Betrifft: Schließung des
Schauspielhauses Wuppertal Die vorliegende Vorschlagsliste mit den Sparvorschlägen der Stadtverwaltung enthält neben anderen Einsparmöglichkeiten auch die Schließung des Schauspielhauses, was ohne Alternativ-Lösungen das Ende unseres einst berühmten Sprechtheaters bedeuten könnte. Wenn das Sprechtheater einer ersatzlosen Streichung zum Opfer fiele, könnte es so nie mehr aufleben. Auch seine große Vergangenheit wäre nur noch Anekdote. Früher war es - auch von außen gesehen - ein hochangesehenes, lebendiges Theater, wo immerhin Leute wie Hans Neuenfels, Rosel Zech, Christian Quadflieg, Harald Leipnitz, Xenia Pörtner, Lieselotte Köster, Mathias Habich und viele andere ihre Karriere begonnen haben.
Mancher erinnert sich noch, daß Hans Schalla bei seinen Spielplanüberlegungen für Bochum immer ängstlich darauf achtete, keine Dubletten mit Wuppertal darin zu haben, weil er den Vergleich nicht wollte, er hatte eine Riesenachtung von dem Wuppertaler Schauspiel. Aber auch die Oper unter Kurt Horres als Oberspielleiter war großartig.
Notzeiten bedeuten neben dem Zwang zum Sparen auch die Aufforderung zur Besinnung auf das Essentielle - was sonst? Wer die ersten Nachkriegsjahre noch bewußt erlebt hat, weiß, wie wichtig den Menschen unser Theater war, wie lebenskräftig es sich inmitten der Trümmer erwiesen hat. Die Künstler haben damals bewiesen, daß die Entfaltung von Kunst nicht von der Zuteilung von Mitteln allein abhängig ist, wohl aber die Bejahung durch Publikum und Verwaltung braucht.
Der Forderung nach Einsparung als nackte Liste kann nach unserer Meinung nur bedeuten, daß gemeinsam nach Lösungen und Alternativen und deren gemeinsamer Gestaltung gesucht werden muß.
Unsere Forderung lautet daher, die Stadtverwaltung möge ein Forum schaffen, in dem alle kulturell und kulturpolitisch Engagierten an der Gestaltung der kulturellen Zukunft unserer Stadt mitwirken können. Eine glanzlose, verstummte Stadt wollen wir nicht zulassen. Es ist die künstlerische Kreativität, die Wuppertal gerade heute Bedeutung verleiht. Sie ist es auch, die ihren Bewohnern das Bewußteinsfeld über die Identifizierung mit der Lebens- und Berufs-Welt hinaus erweitert..
Der Diskurs wird auch die Frage des Schauspielhauses als Gebäude beinhalten. Dieses schöne, wertvolle Haus könnte mit erschwinglichen Mitteln saniert werden. Es ist modern geblieben und immer noch eines der Wahrzeichen unserer Stadt. Bei einer variationsreicheren Nutzung könnte es sogar unentbehrlich für das kulturelle Leben werden.
Es ist sehr viel zu bedenken und zu diskutieren, und wir hoffen, daß dieses Gespräch bald beginnen kann.
Die Autoren im Verband deutscher Schriftsteller
Bezirk Bergisch Land
Für den VS Wuppertal Karl Otto Mühl
Von der Heydt-Preistäger Michael Zeller ergänzt in einem zusätzlichen offenen Brief:
Ja zum Sprechtheater in dieser Stadt! Erklärung von Schriftstellern in Wuppertal
an die Medien,
Die Literaten in Wuppertal lehnen eine Schließung des Sprechtheaters ihrer Stadt ab, wie sie die Stadtverwaltung vorgesehen hat.
Eine Stadt ohne Theater – was hieße das?
Theater ist ein Ort der Utopien. Nur auf der Bühne können neue gesellschaftliche und ästhetische Erfahrungen gemacht werden.
Die Bühne ist der Raum, in dem der Mensch unter den Bedingungen seiner Zeit sich neu erfinden kann.
Nur hier lassen sich Fragen menschlichen Zusammenlebens im Spiel (fragend, probierend) aufgreifen und durch-spielen.
Auf diesen Ort gesellschaftlichen und ästhetischen Lernens zu verzichten, bedeutet eine Verarmung der Stadt, die voller politischer Gefahren steckt.
Gerade für uns Schriftsteller ist ein Theater vor Ort ein unersetzbarer Partner in unserem Bemühen um den Erhalt einer lebendigen Sprache und ihrer Allgemeinverständlichkeit.
Theater ist ein Ort, an dem sich der Bürger mit seiner Stadt identifiziert, weil sie ihr ein einzigartiges Gesicht gibt. Über den Tag hinaus.
Nicht zuletzt ist Theater ein Ort, der als wirtschaftlicher Standortfaktor einer Stadt erheblich zu Buch schlägt. Anderswo ist das längst begriffen.
Theater ist unverzichtbar. Auch und gerade in Wuppertal.
Michael Zeller
Redaktion: Frank Becker |