist ein Kabinettstück!

Vom gefährlichen Un-Sinn des Krieges

Daß der "Schwejk" trotz oder gerade wegen seines die Obrigkeit in Frage stellenden Humors ein politischer und kompromißloser Anti-Kriegs-Stoff ist, sollte bekannt sein. Bei aller spaßigen und aktuelle Parallelen nicht scheuenden Aufarbeitung des Themas 1. Weltkrieg ("Budweis liegt am Hindukusch") in Gendries´ Inszenierung bleibt der bittere Beigeschmack, den jede Militärklamotte hat, haben muß. Männer aus ihrem Lebenskreis zu reißen und als Kanonenfutter in einen Krieg, ob in Böhmen oder am Hindukusch zu schicken, ist nicht lustig, denn wie sagt der Schwejk Josef: "...die Großen erklären ihn, die Kleinen führen ihn" und "Mir imponiert das ganze Geschäft nicht. Wer steht drüben? Harmlose Buchbinder und Friseurgehilfen". Die kleine Anti-Kriegs-Revue von Brod/Reimann/Merz bleibt denn auch von Anfang bis Ende politisch und kritisch. Das Ensemble setzt sich, obwohl die Aufführung im Grunde zur längst abgenudelten Routine geworden sein muß, sehr ordentlich, wenn auch merkbar routiniert ein. Die wandelbare Maria Mallé weckt mit ihrem gesanglich herausragenden Vortrag Erinnerungen an die unvergessene Hanne Wieder. Die Musik-Nummern

Plathe - Foto: Theater a. Kurfürstendamm
werden am Klavier begleitet und ein putziger Hund ist auch dabei. Wie der blutige 1. Weltkrieg, in vaterländischen Gazetten euphemistisch als "Völkerringen" apostrophiert, endete wissen wir.

Noch einmal davongekommen

Der "amtliche Idiot" Schwejk kommt mit dem Leben davon, nicht mal im Himmel will man ihn haben: "Schwejk auf die Erde, der muß ewig leben. Der Kerl ruiniert mir den Himmel" , und er kann seine Verabredung "nach dem Krieg um sechs im ‘Kelch’" einhalten. Da kommt einem sein unsterblicher Satz: "Schlagts euch die Köpfe ein - und zum Schluß werdet ihr sehn, ein Glas Pilsner wäre gescheiter gewesen" nachgerade prophetisch und gültig für alle weiteren Kriege und "bewaffneten Konflikte" vor. 




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