Schon wieder keine Trüffeln gefunden (2)

Ein Lamento

von Dorothea Renckhoff

Foto © Frank Becker
Schon wieder keine Trüffeln gefunden. Und ich geb mir solche Mühe. Schon in frühester Jugend wollte ich Trüffelschwein werden, aber vielleicht hat mit der Ausbildung was nicht gestimmt, denn bis heute ist mir die Bestätigung auch nur des kleinsten Trüffelchens vor der Nase versagt geblieben. Zu Klassentreffen gehe ich nicht mehr; was soll ich auf diese ewigen Fragen antworten, was machst du denn jetzt, wie läuft es? Die andern haben zwar auch nicht alle erreicht, was sie wollten, diesen Berufswunsch, der in Klammern hinter dem Namen in der Zeitung stand, als wir Abitur gemacht haben. ‚Berufswunsch Archäologin’ verkauft heute Computerprogramme, ‚Berufswunsch Bildhauer’ modelliert im Kindergarten Knete, ‚Berufswunsch Philosoph’ liest Gaszähler ab. Trotzdem, die können genau angeben, was sie machen, was sie sind.
Nur ‚Berufswunsch Journalist’, von denen sind einige arbeitslos, die haben wohl ein ähnliches Problem wie ich: Hört ein arbeitsloser Journalist irgendwann auf, Journalist zu sein? Und an welchem Punkt? Wann ist ein arbeitsloser Journalist, Schauspieler, Glasbläser nicht mehr Journalist, Schauspieler, Glasbläser? Und was ist er dann? Darf sich jemand Schriftsteller nennen, der schreibt und schreibt und keine Zeile veröffentlicht? Und welchen Titel führt das arme Trüffelschwein, das jahrelang nur harte Steine aufstöbert und keinen einzigen Pilz? Trüffelschwein i. W. (im Wartestand), p. z. (potenzielles zukünftiges), o. B. (ohne Bezüge), Trf. Schw. u. u. U. (Trüffelschwein unter ungünstigen Umständen)? Was macht den Einzelnen zum Journalisten, Schauspieler, Schriftsteller, Trüffelschwein?
Sollte man sich mit dem alten a. D. behelfen – außer Dienst? Trüffelschwein a. D., Journalist a. D.? Glasbläser a. D., Räuberhauptmann a. D., Winter ade, Scheiden tut weh: Leb wohl, Erfolg, leb wohl, Lebensentwurf. Nein, lieber weiter Trüffeln suchen.



© Dorothea Renckhoff - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2009