Über Georg Friedrich Händel

Karl-Heinz Ott - "Tumult und Grazie"

von Frank Becker

© Hoffmann und Campe
Diven und Kastraten

Vor  251 Jahren starb in London Georg Friedrich Händel , einer der Giganten der Barockmusik. Der in Halle/Saale geborene Zeitgenosse Johann Sebastian Bachs (den er trotz manch hoffnungsvoller Spekulation aus Kreisen von Musikfreunden nie getroffen hat) gehört zu den schillernden Gestalten eines glanzvollen musikalischen Zeitalters. Mehr als 40 Opern und 20 Oratorien hat er geschrieben, 16 Orgel-Konzerte, 21 Concerti und vieles andere mehr. Seine für den englischen Königshof komponierten Festkonzerte „Wassermusik“ und „Feuerwerksmusik“ gehören bis heute zu den meist aufgeführten Glanzstücken der Konzert-Geschichte.
 
Einige kleinere Opernhäuser stürzen sich in jüngerer Zeit geradezu wie ausgehungert auf Barock-Opern, zumal solche von Georg Friedrich Händel. Warum ist Barock wieder so en vogue? Wenn wir uns das mal von der wirtschaftlichen Seite anschauen, bietet sich eine schlichte Antwort an: es ist billig. Billiger jedenfalls als zu Lebzeiten des gefeierten Komponisten, denn damals wurden von den feudalen Unterstützern der Opernhäuser Unsummen für europaweite Engagements launenhafter Diven und gefeierter Kastraten ausgegeben. Wenig Personal und bescheidene Ausstattungen machen es auch finanzschwachen Häusern möglich, Opern aufzuführen, so sich das Publikum darauf einläßt. Woran es allerdings heuer mangelt, sind die guten Countertenöre, welche die einstigen Kastraten vom Range eines Farinelli oder Senesino und Diven wie die Bordoni, Cuzzoni und Durastanti. Aber das werden die Theaterdirektoren vielleicht gar nicht mal bedauern. Denn mit diesen exaltierten Diven beiderlei Geschlechts war es seinerzeit ein Kreuz, kann man den Erinnerungen der Zeitgenossen entnehmen.   
 
Das von Prunk und einigem Blendwerk bestimmte Zeitalter des Barock hat so biedere wie gediegene Noten-Künstler wie Georg Philipp Telemann, Dietrich Buxtehude, Antonio Vivaldi und Johann Sebastian Bach, aber auch „Stars“ wie Arcangelo Coreli, Domenico Scarlatti und eben Georg Friedrich Händel hervorgebracht. Bach, Händel und Scarlatti wurden übrigens im selben Jahr geboren, Händel und Scarlatti kannten einander und schätzten gegenseitig ihre Arbeit. Das läßt auch erkennen, wie bedeutend die Musik damals, in einem Zeitalter ohne elektronische Übermittlung oder Aufzeichnung, schnelle Reisemöglichkeiten und kurze Nachrichtenwege war. Karl-Heinz Ott hat in seinem Händel-Buch „Tumult und Grazie“ anhand zeitgenössischer Briefe und Aufzeichnungen ein sehr lebendiges Bild der durchaus turbulenten Musik-Welt entworfen, in der sich der weltgewandte Händel bewegt hat – von Hamburg nach Italien, von dort nach Hannover und schließlich nach England, wo er sein Lebenswerk schuf und vollendete.
 
Ott ist ein höchst unterhaltsam lesenswertes, zugleich sachlich fundiertes Buch über Georg Friedrich Händel (1685-1759) gelungen, das seit 2008 eine Lücke in der Musikgeschichte schließt. Auszüge daraus liest er selbst auf einer CD, die 2009 anläßlich von Händels 250. Todestag bei einer Matinee des NDR aufgezeichnet wurde – begleitet von Arien und Sonaten Händels mit dem Countertenor Kai Wessel und dem Barock-Ensemble „Musica Alta Ripa“ mit Danya Segal (Blockflöte), Anne Röhrig und Ulla Bundies (Violine), Albert Brüggen (Violoncello) und Bernward Lohr (Cembalo).   
 
Karl-Heinz Ott: "Tumult und Grazie - Über Georg Friedrich Händel"
© 2009 Hoffmann und Campe, 320 Seiten, gebunden, Zeittafel, Register
22,00 EUR (D), 22,70 EUR (A), 38,90 SFR (CH)
 
Tumult und Grazie (Hörbuch) 1 CD 
mit Karl-Heinz Ott (Sprecher), Kai Wessel (Countertenor), Musica Alta Ripa
© 2009 Hoffmann und Campe / NDR Kultur
Gesamtspieldauer:  1:23:48
17,95 EUR (D), 17,95 EUR (A), 33,50 SFR (CH)
 
Weitere Informationen unter: www.hoca.de sowie www.hoffmann-und-campe.de