Krieg den tragbaren Kleinstfernsprechern in Oper und Konzertsaal!

„To talk, or not to talk, that is the question“

von Peter Bilsing

Foto © Frank Becker
Krieg den tragbaren Kleinstfernsprechern
in Oper und Konzertsaal!
 
„To talk, or not to talk, that is the question“
 

Das Mobiltelefon ist unersetzlich (fast hätte ich „unersättlich“ geschrieben!) geworden auf unserer wunderschönen Erde mit ihren vielfältigen und blühenden Landschaften, es hat sich als sehr wichtiges Kommunikationsmittel erweisen und hat schon viele Leben gerettet. Punktum!
 
Aber doch nicht in der Oper - oder doch? „Hallo ist da die Feuerwehr? Ja, ich sitze in der „Götterdämmerung“ im Düsseldorfer Opernhaus – auf der Bühne brennt es, jawohl! Was soll ich machen?“ – „Hallo, Herr Intendant, ich sitze in ihrem Opernhaus, 6. Reihe Mitte, und habe für „Rigoletto“ Karten gekauft, die Geschichte hier ist aber sehr befremdlich, sie spielt auf dem Mond!“ – „Mutter, hol uns eine halbe Stunde später ab, der Dirigent ist ne Schlaftablette.“
 
Na gut, kommen wir nach dieser kurzen Fiktion zum Alltag. Dialoge wie – ich zitiere aus meinem Gedächtnis: „Ich geh jetzt rein, Tschüß!“ – „Oma, wir sind jetzt da!“ – „Ist gerade Pause!“ – „Ja, ich stehe vor der Tür. Es regnet.“ – „Hallo, seid Ihr noch alle zu Hause?“ - „Es klingelt, Tante Frieda, die Pause ist zu Ende!“  oder „Laugenbrezeln gibt es hier, lecker!“ kennen Sie bestimmt auch. Lebenswichtige Dinge, die sich Zeitgenossen anno 2009 mitzuteilen hatten. Per Mobiltelefon! Im Opernhaus! In der Pause. Jeden Abend wieder. Und am Ende der Vorstellung wird photographiert – mit dem Handy, versteht sich. Gut, daß die meisten Dinger noch keinen Blitz haben. Zwei Mega-Pixel, Gruppenbild über 20 Meter Entfernung, Dunkel. Noch Fragen?
 
Essen, Aalto-Theater – Wagner ist angesagt. Neben mir sitzt eine ältere Dame, was zuerst wie ein Selbstgespräch aussieht, entpuppt sich als Sonys neueste Freisprechanlage (Blue-Tooth-Stöpsel) im Ohr. Donnerwetter, was die Techniker heute zustande bringen. „Jetzt geht hier im Zuschauerraum gerade das Licht aus, ich muß Schluß machen, Herta.“ – „Aber nicht doch Madame, das Rheingold-Vorspiel bleibt Anfangs ganz leise, da können Sie ruhig noch mindestens fünf Minuten weitertelefonieren, mich stört es nicht!“ …. So stachelt man friedfertige Opernbesucher zur Lynchjustiz auf; es hat sauber geklappt! Eine simple Backpfeife, oder deren Androhung (Androhung von Gewalt ist auch strafbar) hätte mich locker 1000 Euro und drei Monate auf Bewährung wg. Körperverletzung gekostet.
 
Ja was nun? Wehren wir uns gegen diese ignoranten Idioten, oder lassen wir uns weiterhin die Abende versauen? Tschuldigung – laß den aggressiven Ton!, ruft mir mein Männlein im Ohr gerade zu. Warum nur werd ich jedes Mal so sauer; ist es die Hilflosigkeit? Das dumme sich jedes Mal wieder überrumpelt fühlen? Oder der gestörte Kunstgenuß? Das Schlimme an der Sache, so meine Erfahrung, ist, daß es noch nicht einmal unbedingt Jugendliche sind, denn die wären sicherlich durchaus lernfähig, auch sind sie meist einsichtiger, als viele Rentner-Rüpel. Stop! Bevor Sie jetzt den Knüppel aus der Tasche ziehen, mal Hand aufs Herz! Sind es nicht meist Ältere oder Jüngere, die ihnen beim verspäteten Durchquetschen durch ihre Reihe rüde ihren Allerwertesten zuwenden? Wie sollen die Jungen da von uns Alten lernen, bei diesen Vorbildern?
 
In vielen Theater läuft jetzt immer eine Ansage „Bla, bla, bla, bla… Fotografierverbot… und bitte schalten Sie ihr Handy aus, während der Vorstellung.“ Ansagen, die so sinnvoll wie überflüssig sind und nur von denen wahrgenommen werden, die ohnehin meist gar kein Handy dabei haben. „Huch Gottfried! Jetzt hab ich doch glatt mein Handy im Auto liegen gelassen.“ Eine Ansage, so wirkungsvoll wie „Rauchen ist gesundheitsschädlich!“ Achten Sie bitte mal darauf, ob überhaupt irgendeiner reflektierend in seine Tasche greift und das Handy ausmacht. Solche homo sapiens sind immerhin noch lernfähig. Ich hab schon an unzählige Hersteller geschrieben, doch bitte im Menü „Profil“ auch die Option „Opernhaus/Konzert“ wählbar zu machen. Keiner hat mir geantwortet. Vielleicht sollte ich doch Drehbuchautor werden, denn spontan fällt mir folgendes Szenario ein – Loriot läßt grüßen:
 
Nach der eben angesprochenen Ansage wird es meist dunkel und der Dirigent kommt. „Ach Hubert, schau doch noch mal schnell nach, ist das jetzt an oder aus? Es bewegt sich gar nichts mehr!“ – „Mensch Ethel, Du mußt erst die Tastensperre mittels des Codes „0977X“ lösen, und die rote Taste an der Seite drücken, dann kannst Du das Telefon abstellen! Hab ich Dir schon zehnmal gesagt und erklärt!“ – „Geht nicht! Dann mach Du es bitte, wenn Du alles besser kannst.“ – Klöng, polter, schepper…das Handy fällt runter – „Da hast Du´s!!!“ Wenn Sie schon einmal versucht haben ihr hinuntergefallenes Schlüsselbund im vollbesetzten Opernhaus aufzuheben, wissen Sie, was jetzt kommt… Die Geschichte endet in meiner Phantasie immer mit einem Opferritual.
 
Was ist mit „Hausverbot“, wie mir letztens ein Megakluger vorschlug. Na Super! „Mild und leise…“ intoniert Isolde gerade, da leuchtet der Türsteher in der 16. Reihe mit seinem Handscheinwerfer die Leute ab. „Wer war das eben? Wer hat den Klingelton „Schni-schna-schnappi“ auf seinem Handy und es widerrechtlich nicht abgeschaltet? Ich krieg Dich schon Bursche! Ja, Sie da mit dem roten Jackett – bitte mal aufstehen. „Ich war´s nicht! Ehrlich….“ Wollen wir das? Und was, wenn der Klingler ein 2-Meter-Body-Builder mit Hakennase und Tätowierung ist, ausgebeulte Jackett-Schultern dazu. Zeigen Sie dann auf den?
 
Was nun?
 
Ein anscheinend zukünftiger Nobelpreisträger, seines Zeichens Handy- und Computerfachmann, wollte mir letztens weismachen, daß es leicht machbar sei, den gesamten Handybetrieb durch Störsender (natürlich räumlich und regional begrenzt!) unmöglich zu machen. Was für eine geniale Lösung!  Ja da heben wir es doch: Technik mit Technik aushebeln. Doch oh, oh….
Nach dem Einschalten dieses Störsenders kommt zuerst der Vorhang runter, der sich darauf aber wieder öffnet – genau wie die Unterbühne in die gerade der Pilgerchor unerwartet, aber mit lautem Geschrei hineinplumst. Keiner wird verschont, denn es war eine moderne Inszenierung und alle hatten sich wie zum Karnevalsmarsch untergehakt. Von der Seitenbühne links kommt gerade das Bühnenbild von „Hänsel und Gretel“ (gestrige Vorstellung!) ein Hexenhaus wie von Geisterhand dreingefahren, während von der rechten Seite der Panzer aus Nabucco (morgige Vorstellung!) sichtbar wird. Es geht die Diskobeleuchtung an, die eigentlich für den zweiten Akt (Einzug der Gäste) erst vorgesehen war. Warum die Nebelmaschinen zum Entsetzen aller nicht in den Graben gefallenen Künstler nun die Bühne verräuchern, erscheint angesichts des jetzt auftanzenden Venusberg-Balletts unlogisch. Eine riesige Windmaschine bläst nun alles ins Publikum. Die Musiker haben schon lange aufgehört zu spielen, denn ihr Licht fiel aus und der Dirigent vom Stehpult. Das halbe Publikum greift hilfesuchend zu seinen Handys. „Stopp, halt , Aus! Test!! Es war nur ein Test unseres neuen Störsenders!“ versucht der Intendant Leute und Lage zu beruhigen. Doch die Panik ist nicht mehr aufzuhalten. Vor der Tür des Opernhauses dann bürgerkriegsähnliche Zustände, denn Personal und Patienten des nahegelegenen Krankenhauses treffen und vermengen sich auf der Flucht vor der streikenden Technik.
 
Wollt Ihr das?
Also, was stört Euch da ein gelegentliches kleines, ganz harmloses Handyklingeln.
 
Gott zum Gruße!

Ihr
Peter Bilsing

Redaktion: Frank Becker