Plauderstunde

Eine kleine Plauderei über besondere Menschen – und speziell über Olivier Messiaen

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Plauderstunde

Ein paar Worte über besondere Menschen –
und speziell über Olivier Messiaen
 
Ein fröhliches "Guten Morgen" Ihnen, liebe Freunde meiner dienstäglichen Plauderstunde in den Musenblättern! Ist es nicht wunderbar, daß es Menschen gibt, die besonders sind - und daß wir an ihrer Besonderheit teilhaben dürfen?
Ein Großer, wenn auch ein Umstrittener, ja manchmal sogar ein Belächelter ist so ein Besonderer: Olivier Messiaen wäre übermorgen, am 10. Dezember 101 Jahre alt geworden. Es gibt sie ja zum Glück immer mal wieder, diese genialen Außenseiter, die keiner Schule, keiner Richtung, keiner Schublade zuzuteilen sind, die einfach vor sich hin brasseln und ganz ihr eigenes Universum sind. Jean Sibelius war so einer, oder Franz Gsellmann, der im oststeiermärkischen Dörfchen Kaag seine wundersame Weltmaschine gebaut hat, oder das legendäre indische Mathe-Genie Srinivasa Ramanujan, der in irgendeinem Slum geboren wurde, dann zufällig entdeckt wurde und nach Oxford kam, wo er mit 32 Jahren starb, nachdem er mal eben die halbe Mathematik erneuert hat. Nicht alle sind zu Ehren gekommen, vielleicht hat es schon einen Tizian-Schüler gegeben, der kubistisch malte und dem der Meister sagte, er solle mal ganz schnell den Pinsel aus der Hand legen und besser den Hof fegen, was der dann tat und weshalb wir nichts weiter von ihm wissen. Olivier Messiaen ging es ein bißchen von allem: Zuerst hat er so ein bißchen Debussy-mäßig für Klavier (und nicht nur für es) geschrieben, dann hat er ornithologische Studien betrieben und dabei eine tolle Entdeckung gemacht (die jeder von uns gemacht hat, aber uns hat es nicht weiter bewegt, das ist eben der Unterschied zwischen unsereinem und einem Genie): er hat entdeckt, daß es bei den Vögeln musikalische und unmusikalische Gattungen gibt, also Vögel die singen und solche, die nur schreien! Ab da hat er quasi Brehms Tierleben vertont. Daß eine so banale Entdeckung ein ganzes Musikgebäude hervorbringen kann – wer hätte das gedacht. Ich meine: eine balzende Amsel oder gar die Nachtigall, das sind natürlich die Carusos und die Rita Streichs der Lüfte, dagegen ist ein Adler zwar eine imposante Erscheinung sängerisch gesehen aber höchstens als kastrierter Dieter Bohlen einzustufen. Olivier Messiaen aber hat aus dieser Beobachtung und den darauf folgenden Forschungen ein wunderschönes musikalisches Gebäude erschaffen. Daß ihm da Intellektuelle wie Pierre Boulez oder die donaueschinger Elite nicht gefolgt sind, wen wunderts. Uns, die wir offene Ohren haben, juckt das nicht. Mir haben viele seiner Kompositionen immer schon gefallen, außerdem ist für mich die Ondes Martenot ein tolles Instrument und selbst die Turangalila – Sinfonie kann ich genießen. So: herzlichen Glückwunsch quasi postum! Möge der 101. Geburtstag ein wenig dazu anregen, mal wieder ein bißchen Messiaen zu hören, egal was Adorno dazu zu sagen hatte (und ich kann dazu nur sagen: wer solche Streichquartette verbrochen hat wie Adorno, sollte mit Kritik an Kollegen verteufelt zurückhaltend sein!).
Zu den Vögeln hat Mesiaen übrigens etwas sehr schönes gesagt: „Mein Umgang mit den Vögeln hat viele Leute zum Lachen gebracht, weil die Vögel für sie die ‚kleinen Vögel’ sind. Sie glauben, es seien niedere Tierarten, weil sie klein sind. Das ist idiotisch! Als ich mich mit den Vögeln befaßte, habe ich begriffen, daß der Mensch vieles gar nicht erfunden hat. Es gab viele Dinge schon vorher, man hat sie nur nie so gehört. Zum Beispiel wird viel von den Tonarten und Modi geredet – die Vögel haben Tonarten und Modi. Man hat auch viel von der Teilung der kleinen Intervalle gesprochen – die Vögel machen diese kleinen Intervalle. Auch hat man seit Wagner viel von Leitmotiven geredet – jeder Vogel ist ein lebendiges Leitmotiv, weil er seine eigene Ästhetik und sein eigenes Thema hat. Man spricht auch viel von aleatorischer Musik – das Erwachen der Vögel, wenn sie alle zusammen singen, ist ein aleatorisches Ereignis. Ich habe also die Vögel gewählt, andere den Synthesizer.“
 
Nehmen Sie sich heute mal ausnahmsweise eine kleine Auszeit, genießen den einen Sonnenstrahl, der sich vielleicht durchmogelt und drücken Sie die Daumen, daß bei der Weltklimakonferenz (auch schon wieder so ein Monstrum), was rumkommt. Man kann sich nicht immer auf den rheinischen Grundsatz verlassen „Et hät noch immer jot jejange.“ Robert Crumbs Mr. Natural hat es auf den Punkt gebracht: „Das ganze Universum ist völlig wahnsinnig!“  - Und wir stehen dabei in vorderster Reihe.
 
Schönen Tag noch!
Ihr
Konrad Beikircher



© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009

Redaktion: Frank Becker