Plauderstunde

Über Calvin, Zwingli und die Schadensregulierung bei Schiffshavarien

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Plauderstunde

Über Calvin, Zwingli und die
Schadensregulierung bei Schiffshavarien



Das Fest der Feste nähert sich mit Riesenschritten, meine lieben Freunde, da muß auch der Beikircher schonmal etwas besinnlich werden und neben dem grauslichen Einkaufsgetümmel an jene denken, die sich der guten christlichen Sache verschrieben hatten - sogar, wenn sie (kaum vorstellbar) nicht dem normalen Glauben angehört haben.

Heute möchte ich Sie darum an einen Geburtstag erinnern, der vor ein paar Monaten weltweit eher untergegangen ist, anstatt gefeiert zu werden: am 10. Juli 1509 ist er geboren, Jean Chauvin, in Noyon, in der Picardie nördlich von Paris. Er ist allerdings besser bekannt geworden unter dem Namen Johann Calvin und er ist so etwas wie die Karikatur eines Religionsstifters geworden, zumindest in den Augen vieler Katholiken und vieler Lutheraner. Wir haben uns im Religionsunterricht in Südtirol ja schon über Zwingli totgelacht, das heißt: über seinen Namen und dessen Korrespondenz mit dem Druck zur Bekehrung zur Reformation. Calvin hatte ein paar hundert Jahre lang das Pech, mißverstanden oder erst gar nicht gehört zu werden, so wie bei uns im Franziskanergymnasium in Bozen. Er habe die Gleichung aufgestellt, daß schon auf der Erde belohnt würde, wer rechtschaffen wandele etc. pp. Ich meine, wenn der Calvinist sagt: Zeitvergeudung sei die schlimmste Sünde, wozu auch übermäßig langer Schlaf oder Luxus zählen, und Arbeit sei der von Gott vorgeschriebene Selbstzweck des Lebens, ist das ja noch in Ordnung.

Wer so denkt, auf den kann sich ein Arbeitgeber verlassen und da ist der Holländer ja auch zuverlässig. Wieso ich auf Holländer komme? Weil ich vor einiger Zeit zufällig mit einem Versicherungsexperten für Schiffshavarien gesprochen habe. Der ist europaweit einer der Experten dafür, wenn ein Schiff untergegangen ist, wie denn jetzt der Schaden reguliert wird. Und der hat erzählt, wie das so läuft: sind die Schiffseigner Ungarn, dann wird erstmal zwei, drei Tage lang ein Mulatschak gehalten, der sich gewaschen hat, und wer als erster wieder aufsteht, kann die Bedingungen diktieren, normal. In Österreich muß man antichambrieren, das ist immer noch so wie zu k.u.k. Zeiten und ich schwöre Ihnen, daß es jedem Österreicher ein innerer Defiliermarsch ist, Reichsdeutsche warten lassen zu können! Mit dem Belgier mußt du erstmal essen gehen. Vorher läuft da überhaupt gar nix. Der Erfolg der Verhandlungen hängt dann davon ab, wie gut das Essen war. Ich sage ja immer: „Wer wie der Belgier seine Häuser nicht verputzt, um Kosten zu sparen, wer wie der Belgier, alle Leitungen „aufputz“ verlegt, um Kosten zu sparen und wer dann, wie der Belgier, mit dem gesparten Geld, dreimal in der Woche lecker essen geht, kann kein schlechter Mensch sein, oder?“. Nein, sagt er, der Hammer sind die Calvinisten in Holland. Warum? Weil deren Gottergebenheit im Alltagsleben fatalistische Züge hat und das sieht so aus: wenn also ein Schiff gesunken ist und die ganze Ladung ist weg, dann sagt der Calvinist: der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen und dreht sich die nächste Javaanse Jongens.

Ja ich meine: solang das sein Sack Mehl oder sein Schiff ist, meinshalben, muß er dann mit seinem Herrgott ausmachen, vielleicht daß der Heilige Geist die Entschädigung übernimmt, aber wenn das mein Sack Mehl ist, und ich bin rheinischer normaler Glauben, dann haben wir ein Problem. Dennoch: gratulieren wir postum einem großen Reformator, von dem übrigens die Theologen sagen, er sei einer der schärfsten Denker seiner Zeit gewesen, mit französischer Eleganz und picardischer Sturheit. Dieselben Theologen sagen auch, daß der Siegeszug des Protestantismus Calvin mehr als Luther zu verdanken sei, wozu ich nur sagen kann, kann sein, weiß ich nicht, das ist nicht meine Glaubensabteilung. In römisch-katholischer Toleranz rheinischer Färbung sage ich aber: lassen wir ihn hochleben, den alten Calvin, er war ein Gerechter und er war ein Bescheidener, und daß er für die Hexenverbrennung war – wie Luther übrigens auch – mag man ihm nicht vorwerfen, bis auf wenige haben damals wohl alle so gedacht. Außer meinem Favoriten Friedrich Spee, aber der hat damals ja noch gar nicht gelebt.

Damals haben sie vermeintliche Gegner und Gegnerinnen zu Ketzern und Hexen erklärt und einfach verbrannt, heute noch werden weltweit freiheits- und friedliebende Menschen oder einfach nur solche, die etwas anders denken, von Diktaturen verfolgt, eingesperrt, mißhandelt und ermordet. Und nebenbei wird offenen Auges um des "Fortschritts" willen unsere Erde zerstört und vergiftet. Was für eine Welt! Da muß man ja für jeden Calvin dankbar sein!

Ihnen, liebe Musenblätter-Leser, wünsche ich eine ruhige, konfliktfreie, friedvolle und erholsame Advents- und Weihnachtszeit. Kommen sie gut ins neue Jahr. Wir treffen uns hier im Januar 2010 wieder!

Ihr
Konrad Beikircher



© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009
Redaktion: Frank Becker