Leonardo da Vincis Mona Lisa:
mal wieder enträtselt Die Kunsthistoriker haben natürlich weiter gesucht und geforscht, obwohl doch 2008 schon alles dafür sprach, daß auf dem Gemälde im Louvre tatsächlich Lisa del Gioconda aus Florenz abgebildet ist. Nach dem spektakulären Fund in der Heidelberger Universitätsbibliothek - dabei handelt sich um eine Anmerkung Agostino Vespuccis, eines florentinischen Kanzleibeamten aus dem octobris 1503 - gab es keinen Zweifel daran, daß Leonardo 1503 jedenfalls mit einem Gemälde der Lisa del Cioconda, der Ehefrau eines Seidenhändlers aus Florenz, beschäftigt war (Veit Probst, siehe Musenblätter vom 06.08.08). Inzwischen wurde die alte Frage, wer die Frau mit dem berühmten Lächeln im Louvre wirklich ist, erneut beantwortet. Dabei stützen sich alle an der Identitätsfrage der Mona Lisa Interessierten auf nur wenige, wirklich wichtige Quellen: nämlich auf die erwähnte Randnotiz Vespuccis auf dem Cicero-Brief aus Heidelberg von 1503, auf die Lebensbeschreibung Leonardo da Vincis von Giorgio Vasari (1550), auf das Reisetagebuch von Antonio Beati (von 1517, s.u.) und die Notariatsurkunde vom 21. April 1525 über das Erbe eines gewissen Salai.
In Vasaris berühmten Künstlerbiographien, die 1550 zum ersten mal erschienen sind, findet sich der Hinweis, daß Leonardo vier Jahre an dem Portrait der Lisa Gioconda gemalt und es nicht vollendet habe. Nach Vasari hat Leonardo zwischen 1501 und 1503 mit dem Portrait begonnen. Von alters her wird das Bildnis der Mona Lisa auf den Aufenthalt Leonardos in Florenz zwischen 1500 und 1506 datiert. Die Angaben Vasaris sind der Wissenschaft aber suspekt, weil seine Publikation nahezu 50 Jahre nach dem Gemälde erschien. Trotzdem war die Wissenschaft vor allem mangels besserer Quellen überzeugt, daß es sich bei der Mona Lisa um Lisa del Giocondo handelt. Der Fund in der Heidelberger Universitätsbibliothek stützt diese Hypothese, ist er doch der erste und früheste Hinweis auf ein Gemälde der Lisa de Gioconda. Zweifellos war also Leonardo 1503 mit einem Porträt der Lisa del Gioconda befaßt. Schon Veit Probst aber bedenkt bereits 2008 die theoretische Möglichkeit, daß dieses Portrait der Lisa Gioconda an dem Leonardo 1503 gearbeitet hat, mit dem Gemälde der Mona Lisa im Louvre nicht identisch sein könnte.
Roberto Zapperi begründet in seiner Studie (s.u.) neue Zweifel an der althergebrachten Identität der Mona Lisa im Louvre mit der dritten Quelle (s.o.), nämlich mit dem Hinweis auf das Reisetagebuch des Antonio De Beatis, der die Bildungsreise seines Chefs, des Kardinals Luigi d`Aragona, durch das westliche Europa protokolliert hat, eine der wenigen Bildungsreisen, die von Italien aus nach Norden und Westen geführt haben. Am 08. Mai 1517 startete man von Ferrara aus, reiste durch Österreich und Deutschland, passierte das liebliche Rheintal zwischen Mainz und Köln, kam durch die Niederlande und Belgien und erreichte endlich Amboise an der Loire, wo Leonardo da Vinci, inzwischen im Dienst Franz I. von Frankreich, wohnte. Den Besuchern war klar, daß Leonardo ein berühmter florentinischer Maler war, als er ihnen im Atelier seine Bilder zeigte. De Beatis erwähnt drei Gemälde, nämlich den Hl. Johannes, den Täufer, die Madonna mit Mutter Anna und Sohn Jesus sowie „eine gewisse Florentiner Frau, nach der Natur im Auftrag des verstorbenen Giuliano de Medici gemalt“. Im intensiven Dialog zwischen Leonardo und dem Kardinal sprach man beim Atelierbesuch über dieses und jenes. Leonardo erzählte u.a., daß er mehr als 30 Leichname beiderlei Geschlechtes und jeden Alters seziert habe. Aus dem Bericht Beatis wissen wir auch, daß Leonardos rechte Hand gelähmt gewesen und er offensichtlich Linkshänder gewesen ist.
Wegen Leonardos Information aber, daß das Gemälde der Mona Lisa von Guliano de Medici in Auftrag gegeben worden sei (zwischen 1513 und 1515), untersucht Zapperi, von welcher Frau dieser wohl gerne ein Bild gehabt hätte. Über Leben und Liebschaften des Giuliano de Medici wird interessant erzählt, berichtet und spekuliert. Seine zahlreichen amourösen Abenteuer machen die Suche nicht einfach. Immerhin hat es unter den zahlreichen Geliebten und Kurtisanen des Giuliano de Medici aber nur eine gegeben, die ihm einen Sohn geboren hat, und um den hat er sich auch gekümmert. Nur eine Frau kann dem Schürzenjäger so im Gedächtnis geblieben sein, daß er Leonardo mit ihrem Porträt beauftragt hat, nämlich die Mutter seines illegitimen Sohnes Ippolito, des späteren Papstes Klemens VII., die da allerdings schon verstorben war. Guliano de Medici wollte also ein Bild der toten Mutter für den kleinen Sohn, nicht für sich. Das Liebesabenteuer war längst beendet er selbst inzwischen anderweitig verheiratet. Leonardo mußte nach den Vorstellungen des Auftraggebers das Porträt einer verstorbenen Frau malen, was damals auch von anderen Künstlern der Zeit verlangt wurde. Das Portrait ist also eine Imagination des Künstlers. Nicht einmal eine Totenmaske gab es. Das traurige Lächeln der Mona Lisa könnte den Seelenzustand einer Mutter widerspiegeln, die nicht zusammen mit ihrem Kind leben konnte.
Wie das Bild in den Louvre kam? Auch das bleibt unklar. Salai (Leonardo Giangiacomo Caprotti), war ein schöner Knabe und Leonardos Lieblingsschüler. Seit 1490 arbeitete er in der Werkstatt des Meisters. Vielleicht hat dieser Salai ihm die Mona Lisa abgeschwatzt, um das Gemälde dem König zu verkaufen. Darüber ist er aber verstorben. In der Notariatsurkunde vom 21. April 1525 zum Vermögen des durch gewaltsam zu Tode gekommenen Salai wird eine „Quadro dicto la Joconda“ von hohem Wert aufgeführt. Handelt es sich um das Original oder um eine Kopie des Schülers?
Das Thema bleibt jedenfalls interessant. Wir werden auf zukünftige Enträtselungen der Mona Lisa
Literatur:
Veit Probst: zur Entstehungsgeschichte der Mona Lisa, 2008 Verlag regionalkultur Heidelberg, 51 Seiten - ISBN 978-3-89735-538-5
Roberto Zapperi: Abschied von Mona Lisa. Das berühmteste Gemälde der Welt wird enträtselt., 2010 C.H. Beck Verlag, 159 Seiten mit 16 farbigen Bildtafeln und 9 Abb. im Text - ISBN 978 3 406 59781
Fritz Eckenga & Günter Rückert: Mona Lisa muß neu geschrieben werden, 2000 Tiamat Verlag Berlin, 79 Seiten, gebunden, durchgehend farbig illustriert - ISBN: 389320041X, 16,- € / SFr. 29,20
Redaktion: Frank Becker |