Eisenbahn-Romantik

Michael Schenk - "Mit dem Schienenbus von Flensburg bis München"

von Frank Becker
Der gute alte PTO


Er ist längst auch ein Stück Eisenbahnromantik geworden: der dunkelrote,
dieselbetriebene Schienenbus der Baureihen BR VT95 bis VT98, später der Akku-betriebene BR 515 der Maschinenfabrik Uerdingen, der als Inbegriff des für Fahrgäste komfortablen und für die Bahn kostengünstigen Personentransportes galt.

Von 1950 bis in die 90er Jahre bediente dieses legendäre Schienenfahrzeug mit den weich fließenden, abgerundeten Formen
mit hoher Zuverlässigkeit vor allem ländliche Nebenstrecken. Wer damals in den 50ern und 60ern etwas weg vom Schuß lebte, war glücklich, wenn er an einem der kleinen Haltepunkte, die nicht einmal den Rang eines Bahnhofs hatten, so einen roten Omnibus auf Schienen - denn nichts anderes war er ja - erreichte, um in die Kreisstadt oder den nächsten Einkaufsort zu gelangen. Die sogenannten Fahrschüler, die ihr  Gymnasium oder ihre Realschule im Nachbarort erreichen mußten, fuhren mit dem PTO oder kurz TO. Johlend stürmte die Bande morgens den zweiten Wagen des Schienenbusses (im ersten fuhr Herr Knabe, der strenge Klassenlehrer unserer Parallelklasse), wo wir die erste natürlich streng verbotene Zigarette des Morgens qualmten und einige auch schon mal als Trophäe den angeschraubten Aschenbecher mit der Prägung "DB" klauten. Allerdings haben die

VT 95 HP Egerpohl - Foto © Frank Becker
Jugendlichen damals nie die Waggons beschmiert oder beschädigt. Es kommt mich heute ein Jammer an, wenn ich die zerschlitzten und mit Filzstiften bemalten Sitze, die brachial zerkratzten Fensterscheiben und die mit Tags und Graffiti beschmierten Wagen des S-Bahn-Verkehrs sehe.

Wir haben uns als pubertierende Pennäler scheckig gelacht, als wir erfuhren, daß das weiße Schild mit der schwarzen Aufschrift
LP an unserer Haltestelle Läuten - Pfeifen hieß und noch alberner und ein wenig anstößig fanden wir die amtliche Bezeichnung Personentriebomnibus" (PTO) und die Bezeichnung Triebwagen. Man war halt noch ein wenig prüde erzogen seinerzeit. Meist fuhren Triebwagen und Anhänger im Zweiergespann, ab und an nur der Triebwagen, seltener ein Zug mit drei (u.a. S. 64/86) oder vier Waggons, wie z.B. auf den Seiten 46/47 zu sehen. Es war ein gemütliches Reisen, denn die Züge fuhren nicht schnell, man saß bequem, konnte die Sitzeinteilung durch umklappbare Rückenlehnen gestalten und hatte durch die Vollverglasung rundum einen herrlichen Panorama-Ausblick. Man mußte auch ein wenig Zeit mitbringen, denn hatte man einen Schinenbus verpaßt, dauerte es oft eine geraume Weile, bis der nächste kam, denn auf den eingleisigen Strecken wechselten sich die Fahrtrichtungan ab. Die Zeit für den Schienenbus war im Jahr 2000 abgelaufen. Viele seiner Nebenstrecken waren längst stillgelegt, die Haltpunkte aufgegeben worden, ein großer Fehler, wie von Fachleuten längst eingeräumt wird.

Ein wunderbares Buch mit 200 farbigen Fotografien aller Baureihen des Schienenbusses aus dem Archiv des Eisenbahnautors und -fotografen Michael Schenk öffnet der Erinnerung ein weites Fenster, zugleich für Bahn-Fans ein umfassendes Panorama der von Flensburg bis München, so der Untertitel des Bandes Mit dem Schienenbus eingesetzten Fahrzeuge, Baureihen und

DB-Baureihe 515 - Der "Samba" in Wuppertal
Foto © Frank Becker
Sondermodelle wie den Schi-Stra-Bus (S. 10). Und weil Michael Schenk umsichtig war, hat er die Schienenbusse zum einen in landschaftlich reizvoller Umgebung fotografiert, zum anderen bei den Bahnhöfen und Haltepunkten die Stations-Schulder nicht vergessen. So kann man mit dem lieb gewordenen alten Schienenbus
quasi noch einmal von Nord nach Süd den Westteil der damals ja noch geteilten Republik durchfahren, Plätze der Erinnerung aufsuchen, ja vielleicht sogar eine Station entdecken, an der man selbst einmal ein- oder ausgestiegen ist. Es geht wirklich von einem entlegenen Zipfel zum anderen, von Garmisch nach Schleswig, von der Schwäbischen Alb zum Harz. Wohl der Heimat des Autors geschuldet finden wir besonders viele und bildschöne Fotos von Strecken und Bahnhöfen Westfalens und des Siegerlandes.


Michael Schenk
-  „Mit dem Schienenbus von Flensburg bis München“
© 2009 Sutton Verlag, 128 Seiten, Hardcover, 17,0 x 24,5 cm, 200 Bilder,
ISBN : 978-3-86680-492-0  - Preis : 19,90 €
 
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