Plauderstunde

Über Kanzler-Architektur, Geschichtsfälscher und andere Jecken

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Konrad Beikircher
Plauderstunde

Über Kanzler-Architektur,
Geschichtsfälscher und andere Jecken


 

Einen schönen guten Morgen und herzlich willkommen, liebe Freunde meiner Dienstags-Plaudereien!
 
In Bonn haben sie ja den ehemaligen Kanzlerbungalow restauriert und der Öffentlichkeit übergeben. Ach hätten sie das doch gelassen! So sieht man ein Sammelsurium von Möchtegerne-Weltläufigkeit, Erhard hat ihn bauen lassen und drin so gewohnt wie er geraucht hat: dicklippig und mit Schmollmund, quasi Ochsenschwanzsuppe mit Sahnehäubchen und Kirsche drauf, Kiesinger hat ihn mit Holz getäfelt was die Schtuegrter Wälder hergegeben haben, Schmidt hat die Tapeten runtergerissen und hanseatischen Kaltspachtel draufgeklatscht und Kohl hat die Decke ein bisschen runtergehangen und den ganzen Bungalow einfach zersessen. Das braucht die Welt doch nicht wirklich zu sehen, oder? Elegant und weltläufig wohnen war eh noch nie eine deutsche Stärke, das lassen wir bitte lieber die Italiener machen, die haben die Eleganz im kleinen Finger und selbst so eine Verbrecheralben-Figur wie Silvio Berlusconi hat davon mehr als unser ganzer Bundestag zusammen. Der Kanzlerbungalow ist ein einziges Dokument bundesdeutscher Durchschnittlichkeit und misslungener Ambition und kein Denkmal für nix. Allerhöchstens ein Denkanstoß: Nie wieder so wohnen! Also dann: wenn Sie schon nach Bonn kommen, dann bitte wegen Beethovens Geburtshaus oder seinem Taufbecken in der Remigiuskirche aber nicht wegen dieser architektonischen Nullnummer!
 
Die wirklich großen Leistungen allerdings erbringen für mich aber die Menschen, welche gegen den Fluß der Zeit, den berühmten Mainstream, denken, die sich eben nicht vom Herdentrieb anstecken lassen und ihre eigenen faszinierenden Wege gehen. Da gibt es in der Schweiz einen, der sagt: es gab kein Altertum und kein Mittelalter, alles Blödsinn, die Schrift sei erst um 1680 entstanden und die Mönche im Kloster in St. Gallen hätten sich direkt dran gemacht, eine eigene Geschichte zu erfinden, nämlich die Antike und das Mittelalter, das es ja überhaupt nicht gegeben habe. Und das hätten sie mit aller Konsequent erfunden und installiert, nämlich zwischen 1680 und 1720: da hätten sie Latein, Altgriechisch, ägyptisch etc. pp. erfunden, die Bibel gleich mit dabei. Beweise: wie können die denn in St. Gallen echte alte Handschriften aus dem Mittelalter haben, wenn es da noch keine Schrift gegeben hat! Und die römischen Tempel hätten sie auch gleich um 17oo gebaut, weil: vorher gab es nämlich keinen Mörtel! So haben sich die Mönche aus St. Gallen dran gegeben, eben mal rasch die Antike hinzubauen, gut: Ruinen, aber dennoch!
Besonders scharf ist der Heribert Illig: der beweist kurz und bündig: Karl den Großen hat es nie gegeben, die Zeit von 614 – 911 nach Christus hat nie existiert, diese 297 Jahre frühes Mittelalter sind frei erfunden. Ja und wer hat dat denn gemacht? Das weiß der Illig auch: das waren der Kaiser Otto III. und sein Spezi, der Papst Silvester II. Die lebten tatsächlich von ca. 940 bis 1003, Illig aber sagt: Nein! Otto sei 683 geboren, Silvester 10 Jahre früher. Jetzt war der eine Kaiser, der andere Papst. Sie dachten, die Welt geht am 31.12.999 unter und wollten unbedingt Endzeitkaiser bzw. Endzeitpapst sein. Was lag da näher, als schnell mal 297 Jahre erfinden, die Zeit mit ein paar Pappnasen wie Karl Martell und Karl der Große füllen und schwupp! waren die beiden in der Weltuntergangssilvesternacht Kaiser bzw. Papst.
Blöd nur, daß die Welt stehen geblieben ist, aber vielleicht haben die dann noch mal zugeschlagen und noch mal 1000 Jahre erfunden, haben sich neue Namen gegeben und heißen jetzt Angela Merkel und Ratzinger, wer weiß, ich mein: weiß man’s?
Chronologie-Kritiker nennen sich diese Herren und da sollen sogar Bischöfe vom opus dei darunter sein. Kurz und gut: Sie sehen schon, liebe Freunde der Plauderstunde, hier und in Österreich und sogar in der fernen Schweiz – Sie sehen also, heute möchte der Beikircher ein bißchen grundsätzlich werden, weil: so viel hat das Jahr doch nicht hergegeben, Obama ist kein Musiker, Ackermann darf weiter als Schweizer die Deutsche Bank leiten (Umgekehrtes wäre Undenkbar, oder?!).

Nachdem Sie jetzt wissen, daß es immer noch einen größeren Jecken gibt, können Sie sich vielleicht viel besser mit den kleinen Ärgernissen des Tages arrangieren.
Ich habe kürzlich in den Musenblättern Eugen Egners herrliches Zitat gefunden: "Bevor ich mich aufreg, ist mir´s lieber egal." Das ist doch mal ein Motto!

Ihr
Konrad Beikircher



© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009
Redaktion: Frank Becker