Die Schlacht im oder am Teutoburger Wald (3)

Eine historische Richtigstellung

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Die Varusniederlage
oder
Die Schlacht im oder am
Teutoburger Wald
oder
Die Schlacht um die Schlacht
das ist
Die reine rheinische Wahrheit
 


Jetzt habe ich Sie schon wieder eine volle Woche auf die Folter gespannt, wie dat denn weiterjeht mit dem Varus und dem Hermann.

Und der deutschen Literatur kann man auch nicht immer glauben, so den Niedersachsen, wenn die z.B. in ihrem Niedersachsen Lied in der zweiten Strophe sagen:

2. Wo fiel'n die römischen Schergen?
Wo versank die welsche Brut?
In Niedersachsens Bergen,
An Niedersachsens Wut
Wer warf den römischen Adler
Nieder in den Sand?
Wer hielt die Freiheit hoch
Im deutschen Vaterland?
Das war'n die Niedersachsen,
Sturmfest und erdverwachsen,
Heil Herzog Widukinds Stamm!
 
Da lob ich mir doch meinen Heinrich Heine, der zur Einweihung des Hermannsdenkmals (zu dem er übrigens auch gespendet hat) geschrieben hat:
 
„Das ist der Teutoburger Wald,
den Tacitus beschrieben,
Das ist der klassische Morast,
wo Varus steckengeblieben.
Hier schlug ihn der Cheruskerfürst,
der Hermann, der edle Recke;
Die deutsche Nationalität,
die siegte in diesem Drecke...“
 
Nun ist ja aber eine weitere zentrale Frage die: Wer waren eigentlich die Beteiligten? Dazu kann ich Ihnen einiges sagen.
Also da waren zunächst einmal die Römer. Die Römer sind ja damals gerne mit Schäfers Reisen Siegburg durch Europa gefahren und wo es ihnen gefallen hat, haben sie erobert. Normal. Da sehen Sie übrigens hier vor sich einen Experten, denn in der Stadt, in der ich das Gymnasium besucht habe, steht das Tor der Römer in den Norden – also jetzt nicht original sondern nachempfunden: das Siegesdenkmal.
Das Siegesdenkmal ist auf Mussolinis persönliche Initiative hin errichtet worden. Das Denkmal ist mit Plastiken der italienischen Bildhauer Adolfo Wildt und Libero Andreotti ausgestattet. An der Stirnseite schießt eine stilisierte Siegesgöttin einen Pfeil gegen den germanischen Norden ab. Gewidmet wurde das Bauwerk den „Märtyrern des Ersten Weltkrieges“. Folgende lateinische Inschrift findet sich an der Front:
„Hic patriae fines siste signa. Hinc ceteros excoluimus lingua legibus artibus.“
„Hier an den Grenzen des Vaterlandes setze die Feld-Zeichen. Von hier aus bildeten wir die Übrigen durch Sprache, Gesetze und Künste.“
Die Einweihung fand am 12. Juli 1928 durch König Viktor Emanuel III. statt. An diesem Tage fand in Innsbruck eine Gegendemonstration mit 10.000 Teilnehmern statt. Hier erinnerte also Mussolini daran, daß die Römer via Bozen sich langsam den Norden Europas untertan machten.
Wir wissen nun, daß der Römer gerne nach Germanien kam, speziell aber bei den Ubiern blieb. Überall sonst ist er wieder verschwunden, römische Bayern werden Sie ebenso vergeblich suchen wie römische Tecklenburger oder Hanseaten. Nur im Rheinland ist er gerne geblieben, speziell in Köln. Gut: aus der Pax romana, die er uns gebracht hat, ist eine Pizza romana geworden, aber Hauptsache er ist noch da und fühlt sich wohl, schön!

Der Römer ist also hierhin gekommen und – das muß man wirklich sagen – er war ein feiner Kerl. Man muß sich das immer praktisch vorstellen, hier: Für die Rheinschiffahrt muß die Römerzeit eine der schönsten Zeiten övverhaupts gewesen sein. Ich kann mir das so schön vorstellen: mim Schiff voll Wein die Mosella erav - un wie die dann jesungen haben, die wunderbaren römischen Legionärslieder die der großartige römische Musiker, der Guiglielmus vir pasqualis, der römische Willi Ostermann komponiert hat - und damals hat man das über den ganzen Rhein gehört, da war die Welt ja noch nicht so lärmverschmutzt wie heute, hier zum Beispiel:

Vae victis, navis praefectus,
legionarius est semper erectus
pulcher puella coloniensis
vita est amor et circenses
vae victis, Colonia,
vivat puella, sempér expeditá  (!!)
Herrlich, ne
dat kann man sich esu richtig vürstelle
in der Hand dä Schlauch Wein
un links die herrlichen Burgen
turris muris, dä Mäuseturm, ne
oder hier:
die feindlichen Brüder
fratres inimici
oder Stolzenfels
castellum superbum
oder saxum draconis
dä Drachenfels
oder hier:
insula virginibus sacris cara
Nonnenwerth, klar,
oder dann dat herrliche
pons kennedianum
die Kennedybröck
oder castrum stupidum

Dusseldorf (damals noch ohne Umlaut!), das war damals das Umerziehungslager für bayerische Offiziersanwärter aus dem Bergischen Land, damit die ein bißchen gesellschaftlichen Schliff und Manieren beigebracht kriegen, woher ja damals dann der Spruch entstand: "Die Düsseldorfer kaufen für Geld, das sie nicht haben, Klamotten, die sie nicht brauchen um Menschen zu imponieren, die sie noch nicht mal kennen", den Römern nämlich.
Also all dat hat ja auch dem Römer schon jefallen, der ja der erste Rheintourist überhaupt war, un do hätt der Römer jo dann och für jesorgt, dat dat so bleibt und, hat hier und da Klöster jejründet, beziehungsweise, wie soll ich sagen: er hat die Voraussetzungen dafür jeschaffen, daß Klöster gebaut werden konnten, indem er schon mal, dä ein oder andere Mönch ömjenietet hätt. Dann hat er die Knochen liegengelassen, damit sie auch entdeckt werden, was ja damals alle naslang geschah:
kein Pilgerzug nach Sankt Jakob von Kompostella, ohne daß nicht einer wieder über einen Brustkorb oder eine Hüfte gestolpert wär, also die Knochen davon, und schon war wieder ein Märtyrer klar, klein Kapellchen drüber jebaut zum Konservieren und weiter jing et nohm Ballermann, äh, nach Santiago, wie gesagt, und da sind dann darüber die ganzen herrlichen rheinischen Klöster entstanden
Also soweit der Römer und seine Auswirkungen.

Wer waren denn die Germanen?
Da muß man zunächst mal sagen: Germanen? Die gab es überhaupt nicht. Denn: das war alles ein Haufen von einzelnen Grüppchen, Stämmen und, wenn es hoch kam, schon mal Völkern. Keiner wollte Steuern zahlen von denen, egal an wen; weil sie im Rechtsrheinischen unzufrieden mit den Ernten, dem Regen und dem Altbier waren, haben sie alle naslang Ausfälle ins Linksrheinische bis nach Gallien gemacht; weil sie nix zu beißen hatten, haben sie die Römer überfallen, ob Kaufleute oder Offiziere war ihnen egal, Hauptsache in der Überzahl und aus dem Hinterhalt, was den Caesar dazu geführt hat, von Andernach aus mit dem Holzschlauchboot nach Neuwied zu düsen, wo er sich aber nur eine blutige Nase geholt hat; In Bonn hat er eine Holzbrücke über den Rhein schlagen lassen, die haben die Bonner aber weggeschmissen, als der Beton erfunden war. Da waren drumherum aber noch andere Völker, da legst du die Ohren an: hier, der Ur-Holländer.
Wissen Sie, wie die hießen, ich sage nur: Nomen est omen! Die hießen Bataver, weil sie sich eine Batavia nach der anderen drehten und Cananefaten, weil die Cananef hatten, so hieß damals Cannabis, weil die sich also ein Rohr nach dem anderen drehten! So was wohnte damals hier. Die Germanen waren da schon ein bißchen anders - gut: Met und auf dem Bärenfell chillen, ok, bei der Kälte aber hierzulande auch verständlich, oder. Dabei aber hatten die einzelnen Stämme, also die Cherusker, die Chatten etc. pp. auch schon den Widerstandsgedanken gegen Rom. Wenn auch dieser Gedanke, das muß man auch sagen, nicht in Westfalen entstanden ist. Er entstand im Rheinland, sprich: im Rechtsrheinischen.

Hier haben wir die größte aller rheinischen Heiligen, und obendrein eine große rheinische Widerstandskämpferin gegen die römische Besatzung: die Hl. Penaten!
Sie hat ja damals oben im Schmelztal bei Bad Honnef ihre Heilsalbe zusammengebraut - von daher hat das Tal ja seinen Namen - aus Ochsenfett, Irisch Moos, zerriebenen Eicheln, Eberzähnen, Feuersalamandern, Sumpfdotterblumen, Aalgrün aus dem Rhein und wat weiß ich wat noch die Salbe gerührt und hat diese Salbe den Legionären angeboten, weil: Die kamen ja zu Fuß aus dem Süden, wat weiß ich, aus Marokko, Tunesien, Persien, das waren ja alles keine Römer, das waren ja alles nur Söldnertruppen, uns hier im Rheinland aber die Zivilisation beibiegen, verstehße mich, könnte ich heute noch sooo einen Hals, egal, stellen Sie sich vor, das wären Schwaben gewesen, was meinen Sie, wenn sich schwäbische Sparsamkeit und rheinischer Unternehmergeist gepaart hätten: an jeder Ecke eine Bausparkasse und an jeder zweiten eine Wirtschaft, um die Hypotheken zu versaufen, na ja, das zweite haben wir ja glücklicherweise!
Die hatten sich also bei den wochenlangen Märschen aus dem Süden bis zu uns nach Honnef ja einen Wolf nach dem anderen gelaufen und da kam nun die Hl. Penaten und hat denen die Creme verkloppt. Mit ungeheurem Erfolg übrigens - was jeder weiß, der seinem Kind im Stadium des Laufenlernens den Po damit eingecremt hat - wat die do stifte jon! So auch damals die Legionäre: eine Handvoll Creme, fott wore die - das war passiver Widerstand par excellence, worin der Rheinländer ja immer schon Weltmeister war, wie wir wissen.
So ist Rheinland Pfalz entstanden.

Kommen wir jetzt zu den Cheruskern, eil um die dreht sich die ganze Geschichte ja letztendlich. Die Cherusker waren klassische Ostwestfalen: sie lebten von Paderborn bis Detmold - nicht länger - und waren überhaupt ein auffälliges Volk. Velleius Paterculus schreibt über sie:
„Die Leute dort sind - wer es nicht erfahren hat, wird es kaum glauben - bei all ihrer Wildheit äußerst verschlagen, ein Volk von geborenen Lügnern. Sie erfinden einen Rechtsstreit nach dem anderen; bald schleppt einer den anderen vor Gericht, bald bedanken sie sich dafür, daß das römische Recht ihren Händeln ein Ende mache, daß ihr ungeschlachtes Wesen durch diese neue und bisher unbekannte Einrichtung (sprich: Gerichte, Richter und Prozesse) allmählich friedsam werde und, was sie nach ihrer Gewohnheit bisher durch Waffengewalt entschieden hätten, nun durch Recht und Gesetz beigelegt würde. Dadurch wiegten sie Quinctilius Varus in höchster Sorglosigkeit, ja, er fühlte sich eher als Stadtprätor (sprich: Regierungspräsident), der auf dem römischen Forum Recht spricht, denn als Oberbefehlshaber einer Armee im tiefsten Germanien.“
Ich meine: das ist doch mal eine brillante Analyse, oder?!
Andererseits:
Die Absichtserklärung in der Vergangenheit.
Das geht so: nehmen wir einmal an, da sind zwei Angestellte, ein Rheinländer und ein Westfale, sagen wir jetzt mal spaßeshalber. Beide bekommen vom Chef den Auftrag, was zu erledigen. Eine Woche später kommt der Chef und fragt nach. Er kommt zum Westfalen und fragt, ob das erledigt ist, der Westfale hat es aber nicht erledigt. Nun hat der Westfale zwei Eigenschaften, die zu seinem seelischen Grundkostüm gehören: er sagt a) immer die Wahrheit, er sagt sie b) immer im falschen Moment. Da kann er nix für, is so. Der Westfale also sagt zu seinem Chef: „Ich hab das nicht erledigt!“. Das sagt er. Seinem Chef! Ich meine: da muß man sich über die Arbeitslosenziffern doch nicht wundern, oder?
Was macht dagegen der Rheinländer, der es auch nicht erledigt hat? Vom Römer Gewitztheit gelernt! Er greift zur Absichtserklärung in der Vergangenheit und sagt treuherzig zu seinem Chef: „Ich wollt dat dieser Tage noch erledigt haben!“. Und wat is? Alle sind se’t zufrieden und bestens gelaunt verläßt der Chef dat Büro! So muß man es machen!

Jetzt aber zu den Hauptdarstellern:
Der Varus, bzw. der Publius Quinctilius Varus – für mich immer noch der Antwerpes der Antike – war ein recht spezieller Fall. Über ihn schreibt derselbe Velleius Paterculus:
„Quinctilius Varus stammte aus einer angesehenen, wen auch nicht hochadligen Familie. Er war von milder Gemütsart, ruhigem Temperament, etwas unbeweglich an Körper und Geist, mehr an müßiges Lagerleben als an den Felddienst gewöhnt. Daß er wahrhaft kein Verächter des Geldes war, beweist seine Statthalterschaft in Syrien: als armer Mann betrat er das reiche Syrien, als reicher Mann verließ er das arme Syrien. Als er Oberbefehlshaber des Heeres in Germanien wurde, bildete er sich ein, die Menschen dort hätten außer der Stimme und den Gliedern nichts Menschenähnliches an sich und die man durch das Schwert nicht hätte zähmen können, die könne man durch das römische Recht lammfromm machen. Mit diesem Vorsatz begab er sich ins Innere Germaniens... und brachte die Zeit des Sommerfeldzugs damit zu, von seinem Richterstuhl aus Recht zu sprechen und Prozeßformalitäten abzuhandeln.“
Ich meine: klares Porträt eines Verwaltungsbeamten auf hoher Ebene, alles schön aber alles auch ein bißchen farblos, oder? Er hatte eine steile Karriere hinter sich gebracht: Statthalter in Afrika, dann Statthalter in Syrien und dann Germanien. Zwischendurch der Judenaufstand in Judäa, der fiel in seine syrische Zeit und da hat er sich zur Zeit der Geburt Christi keinen wirklich guten Namen gemacht: nach dem Tod des Herodes im Jahre 4 vor Christus (da hat der kleine Jesus aber schon gelebt!) brachen überall im Lande Aufstände aus, er hatte die Ehre, diese niederschlagen zu sollen, ist ihm auch gelungen, wie wir ja auch aus dem Neuen Testament wissen. Sepphoris, die Hauptstadt der Unruhen, hat er niederbrennen lassen und in Emmaus - Sie wissen schon, die Stadt mit den Jüngern - wo eine römische Kohorte überfallen und der Zenturio mit 40 seiner Soldaten erschlagen worden war, ließ er sämtliche Bewohner in die Sklaverei verkaufen. Und damits auch richtig ein rundes Fest wurde, hat er 2000 Rädelsführer ans Kreuz nageln lassen. Sie sehen: zimperlich war man in dieser Zeit nicht, oder?!
Das hätten die Kölschen anders geregelt: das hat ja Kardinal Höffner mal mustergültig formuliert, der auf die Frage, was denn der Unterschied zwischen Münster und Köln sei, antwortete: "Das ist schnell erklärt: die Münsteraner haben die Wiedertäufer aufgeknüpft, die Kölschen hätten sie im Rosenmontagszug mitlaufen lassen!".  
Und der kam nun nach Germanien – und wurde dabei von den Cheruskern fertig gemacht! Das ist das, was man die nemesis historica nennt, die Rache der Geschichte. Auf der anderen Seite haben wir den Cheruskerchef Segimer, seinen Sohn Arminius und Flavus, seinen Bruder, Segestes, den Schwiegervater vom Arminius und seine Tochter Thusnelda. Und das war ein Clan, kann ich Ihnen sagen, dagegen waren die Ewings aus Texas die reinste Heiligenfamilie.
Also das war so: Der Segimer der war nicht so ganz der Freund der Römer, er hat seine beiden Söhne nach Rom geschickt, damit sie dort zu richtigen Römern erzogen würden mit dem Hintergedanken, die Römer dann mit ihren eigenen Waffen quasi fertig zu machen. - So: jetzt habe ich Sie so richtig heiß darauf gemacht, ob dat denn auch so jeklappt hett mit dem hinterfotzigen Plan von dem Segimer - und wat kömmt? - Die Werbepause!

Nächsten Dienstag gehen wir gemeinsam ein letztes Mal der einzig wahren Geschichte der Va(h)rus-Schlacht auf den Grund. Damit endet dann auch unser erhellender Ausflug ind die römisch-germanische Geschichte. Ewwer et wird noch ens ziemlich spannend! Also seien Sie wieder dabei!

Ihr
Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker