Der geprellte Liebhaber
Auf dem Humus meiner sträflichen Nachgiebigkeit gediehene widrige Umstände haben dazu geführt, daß ich insgesamt drei Wohnungen bewohne und bezahle. In der ersten, die genaugenommen eine junge Frau angemietet hat, deren Mietzins ich aber übernommen habe, versuche ich, eben dieser jungen Frau schönzutun, obwohl sie gar nichts für mich ist. Einmal nur gewährt sie mir die Intimität, um mich glauben zu machen, es sei mein Kind, das sie eine Woche später auf meine Kosten abtreiben läßt. Sie verlangt Mutproben von mir, wozu sie mich ausgesucht lächerliche Kleidung tragen und in dieser sowohl an den Arbeitsplatz als auch von einem Ende der Stadt zum anderen fahren heißt. Ihre alten Blusen vom Flohmarkt muß ich anziehen und mir knallbunte Pluderhosen kaufen. Lächerlich sind auch die Haarschnitte und Frisuren, zu denen sie mich inspiriert. In jeder der drei Wohnungen liegt ein Föhn bereit, um das arme Haupthaar senkrecht in die Höhe zu zwingen. Es wird immer schwerer für mich, die erotische Gewogenheit der Spröden zu erringen; ihre Aufgaben werden von Mal zu Mal unbarmherziger. Nicht lange, und sie macht zur Bedingung, ich müsse nackt in einen katholischen Gottesdienst eindringen. Das kommt mich hart an, doch ich opfere meine mannigfachen Skrupel auf dem Altar der schnöden Sinnenlust und gehorche. In den Ohren klingt mir der Brechtsche Vers »Das ist die sexuelle Hörigkeit«, und ich stürme nach dem Abstreifen meiner Kleidung ins Kircheninnere. Der Geistliche auf der Kanzel brüllt gerade: »Laßt uns fressen und saufen, denn morgen sind wir tot! «, da erscheine ich blank wie weiland Adam, um im nächsten Augenblick gehetzt gleich einem waidwunden Wild dem Ausgang zuzustreben. Ein Wunder, daß ich unerkannt entkommen kann. Der Vorfall wird am übernächsten Tag mit einer wenige Zeilen langen Notiz im Lokalblatt bedacht. Zwar nimmt meine Auftraggeberin befriedigt Kenntnis davon, das Versprochene aber verwehrt sie mir unter fadenscheinigen Ausflüchten. Zuerst einmal solle ich eine Wohnung mieten, auf die sie im Anzeigenteil der Tageszeitung aufmerksam geworden ist, und die nur ein paar Straßen entfernt gelegen ist. Dort könne ich mich dann aufhalten, wenn sie meiner überdrüssig wäre, und hätte es nicht weit zu ihr, wenn sie mich zu sehen wünschte. Ich willfahre ihr. In der zweiten Wohnung versuche ich dann erfolglos Bilder zu malen, was ich in der ersten, viel zu engen, schon wegen der zänkischen Frau nicht kann. Selten halte ich mich in dieser aufgenötigten Bleibe auf, und während der Nächte, die ich je nach Laune der Frau hier verbringe, liege ich kompensatorisch trunken auf einer defekten Campingliege mit Schottenmuster.
Die dritte Wohnung, mein angestammter Hauptwohnsitz, dient mir zum Ausruhen, liegt auch ganz nah bei meiner Arbeitsstätte. Zum Ausruhen aber komme ich nur selten, weil ich vor und nach der Arbeit mit Taschen, Beuteln, Koffern und oft auch Elektrogeräten oder Kleinmöbeln in öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen meinen weit auseinanderliegenden Wohnsitzen hin- und herfahre. Meinen Hausrat habe ich auf die drei Stellen verteilt.
Noch ehe ich in der dazu bestimmten zweiten Wohnung richtig zum Malen gekommen bin, gebe ich sie wieder auf. Mit dem Geld, das ich nun einspare, finanziere ich der Frau und ihren zahlreichen Freunden einen längeren Urlaub in den Tropen. Es reicht sogar noch für die Miete der gewerblichen Etage, die die fidelen jungen Leute zum Zwecke gemeinsamer, wenn auch unklarer, Kunstausübung vor längerer Zeit vertraglich übernommen haben. Wie ich vom Vermieter erfahre, haben die Lebenskünstler ihre Vertragspflichten bislang nicht eingehalten, und der Zorn des groben Menschen entlädt sich auf mich.
Die Möbel aus der aufgegebenen zweiten Wohnung stelle ich während der Urlaubsdauer in den von der Frau verlassenen Räumen unter. Weil ich meine, dies sei die angebrachte Verhaltensweise, warte ich hündisch bei ihren zurückgelassenen Schuhen auf ihre Wiederkunft, die dann aber enttäuschend ausfällt. Obwohl ich ihr täglich geschrieben und ihr unzählige Pakete mit Spezereien an wechselnde Auslandsadressen geschickt habe, kanzelt sie mich am Bahnhof grob ab, als ich sie herzlich willkommen heißen will. Ich habe bereits vorsorglich Geld für eine weitere Abtreibung beiseite gelegt.
Daheim schilt sie mich heftig ob der durch das Unterstellen meiner Möbel entstandenen Enge und Unbehaglichkeit. Ich gebe zu, daß es ein Fehler war, den teuren Möbeltransport zu meinem Hauptwohnsitz gescheut zu haben, und spüre: ich habe alle Hoffnung auf ihre Gunst verwirkt. Während der unerfreulichen Szene trägt einer ihrer Verehrer pfeifend meine Leinwandvorräte aus dem Haus.
© Eugen Egner |