Kontemplative Bildträume
Georges Seurat - Figur im Raum Eine Ausstellung in der Frankfurter Schirn Kunsthalle Eine Empfindung ergreift schon beim ersten Schweifen des Auges durch diesen geschmackvoll zusammengestellten und hervorragend kommentierten Katalogband unmittelbar Besitz vom Betrachter - und manifestiert sich beim wiederholten Anschauen: Georges Seurat ist ein Maler der Stille. Alle seine Bilder - sogar die "lauten" - sind leise. Dieses Oxymoron ist schnell erklärt: in den wenigen im Buch wiedergegebenen Graphiken, Gemälden und Kreidezeichnungen, die geräuschintensives Tun wie eine Zirkusvorstellung mit Pferden, einen Arbeitsprozeß mit schweren Werkzeugen oder eine Maschine (z.B. eine Lokomotive im Fahrbetrieb) darstellen, tritt das während des Malprozesses vorhanden gewesene Geräusch von Menschen, Tieren, Instrumenten oder Geräten völlig in den Hintergrund. Georges Seurat malt das Substanzielle, die Stille. Verharren im Moment
"Figur im Raum" haben die Herausgeber des für die Ausstellungen im Kunsthaus Zürich (bis 17.1.) und in der Schirn Kunsthalle Frankfurt/Main (dort vom 4.2. - 9.5.2010) konzipierte, reich illustrierte Buch betitelt - ein Hinweis auf die in Seurats Bildern überwiegend in Ruhe verharrenden Darstellungen von Menschen. Doch selbst die bewegten wie eine Zirkusreiterin (1891), ein Steineklopfer (1879-81) oder ein Mäher mit Sense (1881/82) scheinen innert ihrer Bewegung mit der Zeit und dem Raum zu verschmelzen. Der Pointillist Seurat, dessen "Un dimanche à la Grande Jatte" (1884-86) zum Programmbild des Pointillismus wurde und ihn noch vor Paul Signac zum Protagonisten dieser revolutionären impressionistischen Bewegung machte, hatte als akademischer Maler alle Grundlagen der klassischen Malerei. Ein Meister mit der Zeichenkreide schuf er geradezu hingehauchte Studien von Damen mit Blumenstrauß, Regenschirm oder Angel, hielt Arbeitsvorgänge wie das Ährenlesen, Clowns im Zirkus oder den Straßenbau fest und dokumentierte die Fortbewegung mit Dampfschiff, Droschke und Eisenbahn. Die penibel hingetupften, luftdurchlässig wirkenden Pointillismen sind festgehaltene Augenblicke. Menschen scheinen im dem Moment, ihrem Moment zu verharren, ja selbst die auf dem Pferderücken im Galopp spitzentanzende Artistin in der Manege und ihr saltierender Kollege sind wie in der rasanten Bewegung erstarrt, als habe man die Zeit angehalten. Die Menschen im Publikum, an Ufern von Seen, Kanälen und Flüssen, an Küsten, auf der Straße und auf dem Feld sind auf sich selbst konzentriert, eine jeder und eine jede in ihrem eigenen kleinen Universum. Ausatmen Wichtig scheint Seurat eher das Ausatmen als das Einatmen. Ich habe beim Anschauen der Bilder
Die Ausstellung in der Frankfurter Schirn Kunsthalle wird am 4. Februar 2010 eröffnet. Georges Seurat - "Figur im Raum", © 2009 Hatje Cantz Verlag/Kunsthaus Zürich, 152 Seiten, geb. m. Schutzumschlag, 24 x 28,6 cm, 133 farbige u. Duotone-Abb., Textbeiträge von Christoph Becker, Gottfried Boehm, Julia Burckhardt, Michelle Foa und Wilhelm Genazino, 39,80 €(D), 69,- sfr (CH) Weitere Informationen → hier und unter: www.hatjecantz. de - www.kunsthaus.ch - www.schirn-kunsthalle.de |